In den vergangenen Tagen bewegte sich der Bitcoin-Kurs wieder über die 64'000-Dollar-Marke. Nach der Rede von Fed-Chef Jerome Powell am Freitag hatte sich die Aussicht auf Zinssenkungen in den USA verfestigt. Erneut reagierte die bekannteste Kryptowährung auf ein aktuelles Ereignis.

Schon im April sackte der Bitcoin-Preis ab, nachdem der Iran Israel angegriffen hatte. Anfang Juli stoppte sie einen weiteren Sinkflug und überstieg die 60'000-Dollar-Marke wieder. Zunächst hatten Investoren Anteile von Bitcoin-ETF im Wert von über einer halben Milliarde Dollar gekauft, dann folgte das Attentat auf Donald Trump

Das sind ein paar Bewegungen des Bitcoin in diesem Jahr. Was aber sind - systematischer betrachtet - aktuelle Preistreiber? Vordergründig sind es Angebot und Nachfrage. Eine vertiefte Betrachtung legt konkretere gegenwärtige Einflussfaktoren frei.

Bitcoin-Verkäufe drücken den Preis

Ein roter Faden, welcher den Bitcoin-Kurs in der jüngsten Vergangenheit nach unten gezogen hat, sind Verkäufe grosser Spieler auf dem Kryptomarkt. Die deutsche Regierung hat 50'000 Bitcoin veräussert, und auch die US-Regierung hat mehrere Tausend Stück bewegt. Weiterer Verkaufsdruck entstand durch die Pleiten des Krypto-Brokers Genesis und der Krypto-Börse Mt. Gox. Alles in allem sind diese Posten so relevant, dass Adrian Fritz, Research-Chef von 21Shares, vom stärksten Gegenwind für den Bitcoin der vergangenen Monaten spricht. Die gute Nachricht für Bitcoin-Anleger ist: Nimmt der Verkaufsdruck ab, dürfte der Preis der bedeutendsten Kryptowährung entlastet werden.

Derweil geht ein grösseres Abwärtsrisiko von geopolitisch bedeutenden Konflikten aus. Konkret handelt es sich um die Feindseligkeiten im Nahen Osten und den seit fast genau zweieinhalb Jahren dauernden Krieg in der Ukraine. Eskalieren diese Konflikte weiter, dürfte manch ein Anleger Kryptowerte abstossen und sich defensiver ausrichten.

Dazu analog wird ein wirtschaftlicher Abschwung Investoren zurückhaltender werden lassen. Die Sorgen um die US-Konjunktur sind noch nicht zerstreut. Denn abgesehen von Konjunkturdaten schwebt der strapazierte amerikanische Staatshaushalt wie ein Damoklesschwert über der Volkswirtschaft in Übersee. Die Schuldenquote liegt bei über 120 Prozent. Linderung ist nicht in Sicht. Allein die Schuldzinszahlungen, welche die US-Regierung leisten muss, belaufen sich mittlerweile auf über 1000 Milliarden Dollar pro Jahr. Konjunkturforscher hoben schon im vergangenen Dezember den Warnfinger. Das Eintreffen einer Staatsschuldenkrise sei ein erhebliches Abwärtsrisiko, hiess es beispielsweise vonseiten der ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF.

Ein anderes Thema im Kryptomarkt sind sogenannt Schwarze Schwäne. Gemeint sind Ereignisse, die kaum jemand auf der Rechnung hat und deshalb, wenn sie auftreten, überraschen. Und zwar häufig negativ. Pleiten, technische Pannen und Hacks zählen dazu. Sie lösen Preisschwankungen aus und verursachen Verluste. Aufsehen erregend war die beispielsweise die Pleite der Handelsplattform FTX. Sie brachte Kursverluste von rund 20 Prozent.

Impulse für den Bitcoin durch lockerere Geldpolitik - und durch Kamala Harris

Bis im September ausstehend ist freilich der Entscheid über die weitere Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Einige Notenbanken haben unterdessen aber bereits Zinsschritte nach unten gemacht. Beispiele sind die Schweizerische Nationalbank, die Europäische Zentralbank, die Bank of England und die Schwedische Reichsbank. «Die Zentralbanken senken die Zinsen und pumpen Geld in das System», sagt Fritz. Die Liquidität könne dem Bitcoin Aufwind geben. Zudem bedeuten tiefere Zinsen, dass verzinsliche Vermögenswerte wie Anleihen im Vergleich zu Bitcoin - aber auch im Vergleich zu Aktien und Gold - weniger attraktiv werden.

In letzter Zeit konnte man Schlagzeilen lesen wie «Selbst die Banker können Bitcoin nicht widerstehen» oder «Pensionskassen in Michigan und Jersey City fügen Bitcoin-ETFs zu ihren Portfolios hinzu». Solche Sätze weisen auf ein stärker werdendes Krypto-Engagement grosser, institutioneller Anleger hin. Offenbar nutzen sie die Möglichkeiten von Bitcoin-ETF. Diese wurden Anfang Jahr zum ersten Mal durch die amerikanische Börsenaufsicht zugelassen. Damit war die Erwartung verbunden, das Investieren in Bitcoin werde von nun an einfacher - was mit höheren Notierungen eingehen sollte. Zwar kletterte der Bitcoin bis im März auf über 70'000 Dollar. Seither hat er wieder nachgegeben. Das bedeutet aber nicht, dass nichts geschieht. Zu- und Abflüsse finden praktisch täglich statt.

Die Wahlen in den USA rücken näher. Im November bekommt die älteste Demokratie der Welt einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Zu den Folgen der US-Wahlen für die Kryptowährungen hat sich jüngst Anthony Scaramucci, Gründer des Vermögensverwalters Skybridge, geäussert. Die Kryptowelt übersehe eine entscheidende Dimension, wenn sie sich vom Republikaner Donald Trump grössere Vorteil als von der Demokratin Kamala Harris verspreche.

«Es ist ganz klar», so Scaramucci, «dass Donald Trump das System in Amerika ändern will.» Der republikanische Spitzenkandidat werde auf «oligarchische» Zustände hinwirken, sprich: Er und andere reiche Leute würden auf eine Weise zusammenspannen, dass die Kapitalmärkte geschwächt würden. «Heute ist er für Krypto. Morgen mag er für Krypto sein oder auch nicht.»

Scaramucci wird, wie er weiter sagt, Harris wählen. «Ich denke, dass Bitcoin unter einer Harris-Administration gut abschneiden wird», erklärt der Skybridge-Gründer.

Reto Zanettin
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