2017 kann beginnen: Kaum eine Bank, welche in den letzten Wochen nicht Aktienprognosen für die nächsten 12 Monate abgegeben hat. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Situation an den Aktienmärkten von den Strategen optimistischer eingeschätzt wird als dies noch vor wenigen Monaten der Fall war. Das gilt insbesondere für die zuvor arg vernachlässigten Finanzwerte sowie für konjunkturabhängige Aktien und Sektoren.
Die Experten der Zürcher Kantonalbank (ZKB) nutzen den Ausblick auf das kommende Jahr sogar, um das Übergewicht bei Aktien auszubauen. Neuerdings werden auch solche aus der Schweiz in den Wertschriftenportfolios übergewichtet, wird dem hiesigen Aktienmarkt doch ein erhebliches Nachholpotenzial nachgesagt.
Ein für Aktien günstigeres Umfeld
Ihre Zuversicht für Aktien schöpfen die ZKB-Strategen einerseits aus den freundlicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ihres Erachtens hat die Weltwirtschaft in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen, was sie bis weit ins 2017 hinein eine Wachstumsbeschleunigung erwarten lässt. Andererseits gehen die Experten von fiskalpolitischen Massnahmen und breit angelegten Deregulierungen in den USA aus. Dadurch verlieren selbst die politischen Risiken in Europa an Gewicht.
Von fiskalpolitischen Impulsen gehen auch die für Julius Bär tätigen Berufskollegen aus. Sie sehen diese sogar die geldpolitischen Impulse als die treibende Kraft für die Aktienmärkte ablösen. Darüber hinaus erwarten die Strategen der Zürcher Bank nach Jahren rückläufiger oder bestenfalls stagnierender Unternehmensgewinne endlich wieder eine Belebung. Auch sie raten ihrer Anlagekundschaft deshalb zu Aktien aus konjunkturabhängigen Wirtschaftszweigen wie Energie, Transport, langlebige Konsumgüter oder Technologie. Aktien bleiben, attraktiv, vor allem im Vergleich zu anderen Anlageklassen.
Wie viel nimmt die Jahresendrallye vorweg?
Von einer Gewinnbelebung bei europäischen Unternehmen gehen auch die Experten der UBS Investmentbank aus. Ihres Erachtens sollten im Jahresverlauf gleich drei bis zuletzt noch bremsende Faktoren wegfallen: Druck auf die Rohstoffpreise, Nullteuerung und Flaute in den Schwellenländern. Für Europa prognostiziert die grösste Schweizer Bank ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 8 Prozent. Allerdings liegt diese Prognose am unteren Ende des Erwartungsspektrums von 6 bis 15 Prozent.
Den breit gefassten Stoxx Europe 600 Index sehen die UBS-Strategen bis Ende Dezember auf 360 Punkte steigen. Als die Experten Mitte November ihren Ausblick vorlegten, entsprach das noch einem Aufwärtspotenzial von rund 10 Prozent. Nach der Jahresendrally der letzten Wochen hat das Börsenbarometer dieses Aufwärtspotenzial bereits vollumfänglich ausgeschöpft.
Noch hat der SPI (rot) gegenüber dem Stoxx Europe 600 Index (grün) die Nase vorn; Quelle: www.cash.ch
Was die Branchenpräferenzen anbetrifft, so sind sich UBS und Julius Bär zwar beim Energiesektor, nicht aber beim Transportsektor einig. Zweiteren zählt die Schweizer Grossbank sogar zu den Aktien, welche bestenfalls unterdurchschnittlich in den Wertschriftenportfolios vertreten sein sollten.
Gegen den Strom schwimmen vor allem die für die Deutsche Bank tätigen Strategen. Ihres Erachtens gehen die schon seit Monaten zu beobachtenden Umschichtungen aus defensiven Aktien wie jenen aus dem Pharma- oder dem Nahrungsmittelsektor in konjunkturabhängige Aktien zu weit. Deshalb setzen sie ihr Schwergewicht in den zuletzt arg vernachlässigten Pharmawerten.
