cash.ch: Donald Trump und die Republikaner sind die grossen Sieger und gewinnen vermutlich beide Kammern des Kongresses, den Senat und das Repräsentantenhaus. Ist das für Sie eine Zeitenwende?
Michael Strobaek: Die Wahl von Trump zeigt, dass die US-Wähler unzufrieden waren und eine andere Politik wollten. Trump verkörpert die Zeitenwende.
Also sehen Sie den Wahlausgang mehr als Fortsetzung der Zeitenwende?
Ja, genau. Trump verkörpert diese Veränderungen, während die Demokraten dagegen gekämpft haben und nun eine deutliche Niederlage erleiden. Es zeigt den klaren Sieg der einen und das Versagen der anderen Seite. Dies muss verstanden und als Signal erkannt werden.
Wenn wir in die Zukunft blicken, welche Bereiche der Trump-Politik werden vermehrt im Fokus stehen?
Trump verkörpert das «America First»-Ideal. Er möchte, dass die USA ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, anstatt für andere Länder zu zahlen. Er betont, dass die USA ihre eigenen Ressourcen für den eigenen Vorteil einsetzen sollten, anstatt für andere. Er spricht die finanziellen Belastungen der USA an, wie die Beteiligung in Europa und Konflikte mit Russland, und fokussiert sich stark auf innere Probleme, insbesondere an den Grenzen.
Sie meinen das Thema Einwanderung...
Ein zentrales Thema ist die Einwanderung, was besonders in den Swing States entscheidend war. Traditionelle Themen wie Menschenrechte und Abtreibungsrechte spielten eine geringere Rolle. Wirtschaftspolitik und Inflation sind natürlich wichtige Themen für die Wähler, aber es geht darüber hinaus. Viele Amerikaner fühlen sich unwohl mit der aktuellen Lage und fragen sich, warum Geld für ausländische Angelegenheiten ausgegeben wird, wenn das eigene Land nicht ausreichend geschützt wird. Dieses Gefühl der Unzufriedenheit und das Bedürfnis nach mehr Sicherheit und Kontrolle prägen die Trump-Politik massgeblich.
Wie beurteilen Sie die positive Reaktion der Märkte, insbesondere in den USA?
Zunächst einmal ist die Unsicherheit jetzt beseitigt, was für die Märkte immer wichtig ist. Es gibt einen klaren Gewinner, die Republikaner, und sie verfolgen eine geschäfts- und wirtschaftsfreundliche Politik. Das bedeutet Steuersenkungen und Deregulierung, was positiv für die US-Börse ist. Diese positive Stimmung überträgt sich auch auf die globalen Märkte, da sie stark miteinander korreliert sind. Auch der US-Dollar reagiert entsprechend, denn seine Stärke reflektiert die wirtschaftliche Lage und die Zinsentwicklung in den USA. Unter Trump dürfte die Zinsrate der US-Notenbank Fed nicht so stark sinken, da seine Politik tendenziell wachstums- und inflationsfördernd ist.
Sie erwarten also, dass die Fed restriktiver wird?
Ja, mit dem sogenannten «Red Sweep» oder der «Trifecta» können die Republikaner mindestens zwei Jahre bis zu den Midterms weitgehend ungehindert agieren. Dies könnte zu inflationären Massnahmen führen, was eine Herausforderung für die Fed darstellt, deren Aufgabe es ist, die Inflation zu kontrollieren. Die Fed hat bereits signalisiert, die Zinsen senken zu wollen, aber Trumps deutlicher Sieg könnte diese Pläne beeinflussen. Wir sind der Ansicht, dass die Fed ihre Geldpolitik nun restriktiver als bisher handhaben könnte, indem sie die Zinssätze in den nächsten Sitzungen zwar weiterhin senkt, aber früher als vor der Wahl erwartet aufhört. Mit der Kontrolle über das Weisse Haus, den Senat, das Repräsentantenhaus und den Supreme Court ist Trump einer der stärksten und einflussreichsten Präsidenten.
