Es ist ein Thema, das bewegt: Seit Jahrzehnten spaltet die Atomkraft die Schweizer Bevölkerung. Nun überdenkt der Bundesrat das 2017 beschlossene Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke und hat kürzlich angekündigt, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Entwicklungen im Ausland in eine klare Richtung weisen, wie cash.ch berichtet hat.

In den USA erlebt die Kernkraftindustrie eine Renaissance, da die Nachfrage nach sauberem Strom stark ansteigt, teilweise durch den steigenden Energiebedarf von Rechenzentren und im Zuge der Künstlichen Intelligenz (KI).

Nach Schätzungen des US-Energieministeriums (DOE) muss sich die Nuklearkapazität in den USA bis 2050 auf 300 Gigawatt (GW) verdreifachen. Unterstützende Bundesgesetze und Investitionszusagen für kleine modulare Kernreaktoren (SMR) zeigen Fortschritte. SMRs sind kohlenstofffreie, fortschrittliche Reaktoren, die als kleinere und vorgefertigte Versionen herkömmlicher Reaktoren konzipiert sind und laut Bank of America Ende der 2020er bis Anfang der 2030er Jahre ans Netz gehen könnten.

Grosse Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und Alphabet haben Verträge mit Kernkraftwerken abgeschlossen, um ihren wachsenden Energiebedarf zu decken, da KI einen immer grösseren Anteil an ihrem Geschäft einnimmt. Ein Versorgungsunternehmen nimmt sogar das Kernkraftwerk Three Mile Island wieder in Betrieb, nachdem es einen 20-Jahres-Vertrag über den Verkauf von Strom an Microsoft abgeschlossen hat. Three Mile Island erlangte 1979 traurige Berühmtheit durch den schlimmsten Atomunfall der USA.

Amazon führte eine 500-Millionen-Dollar-Finanzierungsrunde für ein Unternehmen an, das modulare Kernreaktoren entwickelt, und kaufte im März für 650 Millionen Dollar ein kernkraftbetriebenes Rechenzentrum. «Einer der schnellsten Wege, den Klimawandel zu bekämpfen, ist die Umstellung auf kohlenstofffreie Energiequellen. Kernenergie ist sowohl kohlenstofffrei als auch skalierbar; deshalb ist sie ein wichtiger Investitionsbereich für Amazon», erklärte Matt Garman, CEO von Amazon Web Services, in einer Pressemitteilung.

Wall-Street-Analysten optimistisch

Die Analysten an der Wall Street sind optimistisch, wie die Finanznachrichtenplattform «Markets Insider» berichtet. «Die Kernenergieprojekte umfassen den Bau mehrerer kleiner modularer Reaktoren (SMR), eines fortschrittlichen Reaktortyps, der näher an den Stromnetzen gebaut und schneller fertiggestellt werden kann als herkömmliche Reaktoren. SMRs haben das Potenzial, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren und den Weg für sauberere, nachhaltigere Energie zu ebnen», erklärt CFRA-Analyst Arun Sundaram in einem Vermerk von letzter Woche.

Er fügte hinzu: «Da die volle Leistungsfähigkeit der KI sowohl von den Rechenzentren als auch von der Energieinfrastruktur abhängt, tragen diese Investitionen dazu bei, dass Amazon seine Position als führender Cloud- und KI-Anbieter weiter festigt.»

Das Wiederaufleben der Kernenergie hat zu erheblichen Bewegungen an der Wall Street geführt; einige Aktien haben sich in diesem Monat innerhalb weniger Tage mehr als verdoppelt. Kernenergie-ETFs mit einem Vermögen von über sechs Milliarden Dollar haben die Fonds für saubere Energie überholt.

Die Fonds für Kernenergie und Uran sind mittlerweile größer als alle diejenigen für alle anderen «saubere Energien» zusammen.

Die Fonds für Kernenergie und Uran sind mittlerweile größer als alle diejenigen für alle anderen «saubere Energien» zusammen.

Quelle: Bank of America

Hauptsächlich Zukunftswetten

Von Energieversorgern über Uranminen bis hin zu kleinen Nuklearentwicklern - die in der Tabelle gelisteten Aktien erleben im Zuge der Wiederbelebung der amerikanischen Nuklearindustrie einen Höhenflug.

Am deutlichsten ist der Anstieg bei NuScale Power, einem Unternehmen im aufstrebenden SMR-Markt, mit einem Plus von 460 Prozent seit Jahresbeginn. Der modulare Charakter von SMRs ermöglicht die Hinzufügung zusätzlicher Einheiten je nach Bedarf, was zu besserer Skalierbarkeit, kürzeren Bauzeiten und potenziell geringeren Investitionskosten führt. Dies könnte eines der grössten Probleme der Nuklearindustrie, nämlich die hohen Baukosten, lösen.

Titel Kursentwicklung seit einem Monat Kursentwicklung seit Jahresbeginn Durchschnittliches Aufwärtspotenzial Vorwärtsgerichtetes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
NuScale Power 59 Prozent 460 Prozent -19 Prozent -
Nano Nuclear Energy 33 Prozent 380 Prozent* - -
Vistra 5 Prozent 222 Prozent 17 Prozent 28
Constellation Energy 2 Prozent 126 Prozent 7 Prozent 33
Oklo 136 Prozent 81 Prozent -43 Prozent -
BWX Technologies 13 Prozent 60 Prozent -6 Prozent 39
Cameco 13 Prozent 25 Prozent 9 Prozent 89

 

Quelle: Bloomberg / *IPO mit einem Ausgabepreis von 4 Dollar im Mai 2024.

NuScale Power ist noch nicht profitabel und die Umsätze sind noch äusserst bescheiden, was den spekulativen Charakter dieses Titels unterstreicht. In einer anderen Liga spielt Vistra, ein in Texas ansässiges Unternehmen mit einem breit gefächerten Energieportfolio, das Erdgas, Solarenergie, Batteriespeicher und Kernkraft umfasst. Trotz einer Verdreifachung des Kurses beträgt das vorausschauende KGV «nur» 28 und Analysten prognostizieren einen weiteren Kursanstieg von 17 Prozent.

Interessant sind auch Oklo und Nano Nuclear Energy: Oklo entwickelt Kernspaltungskraftwerke zur Bereitstellung von Energie in grossem Massstab und hat Sam Altman von OpenAI im Verwaltungsrat. Nano Nuclear Energy ist ein Entwickler tragbarer, bedarfsgerechter nuklearer Mikroreaktoren.

Zusätzliche Investitionsmöglichkeiten bieten ETFs. Der «HANetf Sprott Uranium Miners UCITS ETF» umfasst Aktien von Unternehmen weltweit, die mindestens 50 Prozent ihres Umsatzes aus dem Uranbergbau generieren. Der «Global X Uranium UCITS ETF» bietet Zugang zu einem breiten Spektrum von Unternehmen, die im Uranbergbau und in der Produktion von Nuklearkomponenten tätig sind.

Der «VanEck Uranium and Nuclear Technologies UCITS ETF» investiert ausschliesslich in Aktien von Unternehmen, die einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes mit Uran oder in der Kernenergie-Infrastruktur erwirtschaften. Das Investmentvehikel von VanEck verzeichnete in diesem Jahr eine Performance von 40 Prozent.