Am 10. August 2011, also ziemlich genau vor zwölf Jahren, schrillten bei der Schweizerischen Nationalbank die Alarmsirenen laut. Die Investoren flüchteten wegen der Euro- und Staatsschuldenkrise und hypernervösen Märkten in Scharen in den Franken. Die Währung stieg von Ende Juni bei 1,20 Franken pro Euro bis auf 1,01 Franken pro Euro Mitte August an. Ein Franken-Sprung mit Seltenheitswert an den internationalen Devisenmärkten.

Rund vier Wochen später zog die SNB die Notbremse und führte die Kursuntergrenze zum Euro ein, was drei Jahre Ruhe brachte. Die Aufhebung der Grenze Anfang 2015 und die Einführung von Negativzinsen führten abermals zu einer enormen Frankenaufwertung. Beide Ausschläge sind in unten stehender Wechselkursgrafik Euro/Franken klar ersichtlich.

Der Chart zeigt aber auch, dass der Frankenschub schon Ende Oktober 2007 so richtig einzusetzen begann, als die Finanzkrise die Märkte erfasste. Zuvor wurden noch Kurse von 1,71 Franken pro Euro bezahlt. Seither wertet sich die Schweizer Währung kontinuierlich auf. "Der Franken ist die neue D-Mark", gab ein Devisenexperte einer Landesbank in Deutschland schon im Jahr 2010 dem "Spiegel" etwas wehmütig zu Protokoll.

Entwicklung des Frankens gegen den Euro seit Anfang 2000

Entwicklung des Frankens gegen den Euro seit Anfang 2000 bis heute,

Quelle: Bloomberg

cash.ch hat auf Basis von Bloomberg-Daten die Kursentwicklung des Franken zu den wichtigsten Währungen seit Ende Oktober 2007 analysiert: 43 Prozent hat der Franken zum Euro seither zugelegt (siehe Tabelle 1 weiter unten). Die europäische Gemeinschaftswährung ist damit noch relativ gut bedient und schafft es immerhin noch auf Platz 12 in der Performance-Rangliste der 31 meistgehandelten Devisen der Welt im Vergleich zum Franken.

Der Dollar aus Singapur hat sich mit einem Verlust von "bloss" 19 Prozent noch am besten gehalten gegen den Franken seit Oktober 2007, gefolgt vom Shekel aus Israel, den Währungen aus Taiwan, China und Hongkong sowie dem US-Dollar. Sie alle verzeichnen ein Wechselkursminus von etwas über 20 Prozent gegen den Franken.

Währungen mit der "besten" Performance gegen den Franken seit Anfang November 2007.

Tabelle 1: Währungen mit den geringsten Wechselkursverlusten gegen den Franken seit Anfang November 2007.

Quelle: Bloomberg

"Die Wechselkursentwicklung des Franken ist tatsächlich phänomenal", schreibt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Sarasin, auf Anfrage von cash.ch. Er schränkt zwar ein, dass der Franken im Jahr 2007 vor der Finanzkrise "vermutlich etwas unterbewertet war". Dennoch lasse sich auch bei anderen Startzeitpunkten eine leichte Aufwärtstendenz des Franken beobachten. "Diese reflektiert meiner Einschätzung nach die weiterhin günstigen Wirtschaftsbedingungen in der Schweiz, den Produktivitätsanstieg, aber auch, dass der Franken international als sicherer Hafen gesucht bleibt", so Junius.

Der Status "Sicherer Hafen" begleitet die Schweizer Währung in der Tat seit Jahrzehnten. Die "Safe Haven-Schübe" träten regelmässig als Folge von Finanzkrisen oder politischen Ereignissen auf, sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank und zuvor in gleicher Funktion bei der SNB tätig. Der Franken habe vor allem zwischen 2008 und 2012 von "Safe -Haven"-Käufen profitiert.

Dieser Status beruht mitunter auf der Stabilität der Schweiz in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht und auch bezüglich Staatsfinanzen. Diese Stabilität wird regelmässig in den Urteilen der internationalen Ratingagenturen bestätigt. Erst kürzlich bewertete S&P die Bonität der Schweiz weiter mit der Bestnote "AAA". S&P lobte insbesondere die "starke wirtschaftliche Resilienz" des Landes.