Kurz- bis mittelfristig bedeutet dies gute Aussichten für US-Aktien, wenn ich Sie richtig verstehe?
Kurzfristig bin ich für die Aktienmärkte sehr optimistisch. Mittelfristig wird es darauf ankommen, ob die Regierung eine Politik verfolgt, die die Anleihenmärkte nicht beunruhigt. Sollten die langfristigen Zinsen steigen, könnte dies Probleme verursachen, wie wir es in Grossbritannien gesehen haben. Es wird entscheidend sein, wie Trump und seine Berater die Finanzmärkte insgesamt beeinflussen. Wenn sie eine kluge Politik machen, könnten die nächsten vier Jahre positiv verlaufen. Jedoch wird es wichtig sein zu beobachten, welcher Preis für die Umsetzung von «America First» gezahlt wird und welche Probleme dabei entstehen.
Sie haben angesprochen, dass Anleihen tendenziell steigen könnten. Bedeutet das auch, dass zinssensitive Sektoren in den USA jetzt nicht die erste Wahl sind?
Ja, das ist eine gute Zusammenfassung der Ausgangslage. Im absoluten Sinne können alle Märkte davon profitieren, dass Trump gewonnen hat. Im relativen Sinne werden jedoch Europa und China verlieren, ebenso wie andere Länder, die nicht Trump-freundlich sind.
Sie sprechen da insbesondere China an. Erwarten Sie eine verstärkte Blockbildung und klare Abgrenzung?
Auch die Demokraten haben diesen Kurs verfolgt, wenn auch weniger erfolgreich. Man muss verstehen, dass die USA weiter eine dominierende Kraft weltweit sein wollen – politisch, wirtschaftlich und militärisch. Das ändert sich nicht, egal ob Trump, Harris oder Biden an der Macht ist.
Es ergibt sich eine neue Ausgangslage für Investitionen. Es ist keine abrupte Veränderung, aber es wird deutlich, dass man gezielt in bestimmte Märkte und Sektoren investieren muss. Es ist wichtig, genau zu prüfen, wo diese Unternehmen ihre Geschäfte tätigen, und dabei äusserst wählerisch zu sein. Liege ich mit dieser Einschätzung richtig?
Genau, das sage ich ja die ganze Zeit. Das globale Bild wird sich wahrscheinlich nicht drastisch verändern, aber die verschiedenen Regionen, Länder, Unternehmen und Sektoren, die auf der richtigen oder falschen Seite solcher politischen Entwicklungen stehen, könnten stark betroffen sein. Seit meinem Einstieg bei Lombard Odier im letzten November haben meine Teams und ich verstärkt auf US-Aktien, US-Anleihen und den US-Dollar gesetzt und den Fokus von China abgezogen.
Welche politischen Massnahmen erwarten Sie von Trump als erstes nach seinem Amtsantritt im Januar 2025?
Trump neigt dazu, das Gegenteil von dem zu tun, was seine Gegner, insbesondere die Demokraten, umgesetzt haben. Sie können damit rechnen, dass Trump viele von Bidens Massnahmen rückgängig machen wird, ähnlich wie er es bereits bei den Initiativen von Obama getan hat. Ein zentrales Thema für ihn wird die Einwanderung sein. Trump wird vermutlich sehr streng gegen illegale Einwanderung vorgehen und die Massnahmen zur Deportation verschärfen. Dies ist zwar weniger relevant für die globalen Märkte, spielt aber innenpolitisch eine grosse Rolle.
Mit was rechnen Sie bei der Wirtschaftspolitik?
Ein weiteres Ziel wird wahrscheinlich eine Wirtschaftspolitik unter dem Motto «Make America Great Again» sein. Dazu gehören protektionistische Massnahmen wie Zölle, um den Import billiger Waren aus Europa und China zu verhindern. Drittens wird Trump sicher versuchen, die globalen Konfliktherde, insbesondere im Nahen Osten, zu entschärfen, um Amerika nicht in kostspielige militärische Engagements zu verwickeln.
