Die meisten Leute halten Briefmarkensammeln für ein eher spiessiges Hobby. Doch dieses vorschnelle Urteil verstellt die Sicht auf Chancen, welche das Sammleln der Papiere bringt: Auch mit den vermutlich kleinsten Wertpapieren der Welt lässt sich mit dem Einsatz von Geld und mit viel Geduld mitunter eine ansehnliche Rendite erzielen.
"Der Briefmarkenmarkt hat sich in den letzten 10 Jahren zunehmend 'professionalisiert'. Noch in den 1980er Jahren war das Briefmarkensammeln eines der weltweit beliebtesten Hobbys", sagt Marianne Rapp Ohmann, Geschäftsleiterin vom Auktionshaus Rapp, auf cash-Anfrage. Heute sammeln zwar weniger Menschen Briefmarken. Dafür sind seltene Stücke in hervorragender Qualität teurer geworden. Es seien bedeutende Sammler am Markt, die hohe Summen für Briefmarken ausgeben, so Rapp Ohmann.
Seltenheit, historischer Wert oder Zustand bestimmen Wert
Dabei können Briefmarken aus verschiedenen Gründen wertvoll sein: Die Seltenheit einer Briefmarke ist einer der wichtigsten Faktoren, die ihren Wert bestimmen. Wenn es nur wenige Exemplare einer bestimmten Briefmarke gibt, wird ihre Nachfrage in der Sammlergemeinschaft steigen, was zu einem höheren Preis führen kann.
Einige Briefmarken haben einen besonderen historischen oder kulturellen Wert. Sie könnten Ereignisse, Persönlichkeiten oder kulturelle Aspekte repräsentieren, die von Interesse für Sammler und Historiker sind. Doch auch Fehldrucke und Fehler bei der Herstellung können den Wert erheblich steigern.
Der Zustand der Briefmarke ist ebenfalls wichtig. Eine einwandfreie, ungestempelte Briefmarke in gutem Zustand ist oft wertvoller als eine abgestempelte oder beschädigte Briefmarke. Und die Popularität eines Themas oder einer Serie von Briefmarken kann ihre Attraktivität und ihren Wert steigern. Sammler, die besonders an einem Thema interessiert sind, können bereit sein, höhere Preise zu zahlen.
Rayon 1 als teuerste Einzelbriefmarke der Schweiz
Wie bei jedem Sammlermarkt können die Preise von Briefmarken von Markttrends und Angebot-Nachfrage-Verhältnissen beeinflusst werden. Was das im Einzelfall für Bewertungen zur Folge hat, zeigen die folgenden drei Briefmarken beziehungsweise Briefe aus der Schweiz, die über das Auktionshaus Rapp zu hohen Preisen gehandelt wurden:
Die Rayon I hellblau mit vollständiger Kreuzeinfassung ist mit einem Verkaufspreis von 324'000 Franken laut Rapp vielleicht die teuerste Einzelbriefmarke der Schweiz, die je über eine Auktion verkauft wurde. Bei den Ortspost- und Rayonmarken handelt es sich um die ersten Freimarken, die in der gesamten Schweiz Gültigkeit hatten und von der Schweizerischen Bundespost ausgegeben wurden.
Die Namensbezeichnung bezieht sich hierbei auf die charakteristische Inschrift der Briefmarkenausgabe. Die Ausgabe der Ortspost- und Rayonmarken erfolgte in den Jahren 1850 bis 1852.
Der obenstehende Brief mit der Briefmarke "Basler Taube" erzielte einen Verkaufspreis von 103‘700 Franken. Die Basler Taube, in der Schweiz vielmehr "Basler Dybli" genannt, ist die erste und einzige Briefmarke, die vom Kanton Basel-Stadt herausgegeben wurde. Die Ausgabe erfolgte am 1. Juli 1845, noch bevor es ein einheitliches Postwesen für die gesamte Schweiz gab.
Das Besondere der Briefmarke liegt nicht im Motiv, sondern in der Farbe. Das Briefmarkenmotiv wurde im Buchdruckverfahren in den drei Farben schwarz, blau und karmin hergestellt und war somit die erste mehrfarbige Briefmarke der Welt. Der hohe Sammlerwert der Basler Taube setzt sich aus ihrer Seltenheit und ihrem weiten Bekanntheitsgrad zusammen. Sie gehört neben der Doppelgenf und der Zürich 4 und Zürich 6 zu den beliebtesten Briefmarken unter Schweizer Sammlern.
