Die ohnehin seit Jahren schwächelnde Modebranche in Europa und den USA sitzt infolge der Geschäftsschliessungen im Lockdown auf übervollen Lagern. Die Beratungsfirma McKinsey schätzt den Wert der weltweit liegengebliebenen Ware auf 140 bis 160 Milliarden Euro - mehr als doppelt so hoch wie normal.

Deshalb halten sich Modefirmen wie Hugo Boss oder die britische Marks & Spencer mit Bestellungen der Frühjahrskollektionen zurück. Manche Einzelhändler setzen auf Rabattaktionen, um die Läger leer zu bekommen, oder verramschen die Ware an Textilrecycler wie Parker Lane. Normalerweise verarbeite das Unternehmen 1,5 Millionen Kleidungsstücke per Monat, erzählt Firmenchef Raffy Kassardjian. Im Januar seien es mehr als vier Millionen gewesen - ein Rekord.

Auswirkungen bis nach Bangladesch

Die Zurückhaltung der Modefirmen mit Bestellungen bringt auch die Produktionsfirmen in Bangladesch an den Rand des Ruins. Bangladesch ist nach China der zweitgrösste Bekleidungsproduzent der Welt. Fünfzig Fabriken, die von der Handelsorganisation "Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association" (BGMEA) befragt wurden, gaben an, in dieser Saison 30 Prozent weniger Bestellungen als üblich erhalten zu haben.

"Bestellungen kommen normalerweise drei Monate im Voraus an. Für März gibt es jedoch keine Order", sagt der in Dhaka ansässige Fabrikbesitzer Shahidullah Azim, zu dessen Kunden nordamerikanische und europäische Einzelhändler gehören. "Wir sind zu 25 Prozent ausgelastet." Er habe einige Aufträge, um die Fabrik bis Februar zu betreiben. "Danach weiss ich nicht, was die Zukunft für uns bereithält. Es ist schwer zu sagen, wie wir überleben werden."

Miran Ali, der mit Star Network eine Allianz von Herstellern in sechs asiatischen Ländern vertritt und selber vier Fabriken in Bangladesch besitzt, steht vor ähnlichen Problemen. "Zum aktuellen Zeitpunkt hätte ich mindestens bis März voll sein und mir schon eine gesunde Menge für Herbst/Winter sichern müssen", sagte er Reuters. Es gehe aber nur langsam voran. Asif Ashraf, ein weiterer Fabrikbesitzer in Dhaka, der Kleidung für globale Einzelhändler herstellt, sagte, es sei schwierig, sich anzupassen. "Wir haben den Stoff hergestellt und sind bereit, die Kleidungsstücke zu nähen, aber dann heisst es, dass die Bestellung zurückgestellt wird."

Pyjama statt Anzug

Laut Datenanbieter Euromonitor war das vergangene Jahr für die Bekleidungsindustrie, in der der Umsatz gegenüber 2019 um etwa 17 Prozent zurückging, verheerend. Und die Zukunft bleibt ungewiss. Die Schätzungen für 2021 reichen von pessimistischen Prognosen eines Umsatzrückgangs von 15 Prozent bei McKinsey bis zu einer Erholung und einem Plus von 11 Prozent bei Euromonitor.

Zarte Hoffnungen der gebeutelten Branche, dass 2021 ein besseres Jahr wird, haben mit neuen Lockdowns und Verzögerungen bei den Impfprogrammen in vielen Ländern erstmal wieder einen Dämpfer erhalten.

Dabei verschiebt sich die Nachfrage wegen der Kontaktbeschränkungen und dem zunehmenden Arbeiten von zuhause vom eher kostspieligen Business-Style zu günstigeren bequemen Outfits. Hugo Boss reagierte bereits darauf und setzte seinen Schwerpunkt stärker auf Freizeitkleidung statt auf den klassischen Anzug.

In Grossbritannien sorgt der Trend sogar für einen Boom bei Pyjamas. "Wenn Sie wissen möchten, was die grosse britische Öffentlichkeit tut, sie trägt wieder einen Pyjama", sagte Steve Rowe, Firmenlenker bei Marks & Spencer. Das aber ist für die Fabrikbbesitzer in Bangladesch kein Trost. "Die Nachfrage nach Pyjamas ist auf Rekordhoch. Aber nicht jeder kann einen Pyjama machen!" so Miran Ali in Dhaka. 

(Reuters)