Infrastruktur ist eine der jüngsten eigenständigen Anlageklassen. Die Wachstumsraten sind enorm. In den vergangenen 24 Jahren ist die Marktkapitalisierung dieser Anlagekategorie von fünf Milliarden Dollar auf über 1,3 Billionen Dollar gestiegen, also um den Faktor 320.

Der «Inflation Reduction Act» in den USA hat diesen Boom weiter angeheizt. Die US-Regierung stellte knapp 370 Milliarden US-Dollar unter anderem für die Energiesicherheit, die Erneuerung der Energieinfrastruktur sowie für die Förderung einer nachhaltigen inländischen Energieproduktion zur Verfügung.

Auch Europa will investieren. Oder soll: Anfang September forderte der ehemalige EZB-Präsident und Ex-Premierminister von Italien Mario Draghi EU Reformfortschritte in historischem Ausmass. Damit Europa wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleibt, sollten gemäss seinem Bericht Investitionen von bis zu 800 Milliarden Euro pro Jahr in den Ausbau der europäischen Infrastruktur fliessen. Dies soll sich an den Stärken der europäischen Wirtschaft orientieren und gesamteuropäisch koordiniert werden.

Riesiges Wachstum getrieben durch den Wandel im Energiesektor 

Unter Infrastrukturanlagen versteht man das Zusammenspiel von privaten Akteuren und den jeweiligen Staaten. Dabei finanzieren und unterhalten Private Sachwerte, die für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich sind. Beispiele hierfür sind Flughäfen, Strassen, Energie, Wasser oder Schulen. Im Gegenzug erhalten Sie die Einnahmen davon.

IFM Investors (IFM), ein von australischen Pensionskassen gegründeter Vermögensverwalter, gehört zu den ältesten und grössten Anlegern in diesem Bereich. Im Gespräch mit cash.ch skizzierte die Strategiechefin des Unternehmens, Luba Nikulina, den Kapitalbedarf für Infrastrukturprojekte. IFM Investors betreut in der Schweiz Kundenvermögen von etwa 2 Milliarden Franken.

«Es gibt eine enorme Kapazität und Bedarf an Kapital», sagt sie. Dabei seien zwei Bereiche relevant. Der erste sei der vorhandene Bestand. Ein grosser Teil der bestehenden Infrastruktur müsse erneuert werden und erfordere zusätzliche Investitionen. Der zweite Faktor, so Nikulina, sind die Energiewende und der technologische Fortschritt. «Die bestehende Infrastruktur muss darauf angepasst werden. All das braucht Kapital, und da gibt es viel Rückenwind.»

Die Analysten der Privatbank J.Safra Sarasin gehen von einem jährlichen Kapitalbedarf von 600 Milliarden Dollar alleine im Energiebereich aus. Diese Summen sind nötig, um mit den Anforderungen eines dezentralisierten Energiesektors und wandelnden Bedürfnissen zu mehr Daten und besseren Vernetzung mithalten zu können.

Für den Erfolg sind nicht nur die Gewinne zentral

Infrastrukturanlagen zeichnen sich durch stabile und regelmässige Cashflows und nicht-zyklische Eigenschaften aus. Beispielsweise ist die Benützung von Brücken und Strassen unabhängig von der Wirtschaftslage.

Eine weitere Eigenheit der Infrastrukturanlagen: Anleger wie IFM verkaufen die Projekte nur selten. Der Anlagehorizont: ewig. Gemäss Nikulina basiert der wirtschaftliche Erfolg auf einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Staat und Vermögensverwalter wo Renditeüberlegungen nicht das einzige Entscheidungskriterium sind.

Für IFM spielt der Ruf eines verlässlichen und langfristigen Partners eine zentrale Rolle. Dadurch kommt der Vermögensverwalter nämlich in den Genuss, bei der Ausgestaltung von finanzpolitischen Rahmenbedingungen mitwirken zu können und Projekte umzusetzen. «Wir suchen nicht nur, sondern kreieren auch unsere eigenen Infrastrukturprojekte», antwortet die Strategiechefin auf die Frage, wie sie bei der Suche nach potenziellen Anlagezielen vorgehen.