Anlässlich des Flugtags in Olten hätte im Jahr 1913 eine Briefmarke herausgegeben werden sollen, die daher als Flugpostmarke bezeichnet wurde. Wegen des Todessturzes von Pilot Ernst Reich und weil der Ersatzpilot Oskar Bider wegen schlechten Wetters nicht starten konnte, kam es anders: Es gab nur Probedrucke der Briefmarke in hellgrüner Farbe, die ohne Gummierung in der Kleinstauflage von 24 Exemplaren produziert wurden. Heute ist die Flugpostmarke für Sammlerinnen und Sammler von Briefmarken eine absolute Rarität, was sich im Verkaufspreis von 65'000 Franken für einen 4er-Block widerspiegelt.
Welches schlussendlich die wertvollsten Briefmarken beziehungsweise Briefe der Schweiz sind, lässt sich aber nicht einfach beantworten, da der Markt laut Rapp immer im Wandel ist. Die oben präsentierten Stücke stellen daher vielmehr eine Momentaufnahme dar.
Wertsteigerung: von 2,5 Rappen auf 100'000 Franken
Unabhängig vom aktuellen Wert einer einzelnen Briefmarke, interessiert es viele wohl hauptsächlich, was für eine Wertsteigerung bei dieser Anlageklasse möglich ist. Ein Brief mit einer Basler Taube konnte damals im Jahre 1845 für 2,5 Rappen verschickt werden. Damals konnten sich das Versenden eines solchen Briefes nur Geschäfte oder wohlhabende Familien leisten. Daher sind auch nicht sonderlich viele Briefe mit einer Basler Taube verschickt worden und es sind auch nicht sonderlich viele Briefe in einem guten Zustand erhalten geblieben.
Ungefähr 100 Jahre später, also in den 1950er bis in die 1970er Jahre, erzielte ein sehr gut erhaltener Basler Taube Brief circa 10‘000 bis 20‘000 Franken. Von 1970 bis in die 1990er Jahre erzielt ein schön erhaltener Brief mit einer Basler Taube zwischen 30‘000 und 50‘000 Franken. Seit dem Jahr 2000 kann ein Top Brief mit einer Basler Taube zwischen 50‘000 und 100‘000 erzielen, wie die Geschichte gezeigt hat.
Bei diesen Angaben handelt es sich jedoch um Preistendenzen. "Jede Briefmarke und vor allem jeder Brief ist einzigartig", sagt Rapp. Das heisst, dass es teils schwierig ist, die Stücke genau zu vergleichen, da beispielsweise die Qualität des Briefes, das Format, die Schreibweise der Adresse, die Platzierung der Briefmarke, das Datum (früh oder spät verwendet) und vor allem der Stempel bei jedem Brief wieder anders ist.
Fundiertes Wissen für ein Investment notwendig
"In Briefmarken investieren sollten nur Sammler und Kenner, die ein fundiertes Wissen über die Materie oder ein spezielles Gebiet haben, oder gute, vertrauenswürdige Berater zur Seite haben", sagt Rapp. Mit Briefmarken lässt sich gutes Geld verdienen, aber man muss auf Qualität und Seltenheit setzen und sich sehr stark mit dem weltweiten Markt beschäftigen. Investieren soll man nur ins Topsegment, denn hier besteht in der Regel auch eine ständige Nachfrage.
Es empfiehlt sich für Neulinge auf dem Gebiet, bei renommierten Auktionshäusern oder Fachgeschäften einzukaufen. Wertvolle Briefmarken sollten nur mit Zertifikaten von anerkannten Prüfern erworben werden. "Unsere langjährige Markterfahrung zeigt deutlich, dass es sich lohnt, auf namhafte Partner zu setzen und sich professionell beraten zu lassen", so Rapp
1 Kommentar
Ich sammle seit 50 Jahren Briefmarken. Meine Wertvollsten heissen Nestlé, Roche, Swatch und Schindler. Die Performance ist bedeutend besser als jene von Briefmarken, selbst wenn man dort die besten Stücke in der Sammlung hat!