Beim Wandel hin zu einer CO2-armen Welt spielen Finanzmärkte eine grosse Rolle, da sind sich Branchenvertreter, Regierungen und Experten einig. Auf der UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten wird auch die Frage diskutiert, wie man den Markt für grüne Anleihen ankurbeln kann, um Anreize für einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zu setzen. Die Summen, die Unternehmen im vergangenen Jahr durch grüne Anleihen aufgenommen haben, erreichten 2021 einen Rekord von 859 Milliarden Dollar - 38 Prozent mehr als 2020. Doch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten dämpften dieses Jahr die Emission solcher Wertpapiere. In der ersten Jahreshälfte sank das Volumen laut Daten von Refinitiv um 23 Prozent auf 428 Milliarden Euro.

Auch wenn es Kritiker gibt am Konzept der grünen Anleihen, hat sich der Markt entwickelt und eine ganze Reihe an Spielarten hervorgebracht. Es folgt ein Überblick:

Beliebt trotz niedriger Rendite 

Unternehmen und Regierungen nutzen grüne Anleihen, um Vorhaben mit einer positiven Wirkung auf die Umwelt zu finanzieren. So kann etwa ein Energieunternehmen die Finanzierung eines Projekts für erneuerbare Energien anstossen. Insbesondere Regierungen in Europa spielen eine grosse Rolle: Das Emissionsvolumen grüner Anleihen in der Eurozone übertrifft im laufenden Jahr bereits den Vorjahreszeitraum. Für Kreditnehmer sind die günstigeren Zinssätze attraktiv, auch wenn grüne Anleihen leicht niedrigere Renditen bieten als konventionelle Schuldverschreibungen.

Kritiker bemängeln, dass solche Anleihen nicht die gesamten Aktivitäten eines Unternehmens und ihre Auswirkungen auf die Umwelt adressierten. Energie- oder Rohstoffunternehmen könnten sich so ein grünes Gewand geben, ohne ihre Geschäftsmodelle wirklich ändern zu müssen. Laut Befürwortern brauchen jedoch genau diese Unternehmen Anreize für grüne Projekte.

Zinsaufschlag bei Verstössen 

Für sogenannte Nachhaltigkeitsanleihen oder Sustainability-linked Bonds (SLBs) gibt es einen kleineren Markt als für grüne Anleihen. Mit SLBs können Unternehmen und Regierungen Gelder für beliebige Projekte sammeln - auch für eine allgemeine Verwendung im Unternehmen. Die SLBs sind aber an die Nachhaltigkeitsziele der jeweiligen Organisation geknüpft. Erreicht das Unternehmen diese Ziele nicht, so muss es für die Anleihen höhere Zinsen zahlen. Emittenten - zum Beispiel der Energiekonzern Enel, die Supermarktkette Tesco oder der Pipeline-Betreiber Enbridge - haben sich bestimmten ESG-Kriterien verschrieben: Sie wollen ihre Emissionen reduzieren oder Diversität in ihren Vorstandsetagen vorantreiben.

Die Strafen für die Nichteinhaltung der Ziele - meist die Zahlung weiterer 0,125 Prozent an Zinsen im Jahr für die Restlaufzeit der Anleihen - seien zu niedrig, sagen Kritiker. Bei den Zielen mangele es zudem an Ehrgeiz - sie seien zu einfach zu erreichen. Mit SLBs verkauften Banken Anleihen, die nicht unbedingt einen positiven Wandel für die Umwelt herbeiführten. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) forderte im September die Regierungen auf, sich härtere Strafen zu verhängen, wenn sie ihre Ziele nicht erreichten. Es gehe um die Glaubwürdigkeit des SLB-Marktes. Unternehmen führen an, ihre Ziele würden von unabhängigen Organisationen überprüft.

Transformationsanleihen für Umweltsünder

Unternehmen mit einer schlechten Umweltbilanz brauchen Billionen von Dollar, um ihren CO2-Ausstoss zu reduzieren. Das ist viel mehr, als was sie mit SLBs einsammeln können. 2019 standen die sogenannten Transition Bonds als mögliche Lösung in Raum für Branchen, die wegen ihrer hohen Emissionen vom Markt der grünen Anleihen ausgeschlossen sind. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und das italienische Energieunternehmen Snam sammelten etwa Gelder für die Dekarbonisierung, doch die Begebung dieser Anleihen stagniert: Im vergangenen Jahr erhielten laut der Climate Bonds Initiative neun Emittenten mit dem Verkauf zwölf solcher Anleihen insgesamt 4,4 Milliarden Dollar ein. Verfechter sprechen sich für eine breitere Akzeptanz von Finanzprodukten aus, die die Dekarbonisierung dieser Branchen ermöglichen.

Finanzprodukte auf den Markt zu bringen, die die grüne Transformation umweltschädlicher Unternehmen unterstützen, bleibt ein kniffliger Versuch. Solange es keine klaren Standards oder Richtlinien für Transformationsanleihen gibt, müssen sich Firmen und Investoren vor Greenwashing-Vorwürfen fürchten. Die Herausforderung: Wie soll ein glaubwürdiger Transformationsplan aussehen? Die Europäische Komission arbeitet an einer erweiterten Taxonomie, die auch Kriterien der Transformation enthalten soll. Zudem soll die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) Grundsätze zu Transformationsplänen in der Realwirtschaft im November veröffentlichen.

Soziale Anleihen - Erfolg schwer zu messen 

Anleihen gibt es nicht für Umweltprojekte, sondern auch für Projekte mit Fokus auf soziale Gerechtigkeit oder faire Lebensstandards. Durch eine soziale Anleihe könnte etwa ein Projekt für bezahlbares Wohnen für Menschen finanziert werden, die wegen Überschwemmungen oder Waldbränden ein neues Zuhause brauchen. Der Markt für soziale Anleihen wächst schnell. So setzt die 1-Milliarden-Nachhaltigkeitsanleihe der US-Bank JPMorgan auf soziale Wohnbau-Finanzierung in den USA. Grosse multilaterale Kreditgeber, wie die Internationale Finanz-Corporation aus Washington, begaben Stand Juni 73 soziale Anleihen im Gesamtwert von 4,9 Milliarden Dollar. Die sogenannten "Social Impact Bonds" oder Impact Anleihen unterscheiden sich von sozialen Anleihen, indem sie finanzielle Erträge an die gewünschten Ergebnisse knüpfen.

Soziale Wirkung lässt sich schwieriger messen als wissenschaftsbasierte Ergebnisse, die oft mithilfe eines einzigen Indikators - die Treibhausgas-Emission - erfasst werden. Die Europäische Kommission wird erst 2024 eine europäische soziale Taxonomie herausgeben. Diese soll Finanzinstrumente klassifizieren, die EU-weite Ziele unterstützen, wie etwa faire Löhne und verbesserte Lebensstandards. Zudem bemängeln Kritiker, dass die sogenannten Impact Bonds wegen ihrer geringen Liquidität unattraktiv für Investitionsfonds seien. 

(Reuters)