Im allgemeinen Hype um Non-Fungible Tokens (NFTs) sieht es auf den ersten Blick wie ein ganz normales Geschäft aus: Am 12. Januar wechselt ein "Meebit", das digitale Bild einer pixeligen Figur, auf der Handelsplattform LooksRare für etwa 50,6 Millionen Dollar in einer Kryptowährung den Besitzer. Doch dann passiert etwas Ungewöhnliches: Wenige Minuten später geht dieses Meebit für etwa 49,6 Millionen Dollar an den ursprünglichen Eigentümer zurück.
Bei LooksRare gehören derartige Ping-Pong-Geschäfte zum Alltag: So ergibt sich aus den öffentlich einsehbaren Transaktionsprotokollen, dass dort ein anderes Meebit seit dem 11. Januar mehr als 100 Mal zwischen drei Nutzerkonten wechselte, jeweils zu Preisen von drei bis 15 Millionen Dollar. Zwei andere Nutzerkonten spielten sich in der Woche vom 12. bis zum 19. Januar ein "Loot"-NFT, das virtuelle Ausrüstung für ein Abenteuerspiel repräsentiert, 75 Mal zu Preisen zwischen 30'000 und 800'000 Dollar zu.
Gleichzeitig Verkäufer und Käufer
Die Protokolle erlauben zwar die Nachverfolgung von Transaktionen, die Nutzer, die hinter den jeweiligen Konten stehen, bleiben anonym. So kann eine Person mit mehreren Accounts gleichzeitig als Verkäufer und Käufer auftreten.
Bei NFTs handelt es sich um Echtheits- und Eigentumsnachweise für digitale Objekte wie Bilder, Videos oder Musikstücke. So werden diese Dinge, die millionenfach kopiert werden können und teilweise frei im Internet verfügbar sind, zu Sammlerobjekten. Ausserdem spielen sie in virtuellen Welten, den sogenannten Metaversen, eine wichtige Rolle, weil sie dort Immobilien- und andere Geschäfte ermöglichen. Hier hat sich binnen Monaten ein Multimillionen-Dollar-Markt entwickelt.
Mit Ping-Pong-Geschäften zum Marktführer
Dem Analysedienst DappRadar zufolge kam LooksRare mit den beschriebenen Ping-Pong-Geschäften seit seinem Start Anfang Januar auf einen Handelsumsatz von mindestens 10,8 Milliarden Dollar und überholte den Platzhirsch OpenSea. Dabei habe LooksRare gerade einmal 3500 aktive Nutzer täglich. Bei OpenSea seien es 57'000 bis 90'000, so DappRadar.
Die 27 teuersten NFT-Transaktionen weltweit im Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Dollar seien auf LooksRare abgewickelt worden und dort zwischen ganzen zwei Nutzerkonten. "Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es sich nicht um reale Nachfrage handelt", sagt DappRadar-Managerin Modesta Masoit. Diese gebe es auf der Plattform aber auch.
(Noch) nicht illegal
John Eagan, Chef der auf neue Technologien spezialisierten Research-Sparte L'Atelier der Bank BNP Paribas, bezeichnet die Geschäfte auf LooksRare als "Wash Trades". An Aktien- oder Anleihemärkten wäre dies verboten, weil es Nachfrage vorgaukele. Rechtsexperten weisen allerdings darauf hin, dass in der noch jungen und bislang kaum regulierten NFT-Branche Ping-Pong-Geschäfte nicht illegal seien.
Bislang konzentrieren sich Regulierer auf Kryptowährungen, die wie NFTs auf der Blockchain-Technologie basieren. Denn NFTs stellten sie vor ganz neue Probleme, sagt Hagen Rook, Partner der Anwaltskanzlei Reed Smith. "Allgemein gesprochen wird in der Mehrheit der Rechtssysteme anerkannt, dass NFTs nicht wie Finanzprodukte reguliert werden sollten, wenn sie etwas Einzigartiges repräsentieren wie ein Sammlerstück, ein Kunstwerk oder ein Medienobjekt."
Bonus-System begünstigt offenbar «Wash Trades»
Der Branchendienst CryptoSlam macht das Bonus-System von LooksRare für die "Wash Trades" auf der Plattform verantwortlich. Nutzer mit dem höchsten Handelsumsätzen des Tages erhalten dort sogenannte "Looks", digitale Berechtigungen für einen Anteil an den gesamten Gebühreneinnahmen der Plattform. Auf die Frage nach den Ping-Pong-Transaktionen und ob diese Deals das Handelsvolumen künstlich erhöhten, sagte ein LooksRare-Sprecher, auf derartige Rückzahlungen zu spekulieren sei riskant. Nutzer wüssten erst am Ende eines Tages, ob sie ihre Transaktionskosten wieder hereingeholt haben, da sie keinen Einblick in die Aktivitäten der anderen Nutzer hätten.
Der Twitter-Nutzer "Dingaling", der LooksRare zufolge an der Handelsplattform beteiligt ist und diese berät, bezeichnete die Ping-Pong-Geschäfte als Kinderkrankheiten auf dem Weg zu mehr Marktanteilen. "So bald reale Umsätze übernehmen, heisst es 'Lebt Wohl, Wash Trader!'." Ein unter dem Pseudonym "Rizzle" bekannter NFT-Trader, der sowohl bei OpenSea als auch bei LooksRare zu den umsatzstärksten Nutzern zählt, sieht in dem Bonus-System sogar ein Zukunftsmodell. "Ich würde mich nicht wundern, wenn andere Plattformen mit noch grösseren Anreizen aufpoppen und um die gleiche Zielgruppe buhlen."
(Reuters)