Eigentlich sollte CEO Pat Gelsinger den schlingernden Chip-Hersteller Intel wieder auf Kurs bringen. Seit seinem Amtsantritt 2021 hat sich die Krise des einstigen Vorzeigekonzerns allerdings verschärft. Wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblickt, säumen Pleiten, Pech und Pannen seinen Weg. Aktuelles Beispiel: Intel verliert seinen Platz im Standardwerte-Index Dow Jones Industrial Average an Nvidia.

Gleich zu Beginn seiner Amtzeit stiess Gelsinger Insidern zufolge etwa TSMC vor den Kopf: Der weltgrösste Chip-Auftragsfertiger wollte Intel grosszügige Rabatte gewähren, um von dem US-Riesen entwickelte Prozessoren zu produzieren. Gelsinger warnte allerdings öffentlich davor, zu stark auf Anbieter aus Taiwan zu setzen, weil die dortige politische Lage instabil sei. Öffentlich spielte TSMC die Angelegenheit herunter. Allerdings waren die geplanten Rabatte damit Geschichte. Intel muss für die Fertigung seiner hochmodernen Chips den vollen Preis zahlen und damit geringere Gewinnmargen in Kauf nehmen. Auf diesen Vorfall angesprochen betonte TSMC, Intel sei ein wichtiger Kunde. Der US-Konzern bezeichnete die Geschäftsbeziehungen mit dem Auftragsfertiger als gesund.

Milliardengrab Auftragsfertigung

Dennoch versucht Gelsinger, TSMC mit dem Aufbau einer eigenen Auftragsfertigung Marktanteile abzujagen. Unterstützt mit üppigen Staatshilfen kündigte er in den vergangenen Jahren den Bau zahlreicher neuer Fabriken mit einem Investitionsvolumen von insgesamt mehreren Dutzend Milliarden Dollar an. Eine davon sollte in Magdeburg entstehen. Dieses und einige andere Projekte liegen wegen Intels wirtschaftlicher Probleme inzwischen allerdings auf Eis.

Gleichzeitig kämpft der sogenannte «18A»-Prozess zur Chip-Herstellung, mit dem Intel die technologische Führung von TSMC zurückerobern will, mit Problemen. Insidern zufolge verliefen Tests für eine Massenfertigung von Chips für Broadcom mit Hilfe dieser Methode enttäuschend. Der Ausschuss habe bei 80 Prozent gelegen. Andere potenzielle Kunden hätten von vornherein abgewunken. Für sie gebe es keinen Grund zu wechseln, da TSMC gute Produkte liefere, sagte Analyst Toshiya Hari von der Bank Goldman Sachs. Ein Wechsel sei zu riskant.

Intel wies die Berichte über Probleme mit «18A» zurück. Sie basierten auf Gerüchten und Halbwahrheiten. Man sei auf gutem Weg, diesen Produktionsprozess wie geplant im kommenden Jahr offiziell auf den Markt zu bringen.

Verpasste KI-Chancen

Auch beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) hinkt Intel hinterher. Dabei hatte der Konzern die Chance, beim ChatGPT-Entwickler OpenAI einzusteigen. Gelsingers Vorgänger Bob Swan winkte damals aber ab, unter anderem weil er die Marktreife dieser Technologie in weiter Ferne sah. Daher entwickelte Intel auch keine KI-Spezialprozessoren und überliess das Feld dem Grafikkarten-Spezialisten Nvidia, der inzwischen 80 Prozent des Weltmarktes für diese Produkte beherrscht und dadurch zeitweise zum wertvollsten Börsenwert der Welt aufgerückt ist.

Mit dem bei TSMC gefertigten Chip «Gaudi», einem sogenannten KI-Beschleuniger, will Intel verlorenes Terrain zurückgewinnen. Bei einem Führungstreffen 2023 taxierten Experten des Konzerns die Umsätze mit diesen Halbleitern auf maximal 500 Millionen Dollar. Öffentlich gab Gelsinger kurz darauf aber mehr als eine Milliarde Dollar als Ziel vor, obwohl die bei TSMC gebuchten Produktionskapazitäten Insidern zufolge hierfür nicht einmal annähernd ausreichen. Anfang diesen Jahres verdoppelte er das angepeilte Volumen auf zwei Milliarden.

Intel betont, Gelsingers Aussagen hätten sich auf mögliche Deals bezogen, die in den seltensten Fällen zu 100 Prozent zustande kämen. Im April 2024 gab Gelsinger dann eine Prognose für den mit KI-Chips erzielten Umsatz ab: 500 Millionen Dollar.

Intels Eigengewächs strotzt vor Selbstbewusstsein

Gelsinger startete seine Karriere bei Intel 1979 im Alter von 18 Jahren. Dort nahm ihn der langjährige und legendär anspruchsvolle Firmenchef Andy Grove unter seine Fittiche. Gelsinger stieg zum ersten Technologiechef des Konzerns auf, bevor er das Unternehmen 2009 im Rahmen einer Umstrukturierung verliess. In den darauffolgenden Jahren geriet Intel wegen falscher Entscheidungen und verpasster Chancen in Schieflage, bevor man Gelsinger als Retter auf den Chefposten setzte.

Die erhoffte Trendwende ist bislang allerdings ausgeblieben. Im laufenden Jahr wird der Konzern Schätzungen zufolge 3,7 Milliarden Dollar Verlust machen - das erste Minus seit 1986. Seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren ist der Aktienkurs um rund zwei Drittel gefallen. Erstmals seit 30 Jahren liegt der Börsenwert des einst weltgrössten Chip-Herstellers wieder unter 100 Milliarden Dollar. Dadurch ist Intel zu einem Übernahmekandidaten geworden. Einige Analysten bezweifeln daher, dass Gelsinger die vollständige Umsetzung seines im Sommer angekündigten milliardenschweren Sparkurses als Firmenchef erleben wird.

Gelsinger, der seine Reden bei Firmen-Veranstaltungen gerne einmal mit Liegestützen oder Hampelmännern einläutet, gibt sich dagegen selbstbewusst und vertraut auf seinen Sanierungsplan. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen werden», sagte er in einem Reuters-Gespräch im August. «Das wird klappen, Baby.»

(Reuters)