Rückschlag im Kampf gegen die Inflation: Im Mai ist die Teuerungsrate in Deutschland wegen deutlich höherer Dienstleistungspreise erstmals in diesem Jahr gestiegen. Die Verbraucherpreise zogen um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat an, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Ökonomen hatten einen Anstieg in dieser Höhe vorausgesagt. Im März und April lag die Inflationsrate mit jeweils 2,2 Prozent noch auf dem niedrigsten Wert seit rund drei Jahren.

«Das Inflationsproblem ist noch lange nicht gelöst», kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Entwicklung. «Die Zeiten sinkender Inflation in Deutschland sind vorerst vorbei», fügte LBBW-Ökonom Elmar Völker hinzu. Trotzdem rechnen Experten fest mit einer ersten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) in der kommenden Woche. «Die deutschen Daten sind für die EZB keine Überraschung», sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. «Sie stehen einer ersten Zinssenkung im Juni nicht entgegen.»

Deutschland-Ticket verzerrt

Dass die Inflation im Mai gestiegen ist, hat auch einen statistischen Grund. «Die Einführung des Deutschland-Tickets liegt jetzt ein Jahr zurück», sagte der Ökonom des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann. «Der damit verbundene preisdämpfende Effekt fällt somit aus dem Vorjahresvergleich heraus.» Das Ticket wurde im Mai 2023 zum Preis von 49 Euro pro Monat eingeführt, was den öffentlichen Nahverkehr deutlich verbilligte.

Preistreiber Nummer eins waren die Dienstleistungen. Für sie wurden 3,9 Prozent mehr verlangt als ein Jahr zuvor (April: +3,4 Prozent). «Das liegt vor allem an den stark steigenden Löhnen, die die Preise der arbeitsintensiven Dienstleistungen nach oben treiben», sagte Commerzbank-Ökonom Jörg Krämer. Hinzu kommen noch weitere Treiber: Seit Monatsbeginn wird eine höhere Flugticketsteuer erhoben. «Es ist davon auszugehen, dass die Fluggesellschaften aufgrund der hohen Nachfrage diese Kosten auf die Passagiere überwälzen können», hiess es bei der Helaba.

ZEW-Experte Heinemann verwies zudem auf Kostenschübe etwa in der Pkw-Versicherung. «Nicht übersehen sollte man auch die inflationären Kosten dauerhaft gestiegener durchschnittlicher Krankenstände», sagte er. «Arbeit, die bezahlt werden muss, aber nicht geleistet wird, treibt die Kosten und die Inflationsrate.»

Nahrungsmittel verteuern sich etwas mehr

Energie kostete diesmal durchschnittlich 1,1 (April: -1,2) Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Nahrungsmittel verteuerten sich um 0,6 (April: +0,5) Prozent. Die sogenannte Kerninflation - bei der Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden - verharrte bei 3,0 Prozent. Von April auf Mai legten die Lebenshaltungskosten um 0,1 Prozent zu.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat für kommende Woche eine Zinswende signalisiert. Aktuell liegt der Leitzins auf dem Rekordniveau von 4,5 Prozent, mit dem die Währungshüter die Inflation dämpfen wollten. Sie streben eine Teuerungsrate von zwei Prozent an. Die nach einheitlichen europäischen Standards berechnete deutsche Inflationsrate stieg im Mai auf 2,8 Prozent.

(Reuters)