Länder, die bei den Ratingagenturen regelmässig schlecht bewertet werden, haben - nicht überraschend - auch schwache Währungen. So entwickelten sich der argentinische Peso (minus 99 Prozent) und die türkische Lira (minus 97 Prozent) im Wechselkursverhältnis zum Franken seit 2007 weitaus am schlechtesten. Der russische Rubel verlor 80 Prozent. Äusserst beträchtlich sind auch die Verluste des britischen Pfundes und der Kronen aus Norwegen und Schweden. Was etwas erstaunen mag, da diese Länder Skandinaviens von den Ratingagenturen ebenfalls immer Bestnoten erhalten.

Es zählen aber weitere Kriterien, weshalb sich die Schweiz von anderen Ländern und deren Währungen unterscheidet, so die Inflation: "Die nominale Wechselkursentwicklung lässt sich ganz klar auf die unterschiedlichen Inflationspräferenzen und damit die tieferen Inflationsraten in der Schweiz zurückführen", sagt Junius.

Währungen mit der schlechtesten Performance gegen den Franken seit Anfang November 2007.

Tabelle 2: Währungen mit den grössten Wechselkursverlusten gegen den Franken seit Anfang November 2007.

Quelle: Bloomberg

Starke Währungen können einen Wirtschaftsraum aber auch schädigen, denn sie verteuern im Inland hergestellte Produkte im Ausland, was eine exportlastige Volkswirtschaft wie die Schweiz potenziell bedrohen kann. Die SNB kaufte deshalb ab 2007 Fremdwährungen in der Höhe von rund einer halben Billion Franken, um die Frankenaufwertung abzuschwächen. Die Wirkung der Interventionen verpuffte an den Devisenmärkten aber jeweils bald - und dass die SNB mit den Devisenkäufen ihre Bilanz massiv aufgebläht hat, sorgte und sorgt für heisse Köpfe in der Politik.

Dennoch sieht Stucki vor allem die Vorteile des SNB-Einschreitens an den Märkten für die schweizerische Volkswirtschaft: "Die Interventionen haben die Planbarkeit für die Firmen erhöht", sagt er.

Karsten Junius von J. Safra Sarasin nimmt die Interventionen der SNB ebenfalls in Schutz. "Sie haben die Volatilität des Wechselkurses begrenzt und so dazu beigetragen, dass sich die Schweizer Wirtschaft allmählich und nicht schockartig an ein höheres Wechselkursniveau anpassen konnte." Die Auftrags- und Arbeitsplatzverluste hätten so ebenfalls minimiert werden können.

Kein Auslöser für schwächeren Franken in Sicht

Fakt ist, dass die letzte grosse Wirtschaftskrise der Schweiz 16 Jahre zurückliegt. Und bei den wichtigen Kennzahlen Inflation oder Arbeitslosigkeit blieb die Schweiz schon vor 2008 teils deutlich unter den Vergleichszahlen von anderen wichtigen Volkswirtschaften. Das positive Gesamtbild hält sich: So gipfelte die Inflation in der Schweiz zu Jahresbeginn 2023 bei einem Wert von 3,3 Prozent. In den USA erreichte die Teuerung über 9 Prozent und im Euroraum gar über 10 Prozent.

"Die Schweiz profitiert von ihrem starken Franken", ist Junius überzeugt. Dies mache sich in der aktuellen Situation besonders bemerkbar, in welcher der starke Franken die Importpreise niedrig halte. "Immerhin hat es die SNB als eine der wenigen Zentralbanken geschafft, die Inflationsraten schon jetzt in ihren Zielbereich zurück zu bringen", so Junius. Dadurch fielen die makroökonomischen Schwankungen geringer aus als in anderen Währungsräumen.

Für die Wirtschaft sei ein starker Franken grundsätzlich zu verkraften, da durch die tiefere Inflation die Kostensteigerungen auch geringer seien, meint Stucki von der St. Galler Kantonalbank. Schwierig werde es bei sehr schnellen und sehr starken Aufwertungen, weil dann die normalen Anpassungsprozesse zu langsam seien. 

Sowohl Stucki wie Junius sehen keinen "Trigger" für eine schwächere Schweizer Währung. Dafür spricht laut Stucki vor allem der Ausgleich "der in der Schweiz im Vergleich zu den anderen Ländern tieferen Inflation von durchschnittlich 1-2 Prozent über die Jahre". 

"Geschlagen" wurde der Franken seit Herbst 2007 übrigens von Edelmetallen. Palladium legte gegen die Schweizer Währung 150 Prozent zu, Gold 82 Prozent und Silber 21 Prozent.