Vom Jahresendziel der Deutschen Bank von 345 Punkten für den Stoxx Europe 600 Index leitet sich mittlerweile sogar ein Rückschlagspotenzial gut 4 Prozent ab. Das Schwergewicht in den Pharmawerten spricht wiederum für den Schweizer Aktienmarkt, tragen die beiden Indexschwergewichte Roche und Novartis doch gut einen Drittel zur SMI-Gesamtkapitalisierung bei.
Ungewöhnliche Schweizer Aktienempfehlungen
Wie die ZKB baut auch die Credit Suisse die Übergewichtung von Aktien in den Wertschriftenportfolios aus. Insbesondere solche aus Europa scheinen es den Experten der Schweizer Grossbank sichtlich angetan zu haben. Das gilt nicht für den Schweizer Aktienmarkt. Dieser wird weiterhin leicht untergewichtet, weist er doch eine negative Korrelation zur Zinsentwicklung auf. Mit anderen Worten: Steigende Zinsen sprechen für ein unterdurchschnittliches Abschneiden der hiesigen Börse.
Was die Einzelempfehlungen der Banken anbetrifft, so fallen gerade bei den Standardwerten immer wieder dieselben Namen. Am häufigsten als Favorit genannt wird die Aktie von Adecco. Der in Zürich niedergelassene Stellenvermittler gilt als Nutzniesser der freundlicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden ihm operative Verbesserungen zugetraut. Sowohl die Strategen der ZKB als auch die Berufskollegen von Kepler Cheuvreux und Baader Helvea bezeichnen diese Aktie als Schlüsselkaufempfehlung für 2017.
Die beiden meistgenannten Schweizer Favoriten Nestlé (rot) und Adecco (grün) bewegten sich zuletzt im Gleichschritt; Quelle: www.cash.ch
Einig ist man sich auch beim ebenfalls beliebten Genussschein von Roche. Das überrascht, passt der Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel doch nur bei der Deutschen Bank zu den branchenseitigen Präferenzen. Allerdings empfiehlt diese Roche nicht zum Kauf. Namentlich Erwähnung findet der Genussschein hingegen bei der UBS Investmentbank sowie bei der ZKB.
Der schon seit längerer Zeit als Turnaroundkandidat geltende Reisedetailhändler Dufry kann hingegen bei den Experten von ZKB, Deutsche Bank und Kepler Cheuvreux punkten. Jene der Deutschen Bank setzen hingegen auf Nestlé. Im Hinblick auf die erst vor wenigen Tagen vollzogene Personalrochade an der Spitze des Nahrungsmittelherstellers aus Vevey führt auch RBC Capital Markets die Aktie als einzigen Vertreter aus der Schweiz auf der 30 Namen starken Favoritenliste. Ebenfalls häufig genannt werden mit Swiss Life und Zurich Insurance Group zwei Versicherungsunternehmen.
Gerade bei den Aktien aus der zweiten Linie gibt es wie in jedem Jahr wieder einige ungewöhnliche und mutige Empfehlungen. So raten die für Baader Helvea tätigen Strategen beispielsweise zum Kauf der Syngenta-Aktie. Sie halten den Kursabschlag gegenüber dem rechnerischen Übernahmeangebot von ChemChina für übertrieben und schliessen nicht aus, dass die Aktionäre zusätzlich sogar in den Genuss einer regulären Jahresdividende kommen. Dennoch weist der Abschlag von rund 15 Prozent auf eine tiefe Skepsis der Börse hinsichtlich eines Erfolgs der Firmentransaktion schliessen lässt.
Die Berufskollegen von Kepler Cheuvreux setzen hingegen auf den Turnaroundkandidaten Arbonia. Im Gegenzug raten sie Anlegern, einen grossen Bogen um die ansonsten beliebten Aktien von Swisscom und Georg Fischer zu machen.