cash.ch: Was ändert sich nach dem Entscheid für Hypothekarnehmer?

Alexander Koch: Mit dem Nullentscheid der SNB ändert sich die Situation weder für die Hypothekarnehmer mit einer variablen Hypothek noch für solche, die eine neue Festhypothek abschliessen wollen. Die Pause der SNB lässt ihr weiterhin alle Optionen offen. Spätere Zinserhöhungen sind nicht ausgeschlossen aber eher unwahrscheinlich. Der Zinsgipfel könnte damit in der Schweiz erreicht sein.

Saron- oder Festhypothek: Welches ist die bessere Wahl im Moment?

Den erhöhten Zinsen kann man nicht mehr entgehen. Die Konditionen für längere laufende Festhypotheken sind wegen der zuvor angestiegenen Zinserwartungen bereits vorausgeeilt. Und die Zinsen für Saron-Hypotheken haben mittlerweile im Zuge der tatsächlichen SNB-Zinserhöhungen aufgeschlossen. Eine längerfristige Zinsbindung macht derzeit Sinn, wenn eine sehr hartnäckige Inflation und noch deutlich mehr Handlungsbedarf der Notenbanken erwartet wird. Kürzere Laufzeiten sind hingegen zu bevorzugen, wenn man von einer nachhaltigen Beruhigung des Inflationsumfelds ausgeht. Dann könnte man von einer Umkehr des Zinszyklus in nicht allzu ferner Zukunft profitieren. Für die Schweiz scheint uns das zweite Szenario wahrscheinlicher.

Welchen Einfluss hat dieser Entscheid auf die Preise für Wohneigentum?

Die bisherigen Zinserhöhungen haben die Nachfrage nach Wohneigentum bereits deutlich reduziert. Der Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen wird sich somit weiter abschwächen, Pause hin oder her. Nächstes Jahr können wir uns deshalb sogar leichte Preisrückgänge beim Wohneigentum vorstellen. Eine starke Korrektur erscheint wegen der Knappheit an Wohnraum jedoch sehr unwahrscheinlich.

Die SNB hat den Leitzins wider Erwarten nicht angehoben. Was sind die Gründe dafür?

Der wichtigste Grund dürfte in der überraschend starken Beruhigung des Preisauftriebs zu finden sein. Die Inflation bewegt sich mit 1,6 Prozent wieder im Zielbereich der SNB und alle Vorlaufindikatoren signalisieren eine weitere Verlangsamung des unterliegenden Preistrends. Zudem reduziert die jüngste Frankenstärke die importierte Inflation – den Haupttreiber der Inflation. Als zweiten Grund kann man die starke Eintrübung der Geschäftsaussichten insbesondere in der Industrie anführen. Die Schweizer Industrie befindet sich in einer Rezession und das schwache aussenwirtschaftliche Umfeld droht auch den Dienstleistungssektor in Mitleidenschaft zu ziehen. Mit anderen Worten hat die SNB in Anbetracht der erfreulichen Entwicklung der Inflation wieder vermehrt auch die Gesamtwirtschaft im Blickwinkel und will mit der Zinspause Zeit gewinnen, um vor allfälligen weiteren Schritten die Bremswirkung der bisherigen Zinsanstiege auf die Realwirtschaft besser einschätzen zu können.

Ist die Inflation somit unter Kontrolle?

Es ist noch zu früh, um den abschliessenden Sieg über die Inflation zu verkünden. Zumal wir erwarten, dass die Konsumentenpreisteuerung im November erneut die 2 Prozent-Schwelle überschreiten wird. Bereits Anfang 2024 dürfte die Inflation aber wieder in den Zielbereich der SNB zurückkehren und mittelfristig auch in diesem verbleiben. Die erwartete Lohnrunde im Herbst dürfte zudem gemäss Umfrageresultaten eher moderat ausfallen und damit die Inflation nicht zusätzlich befeuern.

Ist schon bald mit Zinssatzsenkungen zu rechnen?

Nein. Die Schweiz hat europaweit den höchsten Anteil an administrierten Preisen – also solchen, die von staatlichen oder staatsnahen Institutionen diktiert oder reguliert werden. Diese glätten den Preisauftrieb. Das heisst, die Preise steigen ebenfalls, aber später und zumeist etwas gemässigter. Das Preiswachstum in der Schweiz dürfte somit noch eine Weile im oberen Bereich der von der SNB definierten Bandbreite verharren. Die SNB dürfte sich daher nicht so rasch zu Zinssenkungen durchringen. Sie wird die Zinsen vorerst auf dem erreichten Niveau belassen, um der Inflation keine neue Gelegenheit zur Entfaltung zu bieten.

Haben die bisherigen Zinsanstiege die Schweizer Wirtschaft ausgebremst?

Die aktuelle Abkühlung der Schweizer Wirtschaft ergibt sich hauptsächlich aufgrund der Flaute des Welthandels, der das Geschäftsklima vor allem in der Schweizer Industrie eingetrübt hat. Natürlich bremsen auch die höheren Finanzierungskosten der Unternehmen die Investitionstätigkeit. Mit Blick auf das im internationalen Vergleich moderate Zinsniveau in der Schweiz ist dieser Effekt aber nicht überzubewerten. Ein weiterer Bremseffekt ergibt sich über die Hypothekarnehmer, sowie zunehmend auch über die Mieter, denen künftig weniger Mittel für ihre Konsumausgaben bleiben.

Die SNB hat zudem bekannt gegeben, dass Sie Banken Liquiditätshilfen für Hypotheken als Sicherheit zur Verfügung stellen will. Wieso tut sie das?

Die SNB verlangt bei Liquiditätshilfen für Banken hochwertige Sicherheiten. Internationale Banken können hier zum Beispiel eine Vielzahl von Fremdwährungsanleihen aus ihrem Portfolio nutzen. Inländisch orientierte Banken können darauf weniger zurückgreifen. Das Volumen an Schweizer Franken Anleihen ist hingegen begrenzt und bedeutet für viele Banken eingeschränkte Möglichkeiten im Notfall ausreichend Liquiditätshilfen zu bekommen. Die Ausweitung des Sicherheitenpools auf Hypotheken soll hier die Situation verbessern.

Hat dies Auswirkungen auf die Hypothekar-Margen oder die Swap-Sätze? 

Die Entwicklung der Margen wird weiter vor allem von der Konkurrenzsituation bestimmt. Auf die Swap-Sätze hat dies ebenfalls keinen Einfluss. Die Swap-Sätze stellen die Kosten dar, zu denen sich Banken untereinander Geld leihen. Das wird nicht wirklich durch die Möglichkeit der Banken beeinflusst, im Notfall einen grösseren Sicherheitenpool verwenden zu können.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Thomas Daniel Marti
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