Die Aktien des Elektroautopioniers Tesla haben dieses Jahr bereits 40 Prozent verloren. Damit fällt der Abschlag sogar deutlicher aus als beim Technologieindex Nasdaq 100, der 33 Prozent tiefer steht. Wer von dieser scharfen Korrektur profitiert haben dürfte, ist Leerverkäufer Jim Chanos. Dieser setzt schon seit geraumer Zeit mit Put-Optionen auf den Kurszerfall bei Tesla.
Chanos ist an der Wall Street bekannt dafür, den Energiekonzern Enron vor dem Zusammenbruch vor mehr als 20 Jahren leerverkauft zu haben. Und erst Ende März sorgte er für Aufsehen, als er auf den Kursniedergang bei Coinbase setzte. Die Aktien der Kryptobörse haben in den letzten drei Monaten um 73 Prozent korrigiert und dem Präsidenten und Gründer von der Investmentfirma Kynikos Associates wohl einen schönen Gewinn beschert.
Wie Chanos im dieswöchigen Odd-Lots-Podcast von Bloomberg offenbarte, sieht er gleich mehrere Abwärtsrisiken für die Aktien von Tesla. Eines von diesen Risiken sei erheblich und wird seiner Meinung nach von den Anlegerinnen und Anlegern nicht angemessen berücksichtigt: Das Automobilwerk in Shanghai sei für Tesla entscheidend, um Gewinne zu erzielen. Chanos hob hervor, dass Tesla etwa zur gleichen Zeit, als das erste chinesische Autowerk eröffnet wurde, die Wende bei der Rentabilität schaffte.
"Und wir haben den starken Verdacht, dass ein unverhältnismässig grosser Teil der Gewinne aus Shanghai kommt. Und das birgt alle möglichen Risiken für das Unternehmen", sagte Chanos. Damit spricht der Shortseller sicherlich auch das politische Risiko in China an - wegen der Ambitionen Pekings, ein globaler Marktführer für Elektrofahrzeuge zu werden, und wegen der zunehmenden Spannungen mit den USA. Dieses wird in der Zukunft eher noch grösser werden, will Tesla doch eine zweite Giga-Factory in Shanghai errichten.
Der Präsident und Gründer von der Investmentfirma Kynikos Associates warnt die Anlegerinnen und Anleger zudem vor einem verfälschten Blick auf Tesla: "Unterliegen Sie keinem Irrtum, Tesla ist ein Autohersteller. Das Unternehmen baut Autofabriken. Das Unternehmen ist kapitalintensiv." Kurz: Tesla habe diesselben Probleme wie andere Autobauer. Die konjunkturelle Eintrübung werde Spuren hinterlassen.
Dass bei Tesla nicht alles rund läuft, ist diese Woche auch aus einem internen Memo des Konzerns zu entnehmen. Tesla habe aufgrund von Problemen in der Lieferkette ein "sehr hartes Quartal" hinter sich, erklärte CEO Elon Musk. Zudem musste der Konzern am Donnerstag wegen den gestiegenen Rohstoffkosten die vierte Preiserhöhung in diesem Jahr verkünden. Auch sieht der Konzern nicht mehr so optimistisch in die Zukunft. CEO Musk rechnet derzeit mit der Entlassung jedes zehnten Mitarbeiters.
Tesla ist das neue Cisco Systems
Jim Chanos sagte diese Woche im Bloomberg-Podcast auch, dass Tesla auch heute noch ähnlich wie Cisco Systems im Jahr 1999 aussehe, da viele Investoren die Aktien des Unternehmens aufgrund von Hoffnungen und Träumen - kurz Fantasie - kaufen. Und tatsächlich liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei hohen 87. Im Kontrast: VW hat ein KGV von 5.
Cisco war ein Technologie-Aushängeschild vor der Dotcom-Blase, und die Anlegerinnen und Anleger kauften die Aktie trotz ihrer himmelhohen Bewertung in der Erwartung, dass Cisco den Markt für Internet-Hardware dominieren würde. Der Aktienkurs von Cisco hat seinen Höchststand aus dem Jahr 2000 noch nicht wieder erreicht.
"Jetzt ist es in etwa das Gleiche. Egal, ob es sich um Elektroautos oder Solaranlagen handelt, Tesla wird als die zentrale Anlaufstelle dafür angesehen", sagte Chanos. Er fügte gleichzeitig hinzu, dass das Unternehmen immer noch zu einer teuren Bewertung vom zehnfachen des Umsatzes und mehr als des dreissigfachen des Bruttogewinnes gehandelt werde.
Dass diese Bewertungen auch in Zukunft aufrechterhalten werden können, hängt zu einem grossen Teil davon ab, ob Tesla den Markt für Elektrofahrzeuge über Jahre hinweg dominieren kann. Genau hier sieht Chanos aber ein weiteres grosses Risiko in Form der Ankunft neuer Konkurrenz.
"Die Monster-Bewertung von Tesla wird mit der aufkommenden Konkurrenz unter Druck kommen", sagte Chanos. "Es ist das grosse Risiko bei Tesla, nur ein etabliertes Elektroauto-Unternehmen unter einer ganzen Reihe von etablierten Elektroauto-Unternehmen zu werden." Er wies darauf hin, dass der Elektro-Pickup F-150 Lightning von Ford, der seit kurzem an Kunden ausgeliefert wird, eine ernstzunehmende Konkurrenz für Tesla darstelle.