Ob für Energie, Software oder Handys: Wegen der Abwertung des Euro befürchtet die deutsche Wirtschaft steigende Kosten. «Der schwache Euro ist auch eine Folge der schwindenden Attraktivität der Euroländer als Wirtschaftsstandort», sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Selbst wenn dies deutsche Produkte im aussereuropäischen Ausland günstiger mache und Exporte ankurbeln könne, würden zumindest in Dollar abgerechnete Importe teurer. «Das gilt besonders für die erforderlichen Energielieferungen und erhöht die Belastung durch die heute schon hohen Energiekosten in Deutschland», warnte Adrian.
Der Digitalverband Bitkom sieht die Abwertung ebenfalls kritisch. «Die Euro-Schwäche stellt auch die deutsche Digitalbranche vor Herausforderungen, etwa weil Importe aus dem Dollar-Raum teurer werden», sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. «Das betrifft auch den Bezug von digitalen Dienstleistungen wie beispielsweise Cloud-Dienste oder Softwarelizenzen oder auch von Endgeräten und Technologien.» Zugleich könne aber die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im Ausland gestärkt werden, weil ihre Produkte und Dienstleistungen für internationale Kunden kostengünstiger würden.
«Eine Folge der schwindenden Attraktivität»
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) befürchtet steigende Kosten für Material und Rohstoffe als Folge der Euro-Schwäche. «Als stark binnenwirtschaftlich orientierte Branche spürt das Handwerk vor allem diese steigenden Importpreise, die die Kosten für Material und Vorprodukte in die Höhe treiben und zu höheren Absatzpreisen führen können», so der Verband. Da die Betriebe höhere Preise nicht unbegrenzt an Kunden weitergeben könnten, würden sie durch diese Kosten belastet.
Der Euro hat im zu Ende gehenden Jahr um mehr als fünf Prozent zum Dollar abgewertet und fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Aktuell notiert er bei rund 1,04 Dollar, nach 1,10 Dollar zu Jahresbeginn. «In Deutschland sehen wir, dass Investoren derzeit ihr Geld lieber im Ausland investieren als hierzulande», sagte DIHK-Präsident Adrian. Viele Ökonomen halten für 2025 eine Parität für möglich - ein Euro würde dann nur noch einen Dollar kosten.
Gründe dafür sind eine deutlich stärker wachsende US-Wirtschaft und die Aussichten auf weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Dagegen will die US-Notenbank Fed ihre Geldpolitik auch wegen der Inflationsgefahren durch die angekündigte Zollpolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump nur zögerlich lockern.
«Verlust der Wettbewerbsfähigkeit»
Die Familienunternehmer weisen ebenfalls auf Inflationsrisiken durch eine weitere Euro-Abwertung hin, die die Kaufkraft der Verbraucher mindern könnte. «Eine anhaltende Abwertung könnte die Kosten für importierte Güter erhöhen und die Inflation anheizen – was wiederum die Kaufkraft der Verbraucher mindert», warnte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann. Theoretisch stärke ein schwacher Euro zwar auch die Exportwirtschaft, da Produkte aus dem Euroraum in anderen Ländern günstiger würden. «Doch die deutsche Exportwirtschaft wird davon nur richtig profitieren, wenn vorher die Kostenstrukturen des Standortes Deutschland deutlich verbessert wurden», sagte Ostermann.
Dem Bundesverband Grosshandel, Aussenhandel, Dienstleistungen (BGA) zufolge könne ein schwächerer Euro für den Aussenhandel vorübergehend zwar hilfreich sein. «Was mich allerdings besorgt, ist der Verlust unserer Wettbewerbsfähigkeit», sagte BGA-Präsident Dirk Jandura. «Bekommen wir die in Deutschland und in ganz Europa nicht in den Griff, wird auch unsere Währung dauerhaft schwächer.»
(Reuters)
1 Kommentar
Sehr guter Artikel, der das wesentliche Element "Innovationsfähigkeit" als Treiber für Wachstum, hohen Wohlstand und einen Starken Wechselkurs aufzeigt.
Was unerwähnt bleibt, ist, dass die deutsche Industrie mit der strategisch ungesteuerten Verlagerung ganzer Branchen, nicht nur Teilen der Fertigungsketten von Unternehmen, auch Knowhow und Märkte quasi zum Nulltarif nach China verloren hat. Beseelt vom Irrglauben, ein paar heimische Arbeitsplätze schützen zu können, wenn man zu den günstigen Chinesen sourct, haben viele Unternehmen ihre strategischen Wettbewerbsvorteile gegen ein paar schnelle Euros eingetauscht und eine deutsche Industrieruine geschaffen. Mikrokönomisch möglicherweise korrekt gehandelt, makroökonomisch und wirtschaftspolitisch komplett falsch. Aber wenn Rauten-Mutti halt keine kraftvolle Wirtschaftspolitik macht, dann passiert sowas. Das ist übrigens mit dem trägem Olaf auch nicht anders.
Geblieben sind wenige, namentlich die deutsche Automobilindustrie, die dank ihrer Verankerung in der SPD es immer wieder schafft, die Rahmenbedingungen so zu ihren Gunsten zu ändern, dass ein totes Geschäftsmodell weiter am Leben gehalten werden kann. Hätte Mutti denen vor 20 Jahren gesagt, weg vom Benziner, das diskutieren wir nicht, jetzt wird E-Auto gemacht und gleichzeitig die E-Industrie gefördert, so dass geschlossene Lieferketten innerhalb Deutschlands entstehen, würde es heute anders aussehen. Trotz Chinesen.
Deutschland braucht ein neues Wirtschaftswunder. Und Europa braucht das Deutsche Wirtschaftswunder noch mehr, denn im Schatten von Deutschland geht es Frankreich noch viel schlechter, wir nehmen das nur nicht so sehr war.