Das endende Jahr war für viele Autohersteller wegen der Halbleiterkrise und Lieferengpässen schwierig. Obwohl die Nachfrage vorhanden war, konnte diese nicht vollumfänglich bedient werden. Für Anlegerinnen und Anleger hiess dies aber nicht, dass Autoaktien keine Kursrenditen brachten. Die europäischen Autohersteller gewannen beispielsweise gemessen am "iShares STOXX Europe 600 Automobiles & Parts UCITS ETF (Exchange Traded Funds)" trotzdem 28 Prozent an Wert. 

Joseph Spak, Analyst bei der Royal Bank of Canada, prognostiziert für den Autosektor eine starke Erholung im Nachgang der Corona-Pandemie - diese könnte sich dank Omikron bereits 2022 in eine Epidemie abschwächen. Er schreibt in einer Notiz: "Wir glauben an eine mehrjährige Erholung, die durch die Verbesserung der Halbleiter- und Lieferkettenverfügbarkeit in Verbindung mit niedrigen Lagerbeständen und verbesserter Terminstabilität getrieben wird. Dies bietet eine solide Geschäftsgrundlage für den Autosektor." 

Spak anerkennt bei seiner Analyse die kurzfristige Volatilität in der Branche an, da Halbleiterchips immer noch knapp sind und Transportengpässe die Branche immer noch plagen. Doch die Nachfrage der Konsumenten sollte hoch bleiben - selbst wenn die US-Notenbank Fed im nächsten Jahr eine Zinserhöhung durchführt und damit die Kreditvergabe hemmen könnte. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2022 werde sich die Ausgangslage für Autoaktien nochmals deutlich verbessern. Vor diesem Hintergrund sieht Joseph Spak bei Rivian, GM und Autoliv grosses Potenzial:

Rivian – Aufwärtspotenzial von 60 Prozent

Rivian Automotive ist seit 2009 im Geschäft und arbeitet seither an der Entwicklung einer neuen Plattform, um sowohl die Hard- als auch die Softwareseite der aufkommenden EV-Technologie effizient zu nutzen. Die Grundidee besteht darin, ein flexibles Chassis mit eingebautem Elektroantrieb zu schaffen, das je nach Bedarf mit verschiedenen Batterieeinheiten bestückt und durch Karosserie- und Sitzinstallationen modifiziert werden kann.

Es ist ein ehrgeiziger Plan. Bisher hat Rivian zwei Fahrzeugmodelle in der Prototypenentwicklung: R1T ist ein leichter Pickup, während ihr R1S ein SUV ist. Beide nutzen die gemeinsame Plattform und können On- oder Offroad fahren. Das Unternehmen hat rund 71'000 Vorbestellungen für die R1 aus den USA und Kanada erhalten. Neben den beiden konsumentenorientierten Modellen arbeitet Rivian in Partnerschaft mit Amazon an der Entwicklung eines vollelektrischen Lieferwagens, der für städtische Umgebungen optimiert ist. Die Erstbestellung