Drei Fünftel der Schweizer Bevölkerung baut zur Altersvorsorge an einer dritten Säule. Sie vertrauen nicht nur auf die staatliche und die berufliche Vorsorge, sondern hoffen, den finanziellen Spielraum im Ruhestand durch privates Sparen zu erhöhen. Ob diese Hoffnung begründet ist?

Zurzeit geben die lukrativsten Säule-3a-Sparkonti 1,6 Prozent Zins. Wer hier jedes Jahr den Maximalbetrag von 7056 Franken einzahlt, schafft nach Berechnungen des Online-Vergleichsportals Moneyland.ch in zwei Jahrzehnten ein Vermögen von über 164'776 Franken. Davon stammen 141'120 Franken von den Einzahlungen, 23'656 Franken gehen auf die Zinsen zurück.

Das ist ein nur scheinbar gutes Geschäft. Denn der reale Wert des Vermögens schwindet aufgrund der Teuerung. Nach Einbezug einer Inflationsrate von einem Prozent über zwanzig Jahre hinweg entsprechen 164'776 Franken nur noch 149'460 Franken. Man gewinnt nur noch 8340 Franken. Die Zinserträge schrumpfen deutlich zusammen auf.

Schlechter als damit kommt weg, wer sich für ein 3a-Sparkonto mit einem tieferen Zinssatz als 1,6 Prozent wählt. Es gibt Dutzende solcher Angebote. Gerade die bekannten Finanzinstitute geben vergleichsweise wenig Zins - eine Auswahl:

Anbieter Zins auf 3a-Sparangebot in % 
Migros Bank 1,1
Raiffeisen 1,1
Postfinance 1,0
Bank Cler 1,0
UBS 0,9
ZKB 0,8

Quelle: moneyland.ch / Stand: 23. Juli 2024

Solche 3a-Lösungen machen Sinn für Leute, die einerseits Steuervorteile ausnutzen wollen und denen andererseits Sicherheit wichtiger ist als Rendite. Sie können ihre Vorsorge ein Stück weit optimieren, indem sie die Bank wechseln - sodass es nicht 0,8 Prozent, sondern 1,1 Prozent Zins gibt. Der um 0,3 Prozentpunkte höherer Zins führt - theoretisch - nach zwanzig Jahren zu einem um rund 4500 Franken höheren Kapital - vor Abzug der Inflation.

Wer mehr will, kommt um Wertpapierlösungen kaum herum. Sie sind vor allem für Leute attraktiv, die noch weit von der Pensionierung entfernt sind und deshalb einen grossen Anlagehorizont haben. Die Entwicklung der Aktienmärkte legt dies nahe.

Eine vierte Säule: Investieren statt Sparen

In den USA ist der Aktienmarkt, gemessen am S&P 500, in den vergangenen zwanzig Jahren um 387 Prozent gestiegen. Weniger stark, aber noch immer stattlich ist der Zuwachs des Schweizer Aktienmarkts; der Swiss Market Index (SMI) ist seit Anfang Juli 2004 um 118 Prozent avanciert. Daraus resultiert eine annualisierte Rendite von über 3,9 Prozent. Damit wäre eine Jahresinflationsrate von einem Prozent geschlagen gewesen.

Freilich ist das kein Versprechen für die Zukunft, aber ein Beleg, dass Aktienanlagen langfristig rentieren können. Ferner sind in dieser Rechnung Ausschüttungen von Dividenden an die Anleger ausgeklammert; sie hätten das Ergebnis weiter verbessert.

Die Teilnahme am Aktienmarkt ist innerhalb der dritten Säule möglich: mit 3a-Vorsorgefonds. Sie werfen eine Rendite ab, die von Jahr zu Jahr stark schwanken kann. Beispielsweise ging es 2022, einem schwachen Börsenjahr, abwärts. Wieder besser lief es daraufhin im Jahr 2023. Die langfristige Entwicklung ist gerade für die besten Vorsorgefonds allerdings positiv, wie ein Moneyland-Vergleich zeigt. Bei einem Aktienanteil von 45 Prozent respektive einem mittleren Risikoprofil lag in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine annualisierte Netto-Performance von drei Prozent drin - die Brutto-Performance wurde durch Gebühren um mehrere Zehntelprozentpunkte verringert. 

