Auf den Eklat im Weissen Haus zwischen dem ukrainischen und dem amerikanischen Präsidenten vom vergangenen Freitag reagierten die Aktien- und Kryptomärkte mit Kursverlusten. Erstaunlich ruhig blieb es an der Devisenfront; der Schweizer Franken als sicherer Hafen war kaum gefragt. Gegenüber dem Euro legt die hiesige Währung im Handel in New York nur um 0,5 Prozent auf 0,9360 Franken zu. Diese Kursverluste wurden am Montag wieder korrigiert. Der Euro steht zum Franken höher als am Freitagmorgen, und zwar bei 0,9425 Franken am späten Montagnachmittag.
Diese «unspektakulären» Ausschläge bei der hiesigen Währung sind kein kurzfristiges Phänomen. Zum Franken notiert der Euro auf dem gleichen Niveau wie vor zweieinhalb Jahren. Betrug die Bandbreite des Euro zum Franken 2023 bei Kursen zwischen 0,9241 und 1,0107 Franken rund 8,5 Rappen, so ist diese seit August 2024 bei einem Niveau von 0,9203 bis 0,9525 auf 3,5 Rappen geschrumpft. Die Schwankungsanfälligkeit des Euro zum Franken hat sich somit in den letzten sieben Monaten mehr als halbiert.
Einer der Hauptgründe für diese geringere Volatilität ist die Schweizerische Nationalbank (SNB). Diese hatte im letzten Jahr wiederholt betont, wie wichtig ihr ein stabiler Schweizer Franken ist. Das bedeutet: Die Währungshüter konnten die Devisenmärkte von ihrer Geldpolitik und Argumentation überzeugen.
Makrodaten dominieren Geopolitik
Entgegen der Erwartung beherrschen nicht geopolitische Überlegungen das Marktgeschehen. Vielmehr richten die Devisenstrategen das Augenmerk auf makroökonomische Daten wie Inflationsraten, Zinsdifferenzen oder die Wirtschaftsentwicklung. Bei der Konjunkturentwicklung gab es in den letzten Monaten wenig Veränderungen. Die amerikanische Wirtschaft wächst mit 2,3 Prozent weiterhin stärker als die schweizerische mit einem Anstieg von 0,5 Prozent, während die Eurozone mit Plus 0,1 Prozent hinterher hinkt.
Zusammengenommen sollten die geopolitischen Unsicherheiten und die wirtschaftliche Leistung der Eurozone, welche unter dem Potenzialwachstum läuft, eigentlich für weiter sinkende Kurse bei der europäischen Einheitswährung sprechen. Wieso das jüngst nicht der Fall war, erläuterte Ulrich Leuchtmann, Devisenstratege bei der Commerzbank, am Montag in einem Kommentar: «Der Devisenmarkt hat dieses Votum überdacht.»
Die neue Bedrohung nach dem Scheitern der Gespräche in Washington dürfte zu einer expansiveren Fiskalpolitik in Europa führen und damit einen Konjunkturimpuls setzen. Das ist positiv für den Euro, weil es den Drang der Europäischen Zentralbank (EZB) dämpfen könnte, die Zinsen sehr aggressiv zu senken. «Es ist positiv für den Euro, weil die traurige Wirtschaftslage Investitionen in Europa als kaum attraktiv erscheinen liess», so der Commerzbank-Stratege weiter.
Der Markt hofft nun auf eine allmähliche Änderung mit einer expansiven Fiskalpolitik - auch wenn sie nicht zur Steigerung der Produktivität, sondern zur Verteidigung eingesetzt wird. Aber Investitionen in Europa sind auch dann attraktiver, wenn das Risiko, in naher Zukunft von russischen Truppen bedroht zu werden, durch eine zuverlässige eigene Verteidigung verringert wird, ergänzte Leuchtmann von der Commerzbank.
Auswirkungen von höheren Verteidigungsausgaben
Unterstützung dürfte der Euro zum Franken in absehbarer Zeit von den in Aussicht gestellten höheren Verteidigungsausgaben sowie den in Deutschland in Aussicht gestellten Infrastrukturinvestitionen erhalten, da dies ein weiteres Absinken der Zinsdifferenz zwischen der Eurozone und dem Schweizer Kapitalmarkt unterbinden würde. Ein Obligationenhändler meinte gegenüber cash.ch, die Rendite der deutschen Bundesanleihen könnte in den nächsten zwölf Monaten von 2,5 auf 3,5 bis 4,0 Prozent hochschnellen. Zum Vergleich: Die Rendite der zehnjährigen Bundesobligationen beträgt am Montag Nachmittag 0,42 Prozent.
Trotz der jüngsten Schwäche des Euros zum Franken halten die Devisenstrategen der UBS ein weiteres kräftiges Absinken für unwahrscheinlich. Diese Bewegung nach unten hat Grenzen, obwohl Spielraum für eine Fortsetzung besteht, da die Nominalzinsen einen schwächeren Schweizer Franken stützen. «Wir sehen 0,93 Franken pro Euro als solide Unterstützung für das Währungspaar und ziehen es vor, den Abwärtstrend des Franken unterhalb dieses Niveaus über einen Monat hinweg zu verkaufen.» Das heisst: Euro zu kaufen.
SNB in der Zwickmühle
Für einen stabilen oder gar steigenden Euro spricht auch die etwas komplexere Ausgangslage bei der Schweizerischen Nationalbank, welche am 20. März die nächste geldpolitische Lagebeurteilung vornimmt. Konkret erwartet der Markt inklusive Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank (SGKB), eine Zinssenkung um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent. «Wenn die SNB nichts machen wird, was ökonomisch durchaus angebracht wäre, läuft sie Gefahr, dass sich der Franken deutlich aufwertet. Die Schweizer Industrie, die unter den Problemen in Deutschland und der Unsicherheit bezüglich möglicher Strafzölle leidet, kann das nicht auch noch gebrauchen.»
Wann kommt die Volatilität zurück?
Bei den fundamentalen Marktfaktoren dürften US-Zölle respektive deren Höhe sowie die Konsolidierung der US-Staatsfinanzen wieder für mehr Volatilität sorgen. Die Finanzmärkte lassen sich von den Vorgängen rund um Donald Trump und Elon Musk bisher nur wenig beeindrucken, findet Stucki von SGKB. Das gilt sowohl für die Aktien, die Obligationen als auch für die Währungen. «Das hat auch damit zu tun, dass es noch ein bis zwei Monate dauern wird, bis die Folgen der Kürzungen und Entlassungen in der Verwaltung in den Konjunkturdaten sichtbar werden.»
Auch im Streit zwischen Europa und den USA sehen die Märkte vor allem das Positive, sprich den Druck auf Europa, die Rüstungsausgaben zu erhöhen. Das verleiht der europäischen Wirtschaft positive Impulse. Die grosse Frage für den SKGB-Anlagechef ist deshalb, wie die Finanzmärkte reagieren werden, wenn in den USA mehr Leute durch die Konsequenzen der Vorgänge direkt betroffen werden und die Daten sich verschlechtern.
Und egal wie es nun genau kommt: So offen der Ausgang in der politischen Arena sein mag, Unsicherheit führt generell zu einem schwankungsanfälligeren Verlauf an den Finanz- und Devisenmärkten.