Während die wichtigsten deutschen Indizes seit Jahresbeginn zwischen 17 Prozent und 28 Prozent nachgegeben haben, haben die Papiere von Drägerwerk über 70 Prozent zugelegt. Dies nachdem die deutsche Regierung 10'000 Beatmungsgeräte und weitere Medizinausrüstung bei dem Unternehmen bestellt hat.
Analysten schätzen, dass der Auftrag bei Drägerwerk 200 Millionen Umsatz generiert. Das Problem dabei: Die Produktionskapazitäten sind begrenzt, ebenso wie notwendige Vorprodukte. Es ist daher nicht möglich, die Geräte so schnell herzustellen, wie die vielen Patienten mit Atemproblemen auf der Welt sie gerade jetzt bräuchten.
Dräger produziert die Geräte bereits in zwei Schichten und denkt über eine Rund-um-die-Uhr-Fertigung nach. Im Februar lag der Ausstoss der Geräte, die nach Analystenschätzungen etwa 20'000 Euro pro Stück kosten, bereits mehr als 50 Prozent über dem normalen Wert, sagte Sprecher Peter Müller. Drägerwerk will zusätzliches Personal einstellen und erwägt auch, Mitarbeiter aus anderen Bereichen entsprechend zu verlagern.
Allerdings müssen Medizinprodukte getestet werden, bevor sie an Krankenhäuser ausgeliefert werden, und Ausrüstung, die für die 24-Stunden-Prüfung gebraucht wird, ist nicht unbegrenzt verfügbar, so Müller. Die nötigen Elektronikteile kommen zudem aus Asien, wo die Lieferketten gestört sind, erklärte er.
Dräger stellt auch Schutzausrüstung für Krankenhausmitarbeiter her
Das Unternehmen veröffentlicht nicht, wie viel Umsatz es mit Beatmungsgeräten macht oder wie viele Exemplare es pro Jahr verkauft. Letztes Jahr generierte Dräger 1,74 Milliarden Euro, oder 63 Prozent vom Gesamtumsatz, mit Medizingeräten, wozu auch Brutkästen und Anästhesiegeräte zählen. Dräger stellt auch Schutzausrüstung für Krankenhausmitarbeiter her, darunter medizinische Masken.
Zwar sorge die Pandemie für eine "Sonderkonjunktur" bei Beatmungsgeräten, jedoch sei der Kursanstieg überzogen, sagte Metzler-Analyst Alexander Neuberger. Für Dräger könnte es schwierig werden, das Marktpotenzial in vollem Umfang in Umsatz umzumünzen. Auch bei einer Ausweitung der Produktionskapazitäten werde das Unternehmen nicht mehr als einen mittleren einstelligen Anteil seines Gesamtumsatzes mit Beatmungsgeräten erzielen, sagte er.
Auch die Aktien anderer Beatmungsgerätehersteller entwickelten sich zuletzt überdurchschnittlich, darunter die amerikanische Medtronic und die schwedische Getinge.
Welches Potenzial es über den aktuellen Nachfrageboom hinaus gibt, hängt davon ab, ob die Krise länger dauert und ob sie dazu führt, dass der weltweite Bestand an Geräten dauerhaft aufgestockt wird. Sollte die Krise bald vorbei sein, könnten Überkapazitäten dazu führen, dass es über einen längeren Zeitraum kaum noch Nachfrage gibt, sagte Warburg-Analyst Eggert Kuls.
Neuer Auftrag der US-Regierung
Neue Hoffnung für weitere Kurssteigerungen macht eine Neuigkeit vom Dienstag. Weil auch in den USA der Bedarf an Atemschutzmasken enorm ist, stampft Drägerwerk eine Fertigung in den USA aus dem Boden. Das US-Gesundheitsministerium habe Dräger den Zuschlag für die Lieferung sogenannter N95-Masken erteilt, teilte das börsennotierte Familienunternehmen aus Lübeck am Dienstag mit.
Die vertraglich vereinbarte Stückzahl liege im höheren zweistelligen Millionenbereich, die Auslieferung der Masken sei innerhalb der nächsten 18 Monate geplant. Die neue Fertigungsstätte soll an der Ostküste der USA entstehen und im September den Betrieb aufnehmen.
Die USA haben sich wegen der raschen Ausbreitung des Virus zu einem Epizentrum der Pandemie entwickelt. Besonders stark getroffen sind Grossstädte wie New York. Derzeit seien die Produktionskapazitäten von qualitativ geeigneten Atemschutzmasken ausgeschöpft, erklärte Dräger-Vorstand Rainer Klug.
"Um den Bedarf trotzdem zu decken, stellen wir den USA exklusiv lokal eine neue Fabrik hin." Ein solches Modell wäre auch in anderen Ländern möglich, besonders in Europa, fügte Klug hinzu. Entsprechende Angebote würden gerade mit mehreren Ländern diskutiert. Details über die Höhe der Investitionen nannte Drägerwerk nicht.
(Bloomberg/Reuters/cash)