Der ehemalige Holcim-CEO und jetziger Verwaltungsratspräsident Jan Jenisch hinterlässt grosse Fussstapfen: Schon als er auf dem Chefsessel des Bauchemieherstellers Sika sass, zeigte er seine Fähigkeit zum Wachstum, was ihm auch bei Holcim ab 2017 gelang. 

Seit Mai 2024 ist Miljan Gutovic CEO bei Holcim und konnte die positive Margenentwicklung kontinuierlich fortsetzen. Im Vergleich zum Sektor erzielte Holcim im ersten Halbjahr überdurchschnittliche Fortschritte. Der Fokus liegt auf Value statt Growth, weshalb das Umsatzwachstum im Einklang mit der Entwicklung des Sektors an Dynamik verloren hat. Bezüglich Portfolioveränderungen und M&A hat die Aktivität gegenüber dem starken Vorjahr auf hohem Niveau leicht nachgelassen.

In Zahlen ausgedrückt: Von Januar bis Ende Juni erzielte Holcim einen Umsatz von 12,81 Milliarden Franken. Das entspricht einem Rückgang von 1,9 Prozent, wie das Unternehmen Ende Juli mitteilte. Dabei belasteten der starke Franken und das schlechte Wetter in Europa und Nordamerika das Ergebnis. Organisch ging das Geschäft um 0,3 Prozent zurück. Dennoch konnte das Unternehmen den wiederkehrenden Betriebsgewinn (EBIT) um 8,1 Prozent auf 2,21 Milliarden Franken steigern.

«Die erwartete reibungslose Amtsübergabe hat sich unseres Erachtens voll bestätigt. Dies überrascht uns nicht angesichts der bedeutenden Rolle, die Miljan Gutovic bereits zuvor bei Holcim innehatte», sagt Martin Hüsler, Analyst bei der ZKB, gegenüber cash.ch.

Dieser reibungslose Führungswechsel und die positive Margenentwicklung kommen auch der Aktie zugute: Die Aktie des Zementherstellers gehört zu den stärksten Aufwertungen seit Jahresbeginn, mit einem Plus von 26 Prozent. Auf Sicht von fünf Jahren beträgt die Kursrendite 70 Prozent.

Kursentwicklung der Aktien von Holcim.

Abspaltungs-Fantasien

Die starke Performance sei angesichts der guten Halbjahresergebnisse sowie der geplanten Abspaltung des Nordamerikageschäfts und der wertsteigernden Kapitalallokation im laufenden Jahr gerechtfertigt gewesen, meinen Marktbeobachter. Nun verlangsame sich jedoch das Momentum bei den Ergebnissen, und die Aktie habe einige Konkurrenten hinter sich gelassen und sich dem Niveau von Cement Roadstone Holding angenähert. Das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt beim Konzern mit Hauptsitz in Zug bei 14.

Gerade die Aussicht auf die Abspaltung, des Nordamerikageschäfts, das derzeit knapp einen Vierteil des Umsatzes generiert und gemäss dem EBITDA am rentablesten ist, bietet Raum für Fantasie: Es soll im ersten Halbjahr 2025 in New York notiert werden und könnte früheren Firmenschätzungen zufolge einen Wert von 30 Milliarden US-Dollar erreichen.

Der Spin-off des Nordamerika-Bereichs bringt nicht nur Börsen-Fantasie, sondern macht Sinn: Von der Grösse, Homogenität, Wachstumspotenzial und Margenqualität ist Nordamerika ein ziemlich eigenständiger und attraktiver Markt, den Holcim weiter konsolidieren kann

«Die Aktionäre halten nach dem Spin-off die Aktien von zwei regional fokussierten, führenden Baustoffproduzenten mit engagierten Führungsteams und wahrscheinlich etwas unterschiedlichen Strategien in Bezug auf organisches Wachstum und Margenpotenzial», sagt Hüsler von der ZKB.

Was ist mit der Rest-Holcim?