Einen weiteren Weg zum Aufbau von Alterskapital durch den Finanzmarkt sieht Therese Faessler, Gründerin von Invested.ch und Senior Research Associate an der Universität St. Gallen. Sie sagt: «Neben den ersten drei Säulen der Altersvorsorge braucht es eine vierte Säule: Investieren und das Wissen dazu.» Damit wird privates Anlegen, etwa in Aktien, explizit als separate Form der Altersvorsorge aufgefasst. Das ist insofern ungewohnt, als dass gegenwärtig zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer nicht in Aktien investiert sind.

Laut Faessler sollten die Leute «in Unternehmen investieren, die sie kennen.» Ihrer Auffassung nach gehören in der Schweiz Nestlé, Novartis, Roche, Zurich Versicherung und UBS zu dieser Gruppe von Firmen. Es handelt sich um Schwergewichte unterschiedlicher Branchen im Swiss Market Index. Nicht alle haben in den letzten Jahren überzeugt. Während Novartis zulegte, ist Nestlé gefallen; bei Roche scheint der Negativtrend gebrochen, seit Mai bewegt sich die Aktie wieder nach oben. Zur besseren Diversifikation können ausländische Aktien, beispielsweise Technologiewerte, sowie Anleihen, Immobilien und Gold gekauft werden.

Faessler findet zudem Gründe für ein Investment in die Telekommunikationsanbieterin Swisscom: «Viele Leute sind Kunden von Swisscom. Das Unternehmen hat einen Grundversorgungsauftrag und gehört mehrheitlich dem Bund, also dem Staat.» Zudem ist Swisscom ein guter Dividendenzahler. Die Ausschüttung betrug in den letzten Jahren stets 22 Franken. Kursgewinne gab es hingegen kaum, die Swisscom-Aktie hat sich über die letzten zehn Jahre hinweg seitwärts bewegt.

Vermögensverwaltung ist anspruchsvoll - wer zu wenig Zeit oder zu wenig Know-how für das Verwalten der Vermögensanlage hat, kann sich für einen ETF entscheiden - beispielsweise einen ETF auf den Swiss Market Index, empfiehlt Faessler. «Auf Dauer fährt man damit besser als mit einem Säule-3a-Sparkonto.» Es sei denn, das Sicherheitsbedürfnis überwiege Renditeüberlegungen.

Dividenden wiederanlegen

Zum Aufbau des Alterskapital kann Monat für Monat ein fixer Teil des Einkommens investiert werden. Laut Spezialisten kann er zwischen fünf und zehn Prozent betragen. Wer 7000 Franken und damit etwas mehr als den Schweizer Medianlohn verdient, reserviert demnach 350 bis 700 Franken. Das klingt nach viel, es bedeutet eine Abwägung zwischen dem finanziellen Spielraum der Gegenwart und dem finanziellen Spielraum der Zukunft. Wer auf gewisse Ausgaben verzichtet und dafür über eine lange Zeit hinweg regelmässig in Aktien investiert, sorgt vor. Respektive: Mit solchen Anlagen «kann man im Alter den Lebensstandard mit hoher Wahrscheinlichkeit halten», wie UBS-Vorsorgespezialistin Veronica Weisser im cash-Interview sagte.

Dividenden werden mit Vorteil wiederangelegt. «So tragen sie - analog dem Zinseszinseffekt - langfristig zum Vermögensaufbau bei», erklärt Faessler. Diese Idee ist von thesaurierenden Fonds bekannt. Sie bezahlen die Dividenden nicht aus, sondern investieren sie wieder - sodass die angefallenen Geldbeträge an der Kapitalmarktentwicklung partizipieren.

Die Gründerin von invested.ch sagt auch: «Jedes Kind sollte sich Finanzwissen aneignen - so, wie es Zähneputzen lernt.» Beispielsweise könnten Eltern ein Aktiendepot für ihren Sohn oder ihre Tochter einrichten und dem Kind erklären, was eine Aktie ist und wie sie funktioniert - dass sie sich langfristig zum Kapitalaufbau eignet, es aufgrund von phasenweise eintretenden Verlusten aber Durchhaltevermögen braucht. Zum Finanzwissen gehört freilich auch ein angemessener Blick auf die Säulen der Altersvorsorge. Das Sparen in der der dritten Säule ist wenig rentabel, gilt aber als sicher. Das Anlegen in Aktien zum Aufbau von Alterskapital wirft auf Dauer mehr ab, birgt aber Risiken. Eine Devise kann somit sein: Das eine tun, das andere nicht lassen.

Reto Zanettin
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