Vom sicheren Hafen bis zur Rendite-Rakete

Infrastrukturprojekte können in vier Kategorien eingeteilt werden. «Kern», «Kern plus», «Mehrwert» und «Opportunistisch». Diese Gruppen unterscheiden sich nach Typ, sowie rechtlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen und werfen mit einem steigenden Risikoprofil höhere Renditen ab. Gemäss dem Beratungsunternehmen Mercer kann bei Kern-Anlagen eine Rendite von 5 bis 7 Prozent erwartet werden - bei opportunistischen Anlagen beträgt die Rendite über 15 Prozent und saftige Kapitalgewinne winken.

Bei Tiefrisikoanalagen spielen besonders die Stabilität und inflationsgesicherten Einnahmen eine wichtige Rolle. Beispiele hierfür sind Gas, Wasser, Strom oder Strassen. Auf der Gegenseite beinhalten die risikoreicheren Anlagen wie Datenzentren, Restrukturierungen oder «Greenfield»-Anlagen - sprich Anlagen, die der Vermögensverwalter mit dem Staat erschafft - die zyklischere Rolle. Sie werfen dafür höhere Renditen ab.

Neben den finanziellen Risiken sind die politischen Risiken dieser Anlageklasse nicht zu unterschätzen. Die Wirtschaftlichkeit vieler dieser Projekte hängt von den finanzpolitischen Zielen und Programmen der Regierungen ab. Ein Regierungswechsel kann schnell zu einer Streichung von zuvor gesprochenen Subventionen führen, wie es im Solarbereich in einigen Ländern der Fall war. Eine Diversifikation über verschiedene Jurisdiktionen kann Abhilfe schaffen.

Die Schweiz als «early adopter» und Wachstumsmarkt

Die Schweiz ist für Infrastrukturmanager ein wichtiger Markt. Zwar übernimmt unser Staat viele Funktionen, welche in anderen Ländern von Privaten übernommen werden müssen, weshalb nur beschränkt Anlagemöglichkeiten vorhanden sind. Jedoch besitzen wir in Europa das drittgrösste Rentensystem und ein enormes Vermögen.

Aufgrund ihres Alters sind Infrastrukturanlagen bisher wenig verbreitet und deshalb in Portfolios untergewichtet. Die Anlageklasse ist vorwiegen institutionellen oder professionellen Anleger vorbehalten. Private Anleger können zwar in Aktien oder Schuldenpapiere von vergleichbaren öffentlich gehandelten Unternehmen investieren, dort treffen aber unter Umständen viele der zuvor genannten Differenzierungsmerkmale nicht zu. cash.ch hat hierzu eine Auflistung gemacht.

Die Schweiz gehörte bereits bei der systematischen Integration von Privat- und Immobilienanlagen im Portfolio zu den «early adoptern» - Neudeutsch für Pioniere. IFM Investors stellt aber auch bei Infrastrukturanlagen fest, dass sie bei Schweizer Pensionskassen als Ergänzung zu Immobilien «sehr gut ankommen».

Ein Mangel an investierbaren Projekten - besonders in eigentlich für diese Anlageklasse attraktiven Ländern -, die Komplexität, die hohen Kapitalkosten oder die Konzentrationsrisiken bei kleineren Vermögensverwaltern tragen trotz den enormen Wachstumsraten zur eher schleppenden Verbreitung dieser Anlageklasse in den Anlageportfolios bei. Auch IFM Investors bietet keine Produkte für Retailinvestoren an.

Luba Nikulina ist sich jedoch sicher, dass sich dies mit der erhöhten Sensibilisierung der Marktteilnehmern und dem Anstieg der Nachfrage nach Infrastrukturanlagen ändert. Sie betont, dass ein breiterer Zugang zu Infrastrukturinvestitionen für Kleinanleger wichtig ist und mit einer allgemeinen Demokratisierung der Investitionsmöglichkeiten einhergeht. Bis dahin müssen sich Privatanleger gedulden und hoffen, dass einige von ihnen zumindest via Pensionskasse indirekt von dieser Anlageklassen profitieren. Ob und wieviel die eigene Pensionskasse in Infrastrukturanlagen investiert, kann den Performance- und Jahresberichten der Kassen entnommen werden.

Luca_Niederkofler
Luca NiederkoflerMehr erfahren