Doch was ist mit der Rest-Holcim? Die Dekarbonisierungsstrategie in Europa ist ein wichtiger Treiber für die nachhaltige Erhöhung der Profitabilität in dieser Region. Starke Cashflows und eine darauf basierende attraktive Ausschüttungspolitik dürften laut Hüsler auch den Investment Case der «Schweizer Holcim» interessant machen.

Ähnlich sieht es auch Analyst Beat Pfiffner von der Schwyzer Kantonalbank: «In Nordamerika liegt der Fokus auf hohem Wachstum dank Infrastrukturprogrammen und dem Dachgeschäft. In Europa hingegen ist die Dekarbonisierung der Zementproduktion von grosser Bedeutung. Angesichts der erheblichen Unterschiede lassen sich die ehrgeizigen Ziele besser getrennt erreichen.»

«Das Rest-Holcim muss den Beweis erbringen, dass es attraktiv ist», sagt hingegen Perger. Ein wichtiges Standbein bleibt dabei Lateinamerika, die margenstärkste Region. Dort hat Holcim seit jeher eine dominante Marktstellung.

Für Eugen Perger, Leiter Equity Strategy bei Research Partners, ist Holcim teuer geworden. Vieles ist bereits eingepreist, was das Aufwärtspotenzial limitiert. Zudem: «Den Beweis zur Profitabilität muss Holcim im neuen Bereich Recycling noch erbringen. Dies ist derzeit eine Blackbox.»

Steigend Kapitalrendite 

Hüsler von der ZKB ist optimistischer: Er hat Holcim mit «Übergewichten» eingestuft und rechnet weiterhin mit einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung im Vergleich zum SPI. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der EBIT-Marge, der Cashflow-Generierung sowie auf einer kontinuierlichen Verbesserung der Kapitalrendite.

Renditen auf das eingesetzte Kapital (ROIC) sind als Anhaltspunkt für ein Investment in Holcim interessant: Laut Perger bewegt sich Holcim in die Nähe von Sika oder Geberit, was schlussendlich andere Bewertungsniveaus ermöglicht. 2023 erreichte dieser mit 7,25 Prozent den höchsten Wert seit 2007.

Längerfristig sind auch die ambitionierten Wachstumsziele von Bedeutung: Der operative Gewinn soll bis 2030 im Nordamerika-Geschäft um etwa 12 Prozent pro Jahr und im restlichen Geschäft um über 6 Prozent pro Jahr zulegen. 

Das Hauptrisiko besteht bei den Wachstumszielen in einer möglichen Verschlechterung der Baukonjunktur. Doch damit rechnet Beat Pfiffner von der Schwyzer Kantonalbank nicht, da sinkende Zinsen und US-Infrastrukturprogramme die Bauwirtschaft stützen. «Ein gewisses Risiko sind auch überraschend hohe Abspaltungskosten, die vorübergehend belasten könnten», gibt der Analyst zu bedenken, der insgesamt jedoch ein Aufwärtspotenzial sieht.

Höhere Dividende?

Der Markt schätzt, dass CEO Miljan Gutovic die beschlossene Aufspaltung umsetzt und intensiv mit den Finanzmarktteilnehmern und Medien kommuniziert. Es besteht wohl letztendlich Aufwärtspotenzial dank der wertsteigernden Aufspaltung und den guten Wachstumsaussichten angesichts der Infrastrukturprogramme und des höhermargigen, CO2-reduzierten Zements.

Es ist gut möglich, dass der Analystenkonsens für Holcim in Zukunft noch optimistischer wird: Derzeit stehen laut Bloomberg-Daten elf «Buy»-Empfehlungen dreizehn «Holds» und einem «Sell» gegenüber. Einzelne Marktbeobachter halten zudem eine zukünftige Ausschüttungsquote von 50 bis 60 Prozent für realistisch (Holcim zahlt derzeit rund 50 Prozent bei einer aktuellen Dividendenrendite von 3,4 Prozent). Dies würde eine für die Schweiz recht hohe Dividendenrendite von 5–6 Prozent bedeuten. Eine Neubewertung dieser Rendite könnte zu einer höheren Bewertung der verbleibenden Holcim-Anteile führen.

ManuelBoeck
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