2020 war die Erwartungshaltung unter Marktbeobachtern in Sachen Börsengänge (IPO) Corona-bedingt nicht gerade hoch. Doch auf den letzten Metern kommt das IPO-Jahr 2020 noch so richtig in Schwung.

Am Mittwoch gelang dem US-Essenslieferant Doordash ein fulminantes Börsendebut. Die Titel stiegen um bis zu 195,49 Dollar und verdoppelten ihren Ausgabepreis nahezu. Somit wird das Unternehmen an der Börse mit rund 70 Milliarden Dollar bewertet - mehr als anderthalbmal so viel wie die Marktkapitalisierung der europäischen Konkurrenten Delivery Hero und Just Eat Takeaway zusammen.

Bei einer Finanzierungsrunde im Sommer wurde Doordash noch lediglich mit 16 Milliarden Dollar bewertet. Die massiv höhere Bewertung wird vor allem Softbank-Chef Masayoshi Son freuen. Mit einem Anteil von knapp 25 Prozent ist die japanische Beteiligungsgesellschaft grösster Anteilseigner von Doordash.

Die Gründe für den übermässigen Appetit der Anleger auf das Unternehmen liegen auf der Hand. Doordash profitiert wie seine Konkurrenten Delivery Hero und die "Lieferando"-Mutter Takeaway sowie die US-Rivalen Uber Eats und Grubhub von der steigenden Nachfrage nach Essenslieferungen in der Corona-Pandemie.

Doordash: Umsatz gesteigert, aber immer noch Verlust

In den ersten Monaten 2020 konnte Doordash seine Umsätze denn auch mehr als verdreifachen – auf 1,92 Milliarden Dollar. Trotzdem schreibt der Essenslieferant – wie viele seiner Konkurrenten – noch rote Zahlen. Bis September betrug der Jahresverlust 149 Millionen Dollar. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 533 Millionen Dollar. Die Corona-Pandemie brachte also nicht nur mehr Umsatz, sondern setzten auch die roten Zahlen herunter.

Ein Risiko sind drohende Regulierungen und Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Mitarbeiterverhältnisse. Viele Mitarbeiter von Doordash werden als "Solo-Selbstständige" beschäftigt. Das Unternehmen warnt in seinen Unterlagen, dass man möglicherweise seine Mitarbeiter nicht mehr als unabhängige Auftragnehmer beschäftigen dürfe. 

Zudem lösst der Zeitpunkt des IPO Kritik aus. So vermutet David Trainer vom Analysehaus New Constructs, dass Doordash noch schnell den IPO umsetzten wollte, bevor im nächsten Jahr die Nachfrage nach Essenslieferungen dank der Corona-Impfstoffe stark zurückgehen werde. Für ihn ist Doordash das WeWork von 2020.

Die Vorbehalte scheinen nachvollziehbar. Die Corona-Situation dürfte sich bis bis Sommer 2021 deutlich entspannen. Für klassische "Stay-at-Home-Aktien" wie Doordash, die von den Lockdowns profitieren, sind damit Dämpfer vorprogrammiert.

Airbnb: Das antizyklische IPO

Nach Doordash am Mittwoch folgt am heutigen Donnerstag mit Airbnb das nächste Mega-IPO in den USA. Experten sehen in dem Doordash-Kursfeuerwerk ein gutes Omen für das Debüt des Online-Zimmervermittlers. Dieser hatte am Montag dank einer starken Nachfrage die Angebotsspanne für seine Aktien auf 56 bis 60 Dollar angehoben. Dem "Wall Street Journal" zufolge könnte der Ausgabepreis noch darüber liegen. Damit läge das Emissionsvolumen über den bislang angepeilten 3,1 Milliarden Dollar.

Im Gegensatz zu Doordash scheint der Zeitpunkt des Airbnb-IPO fast antizyklisch. An den Finanzmärkten war der Börsengang von Airbnb lange als spektakulärste US-Premiere 2020 gehandelt worden. Dann kam die Corona-Krise und mit ihr eine grosse Ungewissheit. Inzwischen hat sich das Geschäft aber wieder einigermassen erholt, und die gute Stimmung an den Finanzmärkten hat die Entscheidung für den Sprung aufs Börsenparkett begünstigt.

Airbnb hat den Schwerpunkt seines Geschäfts von der Untervermietung von Privatwohnungen in Grossstädten auf Ferienwohnungen verlagert. Dadurch hat sich das Geschäft wieder deutlich erholen können. Ende November meldete das Unternehmen überraschend einen Quartalsgewinn von 219 Millionen Dollar – trotz Corona-Krise. Allerdings: In den ersten neun Monaten 2020 häufte Airbnb Corona-bedingt Verluste von knapp 697 Millionen Dollar an.

Airbnb wird von vielen Marktbeobachtern als lukrativere Wette als Doordash gesehen. Während Doordash als offensichtlicher Corona-Profiteur auf dem Zenit seines (Umsatz-)Erfolgs an an die Börse geht, könnte Airbnb die grosse Erholung erst noch bevorstehen.

Dass das in der Reise-Branche tätige Unternehmen in einem Corona-Quartal Gewinne erwirtschaftet, ist durchaus ein starkes Signal. Die positiven Impfstoffneuigkeiten hellen die Aussichten für Airbnb zudem weiter auf. Nichtsdestotrotz bahnen sich bei Airnbnb vor allem kurzfristig Risiken an. So hat die zweite Corona-Welle mit ihren zahlreichen (Teil-)Lockdowns die Reiseaktivität erneut stark beeinträchtig. Vorsichtige Anleger sollten den Winter also erstmal abwarten.

Weitere Börsengänge

In den nächsten Tagen und Wochen folgen mit Roblox, Affirm Holdings und ContextLogic noch weitere viel beachtete Börsengänge. Vor allem der IPO von ContextLogic, der Konzern hinter dem E-Commerce-Einhorn Wish, steht bei Anlegern im Fokus.

Wish machte sich damit einen Namen, Waren aus Asien zu absoluten Tiefstpreisen zu verkaufen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 legte das Unternehmen ein beeindruckendes Umsatzwachstum hin. ContextLogic erzielte einen Umsatz von 1,75 Milliarden Dollar, was einem Plus von 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. 

Doch auch Wish macht noch immer Verluste, die 2020 sogar weiter anstiegen. In diesem Jahr steht ein Nettoverlust von 176 Millionen Dollar zu Buche, gegenüber 5 Millionen Dollar im Vorjahreszeitraum. Allerdings: Das Unternehmen weist nach eigenen Angaben eine grundsolide Bilanz auf. In den Büchern stehen etwa 1,1 Milliarden Dollar an Bargeld und keine Schulden.

(Mit Material der Agenturen AWP und Bloomberg)