Wie sieht die Ausgangslage für das Exportland Schweiz aus?
Ich mache mir keine Sorgen um die Schweiz. Als neutrales Land schafft es die Schweiz, zwischen den grossen Strömungen gut zu navigieren. Sie ist ein sicherer Hafen in einer Welt, die sich stark verändert. Ich glaube auch, dass die wirtschaftliche Erholung durch Trumps Massnahmen Schweizer Aktien und die Schweizer Wirtschaft begünstigen wird. Die Schweiz hat gezeigt, dass sie sich immer gut mit verschiedenen Regierungen und Präsidenten arrangieren und engagieren kann.
Der Schweizer Franken wird stark bleiben...
Der Schweizer Franken wird stark bleiben, da bin ich mir sicher. Seit der grossen Finanzkrise von 2009 ist der Handelsbilanzüberschuss des Landes gestiegen und die Kapitalabflüsse des privaten Sektors sind zurückgegangen, was einen natürlichen Aufwärtstrend des Frankens zur Folge hat. Wir denken, dass die Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an dieser Situation nichts ändern werden. Eine Rückkehr zu umfangreichen Franken-Verkäufen durch die Zentralbank könnte unsere Haltung ändern, scheint aber angesichts der bereits sehr umfangreichen Bilanz der SNB - über 100 Prozent des BIP - schwieriger zu sein. Wir erwarten eine Aufwertung des Schweizer Frankens und einen Rückgang des Eurokurses in Richtung 0,90 Franken.
Welche Rolle sollte Europa geopolitisch einnehmen?
Ich halte es für notwendig, dass Europa eine wichtige, moderierende und diplomatisch überbrückende Rolle zwischen den USA und China einnimmt.
Europa hat aber keine Führung…
Leider ist Europa derzeit schwach aufgestellt. Die Regierungen sind unfähig, klare Führungsrollen einzunehmen. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zeigen politische Instabilität oder Ineffizienz. Diese Schwäche könnte Europa Schwierigkeiten bereiten, wenn es auf einen starken und fordernden Donald Trump trifft. Trump wird Fragen stellen wie: «Was zahlt ihr? Was macht ihr für eure eigene Sicherheit?» Dies könnte die Spannungen in Europas Beziehungen verstärken.
Sie haben mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Finanzmärkten, und politische Wechsel wie der aktuelle haben oft grössere Auswirkungen als früher. Was sollten Anleger Ihrer Meinung nach beim Investieren beachten?
Mein wichtigster Tipp ist, auf sichere, liquide, transparente und rechtsstaatlich verankerte Werte zu setzen. Dazu gehören die Schweiz, Europa und die USA. Die Zeiten, in denen man in Emerging Markets, Russland oder ähnliche Anlageklassen investiert hat, sind vorbei. Vermeiden Sie Investitionen in Werte, die geopolitischen Risiken ausgesetzt sind, wie chinesische Anleihen, Aktien und Währungen. Bleiben Sie auf der sicheren Seite der Geopolitik und der US-Aussenpolitik.
Michael Strobaek ist Global Chief Investment Officer und Leiter Investment Solutions bei der Bank Lombard Odier, der er im November 2023 beigetreten ist. Zuvor war er bei der Credit Suisse, einem Schweizer Family Office und der UBS tätig.
Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Finanzmärkten und im Management internationaler Investment Management Operationen. Er begann seine Karriere als Aktienanalyst beim Schweizerischen Bankverein. Er besitzt einen Master of Science in Economics und Business Administration von der Copenhagen Business School in Dänemark und einen CEMS Master in Finance von der Universität Köln. Er ist CFA Charterholder und besitzt ein CEFA/AZEK-Diplom.