Die deutschen Autobauer setzen auf ein Comeback auf ihrem wichtigsten Einzelmarkt China. Allerdings haben sie einen schwierigen Weg vor sich. «Das Autogeschäft ist nie einfach - aber ich glaube, es gab während meiner 32 Jahre in der Industrie keine höhere Komplexität als jetzt», sagte Mercedes-Chef Ola Källenius am Mittwoch auf einer Automesse in Shanghai. Denn zum teuren Umstieg auf E-Autos macht jetzt noch der Handelskonflikt der USA mit dem Rest der Welt der Branche das Leben schwer. Am Automarkt China - mehr als ein Jahrzehnt lang die Cash-Cow von Volkswagen, Mercedes-Benz oder BMW - werden die deutschen Autobauer von der heimischen Konkurrenz weiter an den Rand gedrückt.

Im ersten Quartal stieg der Autoabsatz in China insgesamt um 12,5 Prozent. Wachstum verzeichneten die zwei grössten chinesischen Hersteller BYD und Geely. Die deutschen Anbieter vermeldeten zum Jahresauftakt dagegen ein dickes Minus: Der VW-Konzern verkaufte sieben Prozent weniger. Davon erlitt die Sportwagentochter Porsche mit einem Minus von 42 Prozent den grössten Einbruch, sie kämpft das dritte Jahr infolge mit Absatzschwund in China. Mercedes-Benz erlebte von Januar bis März einen Rückgang von zehn Prozent zum Vorjahreszeitraum, Konkurrent BMW sogar von 17 Prozent.

Auf der Messe in Shanghai suchten die Manager nach dem Silberstreif am Horizont und zeigen künftige Modelle, überwiegend E-Autos, mit denen sie auf die Erfolgsspur zurück wollen. «Der Wettbewerb ist nach wie vor extrem hoch. Wir sehen aber mittlerweile eine Sättigungskurve an Innovation», sagte VW-Chef Oliver Blume. «Für den VW Konzern heisst das: Wir sind deutlich zuversichtlicher, mit dem was wir aufgesetzt haben.» Ein Vorteil sei etwa das grosse Händlernetz, über das kleinere Konkurrenten nicht verfügten.

Mit Blick auf Porsche erklärte Blume, es sei noch nicht klar, ob sich ein Luxussegment für E-Autos in China entwickeln werde. In den kommenden zwei, drei Jahren werde klar, ob Porsche sich auf dem weltweit grössten Automarkt als E-Marke etablieren werde. Porsche wirbt mit exklusiven, massgeschneiderten Modellen, für die Kunden aus mehr als 1000 Optionen wählen könnten. In Shanghai zeigte die Firma ein an die 70er Jahre angelehntes 911-Nostalgie-Modell, von dem nur 1500 Stück verkauft werden sollen - mit Benzinmotor.

Doch die VW-Tochter hat nach Einschätzung von Autoexpertin Bo Yu vom Forschungsunternehmen Jato Dynamics ein grosses Problem: «Das Konzept von Porsche als goldener Marke bedeutet den jüngeren Generationen in China nichts.» Porsches Schwestermarke Audi tritt in China jetzt mit neuem Logo «AUDI» auf und lässt die ikonischen vier Ringe weg.

Mercedes sieht Momentum kommen

«In den nächsten zwei bis drei Jahren wird sich das Momentum am oberen Marktsegment aufbauen», ist Mercedes-Chef Källenius hingegen sicher. Die Marke mit dem Stern präsentierte den «Vision V», eine vorläufige Version eines superluxuriösen Elektro-Vans. Hybridantriebe von Verbrennermotoren, die mit E-Motor verstärkt werden, werden nach seiner Einschätzung noch länger neben reinen E-Autos existieren. Denn Hybride liegen in China im Trend - sei es als Plug-in-Hybrid oder als Range Extender, wo der E-Motor als Zugpferd von einem kleinen Verbrenner verstärkt wird. Die jüngeren Käufer, die Mercedes für sein E-Modell CLA gewinnen will, legen grossen Wert auf digitale Funktionen. Aber auch Qualität und zeitloses Design zählten.

Von 2020 bis 2024 verzeichneten die fünf grössten ausländischen Autohersteller – VW, Toyota, Honda, GM und Nissan – zusammen einen Rückgang ihrer Pkw-Verkäufe in China von 40 Prozent auf 5,7 Millionen von 9,4 Millionen. Das geht aus Daten der Beratungsfirma Automobility hervor. Der Marktanteil des jahrzehntelangen Platzhirsches VW sank von 19 Prozent 2019 auf 14,5 Prozent im vergangenen Jahr. Die fünf grössten chinesischen Autohersteller verzeichneten seit 2020 zusammen einen Absatzanstieg von 84 Prozent auf 8,4 Millionen Einheiten.

Die ausländischen Autobauer begriffen die Herausforderung, sagte Yu Zhang, Geschäftsführer des in Shanghai ansässigen Beratungsunternehmens Automotive Foresight. «Aber sie bewegen sich immer noch nicht schnell genug, um das Problem zu lösen.» Andrew Fellows, Autoexperte der Technologieberatung Star, erwartet, dass die ausländischen Autobauer die früheren Marktanteile nicht mehr zurückerobern könnten. Tu Le, Gründer des Beratungsunternehmens Sino Auto Insights, vermutet, für Porsche sei China verloren.

Um im Wettbewerb in China bestehen zu können, seien drei Dinge entscheidend, erklärt Timo Möller, Branchenfachmann und Partner von McKinsey: Niedrigere Preise durch sinkende Kosten. Die Marken müssten gestärkt werden, weil die Kundenbindung der chinesischen Rivalen mit dem Umschwung zu E-Autos gewachsen sei. «Eine lokale Marke zu fahren, ist ein Nationalstolz, so wie wir es in Europa auch gewöhnt sind.» Und die neuesten teil-automatisierten Fahrfunktionen seien ein wichtiger Faktor. Hier sieht er die Deutschen gut aufgestellt.

(Reuters)