Kein Zweifel: Öl steht spätestens seit Beginn des Krieges von Russland in der Ukraine im Mittelpunkt des Investoreninteresses. Und festhalten muss man im gleichen Atemzug ebenso: Die fieberhafte Suche nach Ersatz für russisches Gas und Öl hat die Bestrebungen nach Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit im Energiesektor in der Dringlichkeitsstufe vorerst nach hinten verdrängt.
Das Revival der alten und zuletzt als "böse" betrachteten Energien Gas und Öl wurde am Markt spätestens dann manifest, als Warren Buffetts Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway Anfang März grosse Aktienpakete am Erdöl- und Erdgasunternehmen Occidental Petroleum zu kaufen begann. Buffett, der (meistens) weiss, woher der Anlagewind weht, interessieret sich bei Occidental Petroleum und anderen ähnlich gelagerten Unternehmen nicht bloss für die operativen Gewinne oder Dividendenerhöhungen.
Es ist insbesondere die Generierung von langfristigen, nachhaltigen freien Cash Flows, welche Energieunternehmen angesichts der gestiegenen Rohstoffpreise für Anlegerinnen und Anleger interessant macht. Nicht umsonst ist die Aktie von Occidental in diesem Jahr bereits 94 Prozent gestiegen.
Schätzungen von Experten zufolge reicht bereits ein sich stabilisierender Ölpreis von zwischen 75 und 80 Dollar, damit sehr viele US-Energieproduzenten einen freien, nachhaltigen Cash Flow generieren können. Im vierten Quartal 2021 betrug der durchschnittliche Ölpreis bereits rund 79 Dollar verglichen mit einer Vorjahresnotierung von 42 Dollar. Im ersten Quartal 2022 wird er noch höher sein. Freie Cash Flows sind Mittel, die Unternehmen weder für das operative Geschäft noch für Investitionen benötigen. Unternehmen mit hohen freien Cash Flows sind daher eher in der Lage, Dividenden zu erhöhen, Sonderdividenden auszuzahlen oder Aktienrückkaufprogramme zu lancieren.
Die US-Investorenplattform Marketwatch hat 17 Öl- und Gasgesellschaften weltweit zusammengestellt, die einen "Free Cash Flow Yield" von über 20 Prozent für das Jahr 2022 aufweisen. Diese Renditezahl berechnet sich aus dem freiem Cash Flow pro Aktie geteilt durch den Aktienkurs und wird in Prozenten angegeben. Hier eine Auswahl:
APA
Der Öl- und Gasproduzent APA mit Sitz im texanischen Houston weist mit rund 32 Prozent einen der höchsten Free Cash Flow Yields überhaupt aus. Der Aktienkurs hat seit Mitte August rund 120 Prozent zugelegt. "APA bleibt eine hervorragende langfristige Aktie aus dem Bereich der Öl- und Gasproduzenten, und es ist sinnvoll, eine mittelfristige Position zu halten", urteilte kürzlich das Investorenportal "Seeking Alpha".
Entwicklung des Aktienkurses von APA in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).
Petroleo Brasileiro (Petrobras)
Den Namen Petrobras kennt in Brasilien jedes Kind. Das Unternehmen betreibt Ölfelder und Raffinerien und unterhält ein Tankstellennetz in Lateinamerika. Investoren kennen Petrobras hingegen wegen seiner Skandale. Von 2004 bis 2012 existierte ein riesiges Korruptionssystem, das 2014 aufflog und dessen juristische Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen ist. Private Baukonzernen gaben Petrobras Aufträge zu überhöhten Preisen, die illegalen Mehreinnahmen teilten sich Unternehmer, Petrobras-Manager und Politiker. Inzwischen hat sich Petrobras intern neu aufgestellt und Kontrollmechanismen eingeführt.
Dass der Skandal noch nicht ausgestanden ist, zeigt sich am Aktienkurs. Der liegt mit 13,65 Dollar (Notierung in New York) noch immer unter dem Wert von rund 20 Dollar auf dem Jahr 2014, als die Affäre aufflog. Der Aktien-Rekordwert von 77 Dollar aus dem Jahr 2008 ist meilenweit entfernt. Immerhin hat der Titel in diesem Jahr rund 22 Prozent zugelegt und befindet sich auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren. Ein Investment bleibt indes risikoreich. Die Rendite beim freien Cash Flows liegt bei 26 Prozent, die Dividendenrendite bei 15 Prozent.
Peyto Exploration & Development
Das kanadische Erdöl- und Ergasunternehmen Peyto weist einen Free Cash Flow Yield von 29 Prozent aus. Dazu kommt eine attraktive Dividendenrendite von über 5 Prozent. Der Aktienkurs hatte bis März 2020 einen jahrelangen Niedergang hinter sich und fiel von fast 40 Dollar Mitte 2016 bis auf unter 1 Dollar. In den letzten fast zwei Jahren hat sich der Kurs aber wieder fast verzehnfacht. In diesem Jahr steht ein Plus von 14 Prozent zu Buche.
Entwicklung des Aktienkurses von Peyto in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).
Equinor
Das Erdöl- und Erdgasunternehmen mit Sitz in Stavanger ist zu 67 Prozent in Besitz des norwegischen Staates. Equinor ist zugleich Europas zweitgrösster Gaslieferant und der erste Betreiber eines schwimmenden Windparks auf dem Meer. Das Unternehmen will höhere Mengen Gas und Öl fördern, um den Bedarf in Europa und eventuelle Versorgungslücken zu decken. Gleichzeitig trennt sich das Unternehmen von Beteiligungen mit russischen Partnern und will den Öl-Handel mit Russland einstellen. Der Aktienkurs hat sich seit März 2020 mehr als verdreifacht, seit letztem Juli resultiert ein Plus von über 80 Prozent. Die Rendite beim freien Cash Flow liegt bei 21 Prozent.
Weitere Firmen mi hohem freien Cash Flow aus dem Ölsektor sind Vermilion Energy (Kanada), Crescent Point Energy (Kanada), MEG Energy (Kanada), Birchcliff Energy (Kanada), Baytex Energy (Kanada), Tamarack Valley Energy (Kanada), Enerplus (Kanada), ARC Resources (Kanada), ConocoPhillips (USA), OMV (Österreich), Imperial Oil (Kanada) und Occidental Petroleum (USA).
Wer nicht in Einzelaktien investieren möchte, dem bietet sich der "iShares Global Energy ETF" (Exchange Traded Fund) an. Allerdings befindet sich nur ConocoPhillips aus der Auswahl oben in den Top-Ten-Aktien des ETF.