cash.ch: Vanguard wird bald 50 Jahre alt. In dieser Zeit wuchs man von einem Fondsanbieter unter vielen zu einem der grössten Vermögensverwalter der Welt. Wie geht es weiter?
Roger Bootz: Wir bieten Fonds seit 50 Jahren an und verwalten per Ende November weltweit rund 10,4 Billionen Dollar - zwei Drittel sind Investmentfonds und ein Drittel ETFs. Dabei fokussieren wir uns hauptsächlich auf indexierte Aktien- und festverzinsliche Wertpapiere und Multi-Asset-Produkte,. Vor 50 Jahren haben wir mit wenigen Fonds angefangen und unsere Palette ist seither gewachsen - aber nicht so stark, wie man das vielleicht erwarten könnte. Derzeit verwalten wir weltweit circa 420 Fonds, wovon ausserhalb der USA etwa 220 angeboten werden. Unser grösster Vorteil und ich denke, dieser wird auch die Entwicklungen der nächsten 50 Jahre prägen, ist die Eigentümerstruktur. Wir haben keine Aktionäre, deren Bedürfnisse wir befriedigen müssen. Vanguard gehört den US-Fonds, die Vanguard verwaltet. Sprich, wenn Investoren in die Fonds investieren, sind sie die eigentlichen Anteilseigner an Vanguard selbst.
Was heisst das genau?
Aufgrund unserer genossenschaftlichen Struktur geben wir Teile unserer Gewinne an die Anleger über Gebührensenkungen weiter. Deshalb können wir Investmentfonds und ETFs zu sehr günstigen Konditionen anbieten. Auf lange Sicht hat diese Gebührendifferenz einen enormen Einfluss auf den Investmenterfolg und wir denken, in Kombination mit unserem Fokus auf ausgewählte Anlageklassen einen Mehrwert für unsere Kunden und Eigentümer schaffen.
Welche Trends sehen Sie am Schweizer Markt?
Wenn man sich die US-Aktienmärkte anschaut, sieht man rekordhohe Mittelzuflüsse in ETFs und Indexfonds. Wir sehen auch, dass ETFs nicht nur von professionellen Anlegern genutzt werden, sprich Banken und Unternehmen, Vermögensverwaltern, sondern vermehrt bei Privatkunden Interesse wecken. Diese Zuflüsse finden hauptsächlich in breit diversifizierten globalen und regionalen Produkten statt. In der Schweiz gibt es vergleichbare Tendenzen. Die Netto-Mittelzuflüsse fanden dabei mit einer deutlichen Mehrheit in Aktien-ETFs statt - Obligationen-ETFs spielten noch eine Nebenrolle.
Denken Sie, dass der sogenannte «American Exceptionalism» auch im nächsten Jahr das dominierende Thema ist?
Wir sind ein bisschen zurückhaltender bei US-Aktien. Die Meinung, dass in den USA aufgrund ihres Wirtschaftswachstums und Stärke fast nichts schief gehen könnte, hat eben zu diesen sehr hohen Bewertungen geführt. Wir gehen zwar davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in den USA sich fortsetzen dürfte. Es kann allerdings schon sein, dass die Bewertungslevel eine Grenze erreicht haben. Vanguard hat deshalb für das kommende Jahr drei Szenarien ausgearbeitet. Ein Produktivitätsboom könnte die hohen Bewertungen weiter stützen. Niedrige Zinsen könnten eine Rotation in unterbewertete Sektoren auslösen. Die teuren Bewertungen dürften aber die Renditen von US-Aktien im Vergleich zu den Aktien anderer Regionen der Welt langfristig in allen Szenarien deutlich belasten.
Vanguard hat sich explizit gegen Kryptowährungen-ETF entschieden. Was ist die Grundlage dafür?
Eine Grundlage ist, dass man nur in das investiert, was man versteht. Unser Fokus liegt bei Aktien und Obligationen und einer Mischung aus beiden. Ein zweiter Grund basiert auf der Langfristigkeit und der Langfristigkeit des Investierens. Aus diesem Grund haben wir vier sehr einfache Investmentgrundsätze für den langfristigen Erfolg entwickelt.
Sie sprechen damit die «Bogle Heads» an: Breit diversifiziert investieren bei tiefen Kosten. Denn der Zinseszins führt zu einer Wohlstandmehrung und schlägt jegliche aktive Anlagestrategie.
Genau. Die vier Investmentgrundsätze sind: Ziele, Diversifikation, Kosten und Disziplin. Was sind die eigentlichen Ziele, und welche Rendite- und Risikovorstellungen habe ich für mein Portfolio. Beim zweiten Punkt sollte man den Markt möglichst gänzlich kaufen und nicht Einzelaktien-Picking machen. Unser Gründer John Bogle hat einmal gesagt: Warum sollte man die Nadel im Heuhaufen suchen, wenn man auch den ganzen Heuhaufen kaufen kann? Der dritte Punkt sind die Kosten. Wird der Zinseszinseffekt berücksichtigt, sind die Kosten ein erheblicher Faktor für den langfristigen Erfolg. Und zum vierten Punkt: Wenn man sich Ziele gesetzt hat, muss man sich auch an diese Ziele halten, gegebenenfalls das Portfolio bestehend aus Aktien und Obligationen, diese Gewichtungen regelmässig anpassen. Wer diese Punkte langfristig umsetzt, hat eine gute Chance eine attraktive Rendite zu erzielen.
Warren Buffett beweist aber auch, dass ein teilweise aktives Verhalten und Anpassung des Portfolios an die längerfristigen Finanzzyklen dem rein passiven Anlegen überlegen ist. Beispielsweise hält er zum jetzigen Zeitpunkt aussergewöhnlich viele Barreserven und reduziert seine Beteiligungen, denn die Bewertungen sind hoch.
