Continental will sich nach der Abspaltung der Autozulieferung auch vom Geschäftsfeld Contitech trennen. Für die Kunststoff- und Kautschuksparte sei ein Verkauf derzeit die wahrscheinlichste Option, erklärte Continental am Dienstag. Der Vollzug ist für 2026 geplant. Continental habe in den vergangenen 30 Jahren durch Zukäufe und Wachstum drei starke Unternehmensbereiche geformt.

«Diese sind jetzt reif für ihre Unabhängigkeit», erklärte Continental-Chef Nikolai Setzer. Die Continental AG werde nach rund zehn Jahren Umbau ein fokussiertes globales Reifenunternehmen sein. Die Sparte ist die Ertragsperle des Traditionsunternehmens aus Hannover.

An der Börse kamen die Pläne gut an: Continental-Aktien kletterten mehr als vier Prozent und gehörten damit zu den grössten Gewinnern im Leitindex Dax. Pure-Play-Unternehmen werden von vielen Anlegern bevorzugt, deshalb spalten sich Mischkonzerne schon länger so wie Conti auf. Als auf eine Produktart fokussierte Unternehmen könnten Contitech und das verbleibende Kerngeschäft Tires agiler werden, erklärte Setzer. Das sei wichtig bei den derzeit hochdynamischen Märkten.

Protest der Arbeitnehmer

Die Gewerkschaften IG Metall und IGBCE kritisierten dagegen die Entscheidung. «Die Kapitalseite treibt damit den seit Jahren grassierenden Zerschlagungswahn auf die Spitze. Dieses Vorhaben trifft auf unseren entschiedenen Widerstand», erklärte IGBCE-Vorstandsmitglied Francesco Grioli. Die beiden Geschäftsbereiche Reifen und Contitech seien eng miteinander verwoben.

Deshalb sei die Trennung nicht nur sozial unverantwortlich und ökonomisch waghalsig, sondern auch technologisch unsinnig. Ohne eine Ausweitung bestehender Beschäftigungs- und Standortgarantien wollen die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dem Plan nicht zustimmen. Für Betriebsratschef Hasan Allak werden mit der Entscheidung «düsterste Szenarien Realität». Beschäftigte würden endgültig zur reinen Verfügungsmasse von Profitmaximierern.

Aus Sicht von Contitech-Chef Philip Nelles ist das Management hingegen «in guten Gesprächen» mit den Sozialpartnern und arbeite an Lösungen. Weiterer Personalabbau über die bekannten gut 1200 Stellen hinaus ist demnach nicht geplant. Im vergangenen Jahr zählte der Konzern 190.000 Mitarbeitende.

Radikaler Umbau

Der drittgrösste deutsche Autozulieferer nimmt unter dem Druck der schwachen Autokonjunktur und einer kostspieligen Umstellung auf Elektromobilität den radikalsten Umbau der Branche vor. Mehr als 10.000 Stellen fallen weg. Die beiden grösseren Konkurrenten, die Stiftungskonzerne Bosch und ZF Friedrichshafen, trennen sich bisher in geringerem Umfang von Geschäftsfeldern, bauen aber in ähnlich grossem Ausmass Arbeitsplätze ab. Das Autozuliefergeschäft von Continental soll im September an die Börse gehen. Automotive ist mit rund 19 Milliarden Euro Jahresumsatz und 92.000 Mitarbeitenden die grösste Sparte, schreibt aber seit Jahren Nettoverluste.

ContiTech bündelt das Geschäft mit Gummibändern, Schläuchen und ähnlichen Produkten, die in Industriefirmen eingesetzt werden, etwa im Bergbau. Die Sparte erwirtschaftete mit 39.000 Beschäftigten 2024 rund 6,4 Milliarden Euro Umsatz und eine Marge von sechs Prozent. Beschlossen ist allerdings schon, den Grossteil der Gummiprodukte für Automobilhersteller (OESL) zu verselbstständigen und in diesem Jahr zu verkaufen.

Das betrifft rund 16.000 der bisherigen Contitech-Beschäftigten. Künftig gehöre das Unternehmen als Spezialist für Materiallösungen zu den führenden Anbietern weltweit, erklärte Nelles. Contitech habe ohne OESL 23.000 Beschäftigte und machte zuletzt 4,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr mit einer Marge von 8,1 Prozent. Als Käufer kommen Finanzchef Olaf Schick zufolge strategische Investoren, also Konkurrenten, oder Finanzinvestoren infrage.

Das verbleibende Kerngeschäft Tires hat gut 57.000 Mitarbeitende. Im vergangenen Jahr war es mit rund 14 Milliarden Euro Umsatz und 13,7 Prozent Umsatzrendite das profitabelste Geschäft des Konzerns. Conti-Personalchefin Ariane Reinhart wird den weiteren Weg nicht mitgehen. Sie legt ihr Mandat vorzeitig zum 30. Juni nieder, wie Conti weiter mitteilte. Nachfolgerin wird Ulrike Hintze. Auch Finanzchef Schick scheidet im Oktober aus und wird Rechtsvorstand bei Mercedes-Benz. Setzer will die Neuaufstellung von Continental «bis zu ihrem erfolgreichen Abschluss» gestalten.

(Reuters)