Jahrelang setzte ein Preiszerfall an den europäischen Strombörsen den Energieerzeugern zu. Es gab Strom im Überangebot, da Wind- und Solarstrom in Europa stark gefördert wurden. Gleichzeitig verschwanden die Kern- und Kohlekraftwerke nicht so schnell aus dem Markt  wie zunächst erhofft. Die Gewinne der Anbieter brachen als Folge ein, und Aktien aus diesem Sektor erlitten in den letzten 10 Jahren teils massive Kursverluste.

Doch nun zeichnet sich eine Trendwende ab: "Die Energiepreise dürften sich sehr stark und nachhaltig erholen", sagt Eugen Perger, Analyst von Research Partners, auf cash-Anfrage. Auf dem Spotmarkt und bei den Futures hätten die Strompreise bereits angezogen. Doch braucht es laut Perger es eine gewisse Zeit, bis die Erholung auch bei den Stromproduzenten spürbar ist, da diese den Preis über zwei bis drei Jahre absichern. "Ab dem Jahr 2020 wird sich die Gewinnsituation bei den Stromanbietern dann verbessern", so Perger.

Neben dem Wegfall von Kernenergie und Kohlekraft dürften auch die höheren Preise für CO2-Zertifikate in Europa ab 2020 für die gegewärtige Entwicklung verantwortlich sein. Unternehmen müssen sich mit diesen Zertifikaten quasi die Erlaubnis zur Umweltverschmutzung erkaufen. Je sauberer ein Energieproduzent produziert, desto weniger kosten diese Zertifikate.

Trotz der sich abzeichnenden Erholung warten gemäss Perger viele institutionelle Anleger mit einem Einstieg bei Stromaktien noch immer zu. Daher sagt Perger: "Für Privatanleger, die das Potenzial sehen, wäre der Einstiegszeitpunkt bei diesen Werten nun ideal." Am Schweizer Aktienmarkt bieten sich vier Optionen, um bei Stromproduzenten einzusteigen.

Alpiq

Alpiq ist im Jahr 2009 durch die Fusion von Atel mit Energie Ouest Suisse entstanden. Seither befindet sich die Firma mehr oder weniger in permanentem Umbruch. Ohne durchschlagenden Erfolg, wie der Kursverlust an der Börse von minus 36 Prozent in den letzten 5 Jahren beweist. Im ersten Halbjahr 2018 wies die Gruppe erneut einen hohen Reinverlust aus.

Doch die eingeschlagene Richtung stimmt: Ende Juli wurde das Industriegeschäft abgestossen, das zugeflossene Geld verbessert die Bilanz kann die Verschuldung zu einem nicht unerheblichen Teil abbauen. Mit dem Geld können ausserdem auch kleinere Zukäufe getätigt werden. Gemäss CEO Jasmin Staiblin will man selektive Wachstumschancen im Bereich Digitalisierung und Elektromobilität nutzen.

"Wer auf die grosse Strompreiserholung spekulieren will, für den eignet sich die Alpiq-Aktie am besten", laut die Einschätzung von Perger von Research Partners. Mit den höheren Strompreisen dürften die Kraftwerke von Alpiq bald profitabel arbeiten können, ausserdem sei der Leverage-Effekt sehr ausgesprägt. Pergers Kursziel bei Alpiq liegt bei 100 Franken, derzeit ist die Aktie weniger als 77 Franken wert. Das Rekordhoch aus dem Jahr 2008 liegt bei 765 Franken.

BKW

BKW gilt als Musterschüler unter den Schweizer Stromgesellschaften. In den letzten Jahren hat es die Firma verstanden, mit einer geschickten Diversifizierungsstrategie den tiefen Strompreisen zu trotzen, Gewinn und Umsatz waren stets solide. Der Gewinnbeitrag des Dienstleistungsgeschäfts wird Jahr für Jahr ausgebaut, auch der Handel-Bereich läuft gut. Das wurde auch an der Börse goutiert, mit einem eindrücklichen Kursplus von 109 Prozent in den letzten 5 Jahren:

Entwicklung der BKW-Aktie in den letzten 5 Jahren, Quelle: cash.ch

Da BKW die bessere Eigenkapitalausstattung als Alpiq aufweist, ist der Leverage-Effekt bei höheren Preisen nicht ganz so ausgeprägt. Das heisst, dass die Eigenkapitalrendite bei einem Gewinnanstieg weniger stark in die Höhe geht als bei Alpiq. Dadurch ist auch das Kurspotenzial begrenzter. BKW kann aber problemlos als defensiver Titel im Portfolio gehalten werden, da die Entwicklung sehr konstant verläuft und zudem eine Dividendenrendite von 3 Prozent winkt.

Energiedienst

Die Energiedienst Holding mit Sitz in Laufenburg AG ist primar in Süddeutschland, aber auch in der Schweiz tätig. Im ersten Halbjahr 2018 sackte der Reingewinn um fast 40 Prozent ein. Als Grund für diese Entwicklung gab das Unternehmen negative Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt an. Dieser beeinflusse den Gewinn stark über die Bewertung der Personalvorsorge Deutschland.

Energiedienst eignet sich für Anleger, denen saubere Energie am Herzen liegt. Denn zur Stromerzeugung wird ausschliesslich Wasser-, Wind- und Solarenergie verwendet. Wobei der Fokus ganz klar auf der Wasserkraft liegt. Ein weiteres Kaufargument ist die hohe Dividendenrendite von 3,5 Prozent - die Höchste unter den Schweizer Stromaktien. Die Aktie hat in den letzten sechs Monaten 10 Prozent zugelegt und liegt bei 30 Franken. Das ist weit entfernt vom Rekordhoch von 70 Franken aus dem Jahr 2007.

Romande Energie

Romande Energie ist Stromversorgerin in der Romandie, hauptsächlich in der Region um den Genfersee. Das erste Halbjahr 2018 fiel ausserordentlich gut aus. Dank hoher Niederschlagsmengen konnte viel Strom selber produziert werden. Etwas schwieriger dürfte das zweite Halbjahr sein, da der Sommer ausserordentlich trocken verlief.

Im Rahmen eines Strategieprogramms bis 2023 sollen 950 Millionen Franken in Themen wie Digitalisierung und Ausbau der Dienstleistungen investiert werden. Ausserdem sind interne Kosteneinsparungen geplant. Neben der Rolle als Stromversorgerin hält Romande Energie 9 Prozent an Alpiq. Romande Romande Energie ist mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis 2018 von 11 die günstigste aller Schweizer Stromanbieter. Ausserdem ist die Dividendenrendite in etwa gleich hoch wie bei BKW (3 Prozent).

Schweizer Stromaktien im Vergleich

TitelAktie seit 1.1.18Aktie seit 5 JahrenKGV 2018*Free Float**
Alpiq+21%-36%2212%
BKW+12%+109%1737%
Energiedienst+16%-14%2518%
Romande Energie+4%+5%1120%

*Geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis für das Jahr 2018. **Anteil frei handelbarer Aktien / Quelle: cash.ch