Warren Buffett hat in seinem Brief an die Berkshire Hathaway Aktionäre im Jahr 2013 geschrieben, dass wenn er stirbt, er das an seine Frau hinterlassene Vermögen in kostengünstige Indexfonds anlegen wird. Und empfahl dabei Vanguard.
Das ist doch mal ein Vertrauensbeweis…
Im Prinzip geht es darum, sich den Investmentzeitraum anzuschauen, über den investiert wird. Mit dem Professionalisierungsgrad wie der von Warren Buffett können sich zudem nur die wenigsten messen. Den langfristigen Mehrwert sollten Sparer demnach im Zineszinseffekt erkennen, die Aktien und Obligationen über einen langen Zeitraum bieten.
Die Gebühren in der ETF-Industrie sinken schon seit Jahrzehnten. Wo sehen Sie eine Untergrenze bei diesen Gebühren?
Sinkende Gebühren sind nur möglich, wenn steigende Skaleneffekten vorhanden sind. Seit 1983 ist unsere Management Fee in den USA gemäss Morningstar von 60 auf 8 Basispunkte gesunken - also 86 Prozent tiefer. Auf welchem Level sich diese einpendeln, kann ich Ihnen nicht sagen. Allerdings sind bei der Kostenfrage auch die sogenannten Total Cost of Ownership relevant - denn Gebühren sind nur ein Thema. Wie genau bildet der ETF den Referenzindex ab. Je grösser der Tracking Error, desto grösser sind die indirekten Kosten für Anleger. Der zweite Punkt sind die Kommissionen der Börse oder der Bank. Dort stellen wir fest, dass diese Kosten die Managementgebühren von einem ETF übersteigen. Aus diesem Grund sind beispielsweise ETF-Sparpläne eine interessante Option. Bei beispielsweise Discountbrokern können mittlerweile ETFs ohne Transaktionskosten gekauft werden - sofern dies der Sparplan vorsieht.
Wird Vorsicht im nächsten Jahr honoriert?
Ja. Wir empfehlen die Fixed-Income-Komponente zu erhöhen. Das entspricht einem risikoärmeren Investmentansatz. Wir denken, dass die Realzinsen in entwickelten Märkten höher bleiben werden, und dies längerfristig. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, bei einem 60-40-Portfolio - also 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen - zum aktuellen Zeitpunkt die Obligationen-Komponente zu Ungunsten der Aktienkomponente zu erhöhen.
Langfristig Anlegen kann ein zentraler Bestandteil für die eigene Vorsorge sein.
Sich Gedanken darüber machen, wie man selbst neben einer AHV, einer zweiten Säule und einer Säule 3a über zusätzliches Kapital äufnen kann und selbständig für einen Teil der Rente vorzusorgen, ist wichtig. In der Schweiz ist meiner Meinung nach die «Financial Literacy», also die Finanzbildung, ungenügend. Schul-, Lehrabgänger, Maturanden oder Studienabgänger setzen sich mit dem Thema Investieren und Sparen viel zu wenig auseinander. Macht es Sinn, schon drei Jahre nach Beginn einer Lehre zu investieren? Was heisst überhaupt Sparen? Wie plane ich langfristig? In der Schweiz sprechen wir ungern über Geld. Das könnte mitunter ein Grund für die Wissenslücke sein. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich definitiv, sich mit dem Thema Anlegen zu beschäftigen.
Roger Bootz ist seit knapp zwei Jahren Geschäftsführer von Vanguard in der Schweiz. Bootz beschreibt sich als ein «Index-Kind». Nach dem Studium arbeitete er zuerst bei einem Indexanbieter und anschliessend bei verschiedenen ETF-Anbietern in der Schweiz und auch in Deutschland. Die Schweizer Niederlassung von Vanguard vertreibt die europäischen Fonds an professionelle Anleger wie Banken und unabhängige Vermögensverwalter. Die Fonds werden aus Irland verwaltet.
3 Kommentare
nicht nur die Finanzbildung ist ungenügend, auch das Versicherungswissen und das 3 Säulen Prinzip. geschweige denn das funktionieren der AHV und Pensionskassse...
allerdings muss man eben auch sagen, dass zuviel des Guten mit Investieren an der Börse, eben auch grosse Verluste entstehen können... Aus meiner Sicht sollte das Ganze ein Pflichtfach werden welches nicht nur in total 2 h abgehandelt wird z.B. im Gymnasium... es sollte in Berufsausbildungen wie in Gymnasien ein Pflichtfach sein...
es muss meinetwegen nicht benotet werden, aber man muss anwesend sein... ich vermute man würde so die Infos massiv verbessern, allenfalls die Altersvorsorge massiv verbessern wie auch die Risikoabsicherungen. Das würde letztendlich dem Staat eben auch helfen...
Ich teile Ihre Ansichten, aber manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass dies so gewollt ist.
Ihr Vorschlag wäre sehr wünschenswert, liegt aber bestimmt nicht im Interesse der Banken, deren Kundenberater, Broker und Versicherungsberater. Denn mit einem abgesicherten Know how unserer Jugendlichen würden hohen Summen an Verwaltungsgebühren und Versicherungsprämien wegfallen bzw. vielleicht gewisse Jobs sogar wegfallen. Ich denke aber, es ist nur eine Frage der Zeit bis unsere Jugendlichen über wesentlich besseres Finanzwissen als die Bankkundenberater und Versicherungsberater aufweisen. Die Mehrheit unserer Jugendlichen sind nämlich wissensbegierig und ausgeprägt lernfähig.