Russlands Präsident Wladimir Putin versuche, die deutsche Innenpolitik auseinanderzutreiben, sagte Pistorius am Sonntag in Berlin. «Es handelt sich um einen hybriden Angriff zur Desinformation - es geht um Spaltung, es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben», sagte der SPD-Politiker. «Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen.» Deshalb müsse man besonnen reagieren, «aber nicht weniger entschlossen».

Deshalb lehne er personelle Konsequenzen zum jetzigen Zeitpunkt ab, sagte Pistorius. «Das wäre viel zu hoch gegriffen.» Es müsse aber geklärt werden, ob geheime Inhalte besprochen worden seien und ob für das Gespräch mit dem Konferenzdienst Webex das richtige Format gewählt worden sei. Nach seiner Auffassung sei der überwiegende Teil der Inhalte des Gesprächs bereits vorher öffentlich bekannt gewesen. In den nächsten Tagen erwarte er Aufschlüsse über die Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) über die genauen Hintergründe des Vorfalls. Erst dann könne man über Konsequenzen entscheiden, auch in Personalfragen.

Das russische Staatsfernsehen hatte am Freitag den Mitschnitt einer vertraulichen Telefonkonferenz hochrangiger Bundeswehr-Offiziere im Internet veröffentlicht. Darin ist zu hören, wie Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz mit drei Untergebenen über einen möglichen Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine gegen die russischen Angreifer spricht. Damit solle eine Unterrichtung von Pistorius vorbereitet werden, heisst es in der Aufnahme. Parallel zu der Veröffentlichung erhob Russland schwere Vorwürfe gegen Deutschland.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte am Samstag erklärt, man gehe davon aus, dass ein Gespräch abgehört worden sei. Man könne allerdings nicht bestätigen, ob die Konversation zu 100 Prozent authentisch sei. Es könnte auch Manipulation vorliegen. Bundeskanzler Olaf Scholz, der eine Taurus-Lieferung an die Ukraine wiederholt abgelehnt hat, hatte am Samstag von einer «sehr ernsten Angelegenheit» gesprochen und eine rasche Aufklärung angekündigt.

Scholz ist gegen die Lieferung des Taurus, weil nach seiner Auffassung dann Bundeswehr-Soldaten mitwirken müssten, was Deutschland dem SPD-Politiker zufolge zu einer Kriegspartei machen würde. In dem Gespräch halten es die Offiziere allerdings auch für möglich, dass die Marschflugkörper des deutschen Herstellers MBDA allein von ukrainischen Streitkräften bedient werden könnten.

Pistorius sagte, er habe die rund 38 Minuten lange Aufzeichnung selbst angehört. Die Offiziere hätten darin das getan, «wofür sie da sind». Die Teilnehmer seien sich in jedem Moment darüber im klaren gewesen, dass weder er noch Scholz den Einsatz der Taurus angeordnet hätten. Zudem sei ihnen völlig klar gewesen, die Linie nicht zu überschreiten, ab der es eine Kriegsbeteiligung Deutschlands gebe.

Reaktionen aus Moskau, wonach Deutschland einen Krieg gegen Russland vorbereite, seien «völlig absurd», sagte der Minister. Einziges Ziel Deutschlands sei, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen.

(Reuters)