cash.ch: Seit Anfang Jahr haben der Bitcoin um 65 Prozent und Ethereum um 33 Prozent zugelegt. Geht das Rally nach der jüngsten Konsolidierungsphase weiter?
Désirée Velleuer: Wir sind aktuell in der von uns erwarteten Kurskorrektur. Da die US-Realzinsen in der Zwischenzeit von 1,3 Prozent auf 2,4 Prozent gestiegen sind, erstaunt es uns, dass der Bitcoin Kurs nicht stärker korrigiert hat. Unser fairer Wert für Ende 2023 liegt für Bitcoin bei rund 30'000 Dollar. Wir sehen aktuell allerdings mehr Chancen in DeFi-Projekten - sogenannt Decentralized Finance, Anm. der Redaktion - und haben daher angefangen, die Bitcoin- und Ethereum-Positionen zu Gunsten von DeFi zu reduzieren.
DeFi ist in aller Munde, immer neue Applikationen kommen hinzu. Gehört Bitcoin oder DeFi die Zukunft, oder beiden?
Die Blockchain ist eine sehr ineffiziente Datenbank mit tausenden Kopien gegenüber durchschnittlich 3 Kopien bei Netflix zum Beispiel. Es macht deshalb nur Sinn die Blockchain zu nutzen, wenn die Effizienzgewinne durch Automatisierung die Ineffizienz der Datenbank überwiegen. Dies ist vor allem mit Finanztransaktionen bei DeFi-Projekten der Fall.
Können Sie ein paar interessante DeFi-Projekte benennen?
Chainlink hat eben einen neuen Standard für die Einbindung von Clearing Häusern wie SWIFT oder SIX veröffentlicht, der aber auch verschiedene Blockchains unter sich verknüpfen kann. Dies kann verglichen werden mit dem Internetprotokoll, das viele firmenspezifische Intranets verbunden hat. Maker und Frax sind automatisierte Software-Banken, die nun begonnen haben, ihre Gelder in US-Treasuries zu investieren oder Obligationen auf der Blockchain anzubieten. Tether ist hierbei bereits der zwanziggrösste Halter von Treasuries. Bitcoin ist eher autark, wogegen viele DeFi-Apps in Richtung Verschmelzung mit dem traditionellen Finanzsystem gehen. Wir setzen eher auf die Einbindung des traditionellen Finanzsystems.
Werden die hohen Zinsen zu einer weiteren Konsolidierung im Kryptomarkt führen?
Die Realzinsen sind tatsächlich stark angestiegen und haben ein gefährliches Level erreicht. Weitere Anstiege würden wohl sämtliche Vermögensklassen in Mitleidenschaft ziehen. Verglichen mit der Nasdaq und Technologieaktien finden wir Blockchain- und DeFi-Projekte jedoch deutlich attraktiver.
Ethereum hat seit Anfang Jahr eine solide Rally hinter sich. Seither haben die Preise auf tieferem Niveau konsolidiert. Ist das ein Einstiegszeitpunkt?
Ethereum ist aufgrund seiner hohen Cashflows und der zwischenzeitlich deflationären Entwicklung in unseren Augen die konservativste und solideste Investition der Blockchain. Im nächsten Bullenmarkt dürfte Ethereum daher nicht zu den Top-Performern gehören. Zum Vergleich: Nestlé ist normalerweise auch nicht der Starperformer in einem Bullenmarkt.
Sind die Ethereum-Renditen derzeit noch attraktiv?
Wir denken, dass Ethereum mit einem Kurs-/Gewinnverhältnis (KGV) von 10 für 2025 und einer realen Dividendenrendite von 5 Prozent attraktiv erscheint. Ethereum erzielt heute Gebührenerträge von rund 3 Millionen Dollar pro Tag und die Plattform ist sehr profitabel. Um der Verwässerung entgegenzuwirken, werden 80 Prozent dieser erwirtschafteten Gebühren mittels burning vernichtet.
Wie berechnet sich ein KGV von 10 bei Krypto - sprich Ethereum in diesem Fall?
Wir gehen davon aus, dass die täglichen Gebühren von heute 3 Millionen Dollar auf 20 Millionen Dollar im Jahr 2025 steigen werden. Zum Vergleich: Im letzten Bullenmarkt stiegen die täglichen Gebühren bis auf 100 Millionen Dollar. Wir gehen nicht davon aus, dass dieses Level in den nächsten Jahren wieder erreicht wird, da es mittlerweile viele Layer-2-Lösungen wie Arbitrum, Optimism, zksync oder Polygon gibt und die Transaktionsgebühren viel tiefer sind. Unsere Prognose ist, dass 2025 40 Prozent der ETH-Token gestaked werden, also 47 Millionen Token. Das KGV errechnet sich demnach wie folgt: 47 Millionen Token mal Ethereum-Preis von 1630 Dollar dividiert durch 20 Millionen Erträge mal 365. Dies ergibt ein KGV von 10,5.
Derzeit gehen immer mehr Krypto-ETF an den Start. Wird das den Kryptowährungen Flügel verleihen?
Wenn wir vergleichen, was mit dem Goldpreis passierte, als der erste Gold ETF lanciert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass auch ETF auf Kryptowährungen einen positiven Effekt haben dürften. Jedoch gibt es in Europa und Kanada bereits Bitcoin-ETFs, ohne dass es zu grossen, nennenswerten Kursbewegungen gekommen ist.
Hat das Halving beim Bitcoin im nächsten Jahr bereits einen Kurseinfluss?
Nur noch psychologisch. Das Bitcoin-Angebotswachstum ist bereits unter dem des Edelmetalls Gold und wird nächstes Jahr von 1,5 Prozent auf 0,75 Prozent sinken. Verglichen mit der Volatilität auf der Nachfrageseite dürfte dies vernachlässigbar sein. Normalerweise steigt der Bitcoin zuerst, da dieser am liquidesten ist. Sofern Ende 2022 aber der Kurstiefpunkt war, ist diese Phase bereits hinter uns und wir denken, dass DeFi ab jetzt besser performen wird.
Anfang Jahr haben Sie für den Bitcoin ein Kursziel von USD 50'000 bis Ende 2024 ausgerufen. Steht dieses noch?
Ja, das Bitcoin-Kursziel von 50'000 Dollar Ende 2024 steht weiterhin (hierzu mehr). Wir denken, dass sich die künftigen Realzinsen (TIPS) bis Ende 2024 wieder etwas normalisieren werden, weil die Schuldzinsen der Staaten und Hauseigentümer das Wirtschaftswachstum bremsen werden. Deshalb haben wir momentan nur den kurzfristigen fairen Wert des Bitcoin per Ende 2023 nach unten angepasst. Sollten die Realzinsen jedoch auf diesem Level verharren oder weiter steigen, müssten wir auch den fairen Wert für Ende 2024 nach unten korrigieren.
Gibt es Risiken, die zu einer erneuten Korrektur bei den Kryptowährungen führen könnten?
Weitere Erhöhungen der Realzinsen könnten die Märkte tatsächlich weiter in Mitleidenschaft ziehen. Im Vergleich zur Nasdaq, die erneut nahe des Höchststandes notiert, sind ungefähr die Hälfte der Krypto-Tokens seit Jahresanfang im Minus. Da auch gute Projekte nochmals korrigiert haben, würden wir weitere Kursverluste als Kaufgelegenheit ansehen.
FTX gehört der Vergangenheit an. Wann kommt der nächste Krypto-Skandal?
Die Meinungen gehen auseinander, ob zum Beispiel mit Binance oder Huobi etwas Ähnliches passieren könnte. Wir stellen uns diese Frage gar nicht mehr, da sämtliche Vermögenswerte unseres Fonds bei FINMA-regulierten Banken und Brokern gelagert werden, die grösstenteils Over-the-counter (OTC) gehandelt werden.
Désirée Velleuer ist Portfolio-Managerin bei Crypto Consulting AG in Zürich. Sie ist Partnerin und zusammen mit Reto Stiffler Co-Gründerin. Die Crypto Consulting AG ist durch die FINMA reguliert und führt einen aktiv verwalteten Kryptofonds.
10 Kommentare
Die Dame und auch bayandholdrio, fox und berti können und sollen träumen, denn Frau Welleur werden sicher Personen gewinnen, die etwas zu verlieren haben (mit grosser Portokasse) .
So genannte Gewinner gibt es aber nur wenige wenn überhaupt , da kein Background !
Ich kann den Kommentar von Holger nur bestätigen !
Da habe ich was dazugelent. KGV bei Cryptos und real erwirtschafteter Gewinn bei Etherium. Wie und wo werden die 20%, welche nicht vernichtet werden ausbezahlt? In mein Wallet? Einfach eine tolle Investitionsstory - dafür bin ich jedoch einfach zu alt (und habe mit früheren Wetten schon zu viel in den Sand gesetzt).
Genau, darum soll ja das Kryptozeugs reguliert / verboten werden. Bitcoin spielt in einer ganz anderen Liga. Da gibt es keine Firma dahinter und niemand der sich bereichern will. Es gibt auch keine Gewinnerwartung wie Dividende und so Schmarren. Er ist einfach hart und rar.
Faszinierend ist das man für Kryptos mittlerweile "KGV" "errechnet" gleichwohl diese ausschliesslich Bit Anordnungen sind.
Noch spannender ist das hier erhebliche Gebühren erwirtschaftet werden.
Insgesamt ein sehr spannendes Geschäftsmodell um ein Nichts.
Ah ja? Was ist dann facebook? alphabet? das sind auch rein digitale "bit" Unternehmungen, die ihre Dienstleistungen (Netzwerke, Daten, Werbe"flächen") sehr gewinnbringend an den Mann / die Frau bringen. Das macht das Netzwerk z.B. Ethereum eben genau auch, halt mit etwas anderem technlologischen Hintergrund als die besagten Unternehmen.
Logisch, es gehen dauernd welche verloren und vergessen und die Menge ist begrenzt, ganz im Gegensatz zum Papiergeld, steigt der Wert. Der Sprung nach oben kommt spätestens 2024.
Für mich ist es aber logisch, dass früher oder später der Regulator diesen Crypto-Unsinn stoppen wird.
Bitcoin kann man nicht essen, tanken, oder sonst irgend wie sinnvoll nutzen. Im Gegensatz zu den staatlichen Währungen gibt es auch keine Staatsgarantien. Der Wert hängt gänzlich von der Fantasie der Mitmenschen und deren Glauben ab dass dieser wertvoll sei.
Insofern ist jeder "Wert" möglich.
Schaunwer mal ...
@holger
Denk etwas weiter als deine Nasenspitze. Wir in der Schweiz sind die absolute Elite der ganzen Welt. Noch die ärmsten der Schweiz gehören dazu.
Mit Bitcoin kann man sehr wohl essen. Besonders gut kann man sparen. Schau dir doch mal die Reportage zu Cuba an. "The Truth Behind Cuba's Bitcoin Revolution"
@mbruehart
Meine Kommentare werden oft zensiert. Daher hier nochmal:
Ich bin auch deiner Meinung, dass alle Kryptos (Bitcoin ist kein Krypto) verboten gehören. Jeder (besonders mit Ethereum) kann "einfach so" eine Kryptowährung erstellen. DeFi ist letztenendes nichts anderes als das kaputte Geldsystem in die Kryptowelt portiert. Darum, weg damit!
Darum rat ich immer wieder:
Informiert euch. Study Bitcoin. Beginnt mit dem FIAT Standard, weil der ist einfach zu verstehen.