Die Schweizer Regierung will ein Gesetz durchbringen, das Firmen zwingt, ihre tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer offenzulegen, und Anwälte verpflichtet, verdächtige Geschäfte zu melden. Bei den Advokaten, aber auch im Parlament, stösst der Bundesrat damit auf Widerstand. Dabei entsprechen die Regelungen weitgehend den internationalen Gepflogenheiten.

Kritiker — darunter die USA und die OECD — monieren schon seit Jahren, dass die Schweiz bei der Bekämpfung von globaler Steuerhinterziehung und Geldwäsche trotz Reformen weiter hinterherhinkt. Und obwohl Diskretion und Geheimhaltung eine starke Tradition in dem neutralen Land zwischen Bodensee und Lac Léman haben, wächst die Unterstützung für weitreichende Änderungen.

“Banken haben eine Sorgfaltspflicht, warum also nicht auch Anwälte?”, sagt Katia Villard, Rechtsprofessorin an der Universität Genf. “Einige Anwälte — nicht alle — haben dieses Privileg missbraucht, und auf sie zielt das Gesetz ab.”

Public Eye, eine Organisation, die sich für mehr Transparenz in der Schweiz einsetzt, hat im Jahr 2021 ermittelt, dass es in der Schweiz fast 33'000 Briefkastenfirmen gab. Absoluter Spitzenreiter ist Genf, wo eine solche Firma auf 37 Bürger des Kantons kommt.

Gesetzt zielt auf Anwälte ab

Das Gesetz zielt besonders auf jene Anwälte ab, die bei der Gründung von Unternehmen und dem Kauf von Immobilien helfen, da sie besonders stark Gefahr laufen, in illegale Aktivitäten verwickelt zu werden. Sollte es verabschiedet werden, würde die Regelung Anwälte dazu verpflichten, verdächtige Finanztransaktionen an die Schweizer Geldwäsche-Meldestelle zu berichten. Bei Verstössen drohen Geldstrafen von bis zu 500'000 Franken.

Für Banken sind solche Meldungen schon seit Jahren Alltag, doch die Anwälte wollen das Gesetz nicht widerstandslos hinnehmen. Sie halten den Gesetzesentwurf für zu weitreichend und vage, etwa bei der Abgrenzung des Anwaltsgeheimnisses. Er würde auch reguläre Immobiliengeschäfte oder Firmenübernahmen betreffen, argumentiert Miguel Oural, Partner in der Kanzlei Lenz & Staehelin und Präsident der Genfer Anwaltskammer.

“Abgesehen von diesem inakzeptablen Eingriff in das Berufsgeheimnis ist der Anwendungsbereich der geplanten Gesetzgebung so weit gefasst, dass Unternehmens-, Handels- oder Immobilienanwälte, die einen sehr grossen Teil der Arbeit von Anwaltskanzleien ausmachen, mit einer untragbaren Menge neuer, sehr komplizierter und zeitaufwändiger Compliance-Arbeit konfrontiert werden”, sagt Oural.

Der Schweizerische Anwaltsverband lehnte eine Stellungnahme ab und sagte, er werde zu dem Entwurf ein Positionspapier veröffentlichen. Laut Shahram Dini, Anwalt und Präsident der Commission du barreau, der Aufsichtsbehörde für die Genfer Rechtsanwälte, unterschätzt die Regierung auch den Aufwand für die Umsetzung des Gesetzes. Die Commission verfügt über nicht einmal 10 Mitarbeiter, die die 2.700 Genfer Anwälte beaufsichtigen müssen.

“Der Kanton muss uns die Mittel zur Verfügung stellen: Entweder werden die Kontrollen von uns durchgeführt und der Kanton gibt uns das Geld, oder der Kanton weigert sich und ein Bundesinspektor kommt und macht das”, sagt er. “Man hat die Wahl zwischen schlecht und schlechter.”

Bereits 2021 scheiterte ein entsprechendes Gesetz

Mit dem Gesetz würde die Schweiz Schritte gegen die Steuerhinterziehung nachvollziehen, die in anderen Ländern schon umgesetzt wurden — und das nicht ganz erfolglos: Laut dem EU Tax Observatory ist die Offshore-Steuerhinterziehung in den letzten 10 Jahren auf ein Drittel zurückgegangen. Dennoch bemängelt auch das Schweizer Parlament, dass der Entwurf beim Umfang der Meldepflicht zu ungenau sei und womöglich den Regeln zur anwaltlichen Verschwiegenheit widerspreche. 

Schon ein vorangegangener Anlauf für ein ähnliches Gesetz scheiterte 2021 nicht zuletzt an den zahlreichen Parlamentariern, die im Hauptberuf selbst Anwälte sind. Der Bundesrat hat diesmal versucht, dem Rechnung zu tragen, indem er den Anwendungsbereich auf bestimmte anwaltliche Tätigkeiten beschränkt hat. Ob dies ausreicht, wird sich zeigen, wenn das Parlament im kommenden Jahr über das Gesetz berät. Villard von der Uni Genf sieht Parallelen zum Widerstand der Bankiers gegen die Aufweichung des Bankgeheimnisses vor 15 Jahren. “Zuerst sagten die Banken, ‘wir werden unsere Kunden verlieren’, aber inzwischen haben sie sich daran gewöhnt.”

(Bloomberg)