"Schweizer Aktien sind stattlich bewertet. Deshalb sehen wir nur ein beschränktes Potenzial für Kursgewinne." Die Prognose eines Fondsmanagers, geäussert vor rund einem Jahr zum Verlauf von Schweizer Aktien 2017, stand stellvertretend für viele andere seiner Berufskollegen. Bereits hoch bewertete Aktien, aber auch die Unsicherheiten über Donald Trumps Wirtschaftspolitik und anstehende Wahlen in europäischen Ländern liessen vor einem Jahr keine Euphorie für Aktien aufkommen.
Gekommen ist es ganz anders. Nach zwei Minusjahren wird der Swiss Market Index (SMI) 2017 wieder ein Plus erzielen, und zwar ein kräftiges (mehr dazu in der Tabelle am Artikelende). Die bisherigen 14 Prozent, die viertbeste Jahresperformance seit 2007, hatten nur die wenigsten Experten auf ihren Prognosezetteln. Damit liegt der SMI europaweit gesehen leicht über dem Schnitt. Und er brauchte für die Leistung nicht einmal den grossen Support der Indexschwergewichte Roche und Novartis. Diese beiden Titel blieben hinter dem Index zurück (plus 5 Prozent und plus 13 Prozent).
Gut möglich, dass sich die Auguren auch für das nächste Jahr irren. Denn die Märkte werden wohl unruhiger und deshalb unberechenbarer. "Die Volatilität an den Aktienmärkten ist derzeit abnormal tief", sagt Christoph Schenk, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Ein Anstieg der Volatilität sei deshalb "unvermeidlich", was auch Korrekturen nach sich ziehe. Gründe sind die hohen Bewertungen bei Aktien, geopolitische Unsicherheiten und die Geldpolitik.
Rekordniveau bei den Unternehmensgewinnen
Gerade die anhaltend lockere Geldpolitik, welche die Anleger seit Jahren in Aktien treibt, sowie der Konjunkturverlauf sind weiterhin die Grundlage für ein gutes Börsenumfeld im nächsten Jahr. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte erst im Oktober ihre milliardenschweren Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen um neun Monate bis mindestens Ende September 2018 verlängert. Das monatliche Volumen wird jedoch von Januar an halbiert. Mit einem Zinsanstieg rechnen einige Ökonomen erst gegen Ende 2019. Die Schweizerische Nationalbank wird diesbezüglich nicht vor der EZB handeln und ihren Negativzins vorzeitig ändern.
#SNB-Präsident Thomas Jordan: «Druck spielt keine Rolle für uns». cash-Video-Interview zur Entwicklung des #Franken. https://t.co/UvDEmduzKw pic.twitter.com/cWjhHVHepv
— cash (@cashch) 14. Dezember 2017
Zudem deutet nichts darauf hin, dass der konjunkturelle Aufschwung gerade in den USA und in der Eurozone 2018 zu Ende geht. Die USA dürfen ein Wachstum von fast 4 Prozent erwarten, der Euroraum etwa 2 Prozent. Davon profitiert das Exportland Schweiz. Das Wachstum hierzulande wird ebenfalls auf 2 Prozent geschätzt. In den Jahresabschlüssen der Schweizer Unternehmen wird zudem erstmals der abgeschwächte Franken positiv zum Ausdruck kommen.
Philippe Müller vom Chief Investment Office der UBS sagt gar: "Im nächsten Jahr dürften wir ein Rekordniveau erreichen, was die Gewinne der SMI-Unternehmen angeht." Und mit steigenden Unternehmensgewinnen dürfen auch die stattlichen Bewertungen der Aktien wieder zurückgehen.
Doch die Geldpolitik und die Wirtschaftsentwicklung sind nicht bloss Chancen, sondern auch Risiken für die Aktienmärkte im nächsten Jahr - vor allem gegen Jahresende. "Ab dann ist damit zu rechnen, dass die Zentralbanken ihre Liquidität verringern werden", meint die Credit Suisse in ihrem Jahresausblick. Nicht ohne Grund: Die Vergangenheit in den USA hat gezeigt, dass Anzeichen einer strafferen Geldpolitik – verbunden mit einer ungeschickten Kommunikation einer Zentralbank – die Märkte äusserst nervös machen können. Die grösste Gefahr dabei könnte eine rasch anziehende US-Inflation sein, die sich bislang noch unterdurchschnittlich manifestiert hat und die Märkte daher auf dem falschen Fuss erwischen könnte.
Superzyklus geht nicht endlos weiter
Darüber hinaus gehen viele Ökonomen davon aus, dass der globale Aufschwung 2018 seinen Höhepunkt erreicht, bevor 2019 dann eine deutliche Verlangsamung einsetzt. Nimmt man die alte Börsenfaustregel zur Hand, wonach die Aktienmärkte solche konjunkturellen Entwicklungen schon ein halbes Jahr vorher einzupreisen beginnen, dann müssten entsprechende Abschläge an den Börsen schon im Lauf des zweiten Halbjahres einsetzen. ZKB-Anlagechef Christoph Schenk sagt denn auch: "Im zweiten Halbjahr müssen Anleger sicher etwas Ausschau halten."
Christoph Schenk, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank, äussert sich im cash-Video-Interview zur Zinsentwicklung in der Schweiz und gibt eine Franken-Prognose ab.
Auch die UBS geht davon aus, dass der Superzyklus an den Börsen nicht endlos weitergeht. Doch erst mit Blick über 2018 hinaus rechnet die Bank mit einer schrittweisen Korrektur. Die Wahrscheinlichkeit eines grösseren Einbruchs an den Aktienmärkten aufgrund deutlich anziehender Zinsen oder einer chinesischen Schuldenkrise erachtet sie jedoch als eher gering.
Die konkreten Prognosen für das nächste Jahr sind daher etwas gedämpft. Zwar gehen die meisten Prognostiker von UBS über Julius Bär bis ZKB von weiter steigenden Aktienmärkten aus, vor allem in Europa. Skeptischer sind viele Auguren für die USA, wo der Konjunkturzyklus viel reifer ist als anderswo. Auch China könnte eine Wachstumsverlangsamung spüren, was sich negativ auf den Aktienmarkt auswirken könnte.
Die Steigerungsraten von 2017 dürften im nächsten Jahr fast überall ausser Reichweite liegen, vor allem in der Schweiz. Remo Rosenau, Leiter Research bei der Neuen Helvetischen Bank, rechnet mit einer SMI-Performance im nächsten Jahr zwischen 5 bis 8 Prozent. Einen Vorstoss auf 10'000 Punkte prognostizieren auch Credit Suisse, J. Safra Sarasin, Vontobel oder Pictet, einzig Julius Bär (9500 Punkte) und Raiffeisen (9600) sind etwas verhaltener. Laut den Experten der französischen Société Générale landet der SMI Ende 2018 bloss bei 9300 Punkten, also leicht tiefer als heute. Bis Ende 2019 soll der SMI laut SocGén gar auf 8000 Punkte fallen, was einer Minusperformance von über 15 Prozent entspricht.