Bilanz: Herr de Berranger, der erste und überraschend grosse Zinsschritt der Fed hat wieder etwas Schwung in die Rally gebracht. Wie geht es an den Börsen nun weiter? 

Olivier de Berranger: Seit der kräftigen Korrektur von Anfang August ist die Volatilität an den Märkten zurück. Die Schwankungen dürften in den kommenden Wochen wieder steigen. Die US-Wahlen bringen einiges an Unsicherheit mit sich.

Also ist Vorsicht angebracht? 

Wir haben uns im Sommer bereits etwas vorsichtiger aufgestellt. Wir halten jetzt mal still und warten auf eine Korrektur um fünf bis zehn Prozent. Ist die erfolgt, kaufen wir gerne mehr Aktien.

Was könnte so eine Korrektur auslösen? 

Ein knappes Wahlergebnis, das von Trump nicht anerkannt wird. Oder kurzfristiger die anstehende Berichtssaison. Die Ergebnisse für das dritte Quartal werden sehr genau beobachtet. Vielleicht ist der Markt ein bisschen zu optimistisch.

Sind die Erwartungen zu hoch? 

Das sind sie. Es hat schon Gewinnwarnungen gegeben, und es werden noch mehr. Wir sind in einer Phase, in der die Kosten nicht zuletzt wegen der höheren Lohnkosten zwar nach wie vor steigen, die Unternehmen die Preise aber nicht mehr erhöhen können. Somit können die Unternehmen die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Das wird wohl auch im vierten Quartal so sein. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sehe für die Börsen nicht total schwarz, aber die Rally wird wohl eine Verschnaufpause einlegen.

Demnach rechnen Sie mit keiner Rezession in den USA? 

Nein, derzeit nicht. Solange keine geopolitischen Schocks auftauchen, ist das Soft Landing möglich.

Wie geht es nach der Korrektur weiter?

Wir sind dann wieder optimistisch. Fallen die Energiepriese weiter, könnte sich das im kommenden Jahr positiv auf die Gewinne auswirken. Auch entwickelten sich die US-Börsen im Jahr nach der Präsidentschaftswahl historisch gesehen gut.

Die Rally geht nicht zuletzt auf die KI-Euphorie zurück. Droht von dieser Seite Gegenwind? 

Nvidias Bruttomarge von 75 bis 80 Prozent ist zu hoch. So ein Level lässt sich auf Dauer nicht halten. Schwächt sich die Weltwirtschaft etwas ab, könnte das die Ausgaben in die KI bereits dämpfen. Das würde dann auch auf Nvidias Marge drücken.

Wann wird China für Anleger wieder ein Thema? 

Seit vier Jahren haben wir keinen einzigen Euro in China investiert. Ich habe eben Investoren in Shanghai besucht. Der Pessimismus ist enorm. Es könnte sinnvoll sein, antizyklisch zwei oder drei Prozent des Portfolios in China anzulegen. 

Dieses Interview ist zuerst in der Online-Ausgabe von «Bilanz» unter dem Titel «Die Rally wird eine Verschnaufpause einlegen›» erschienen.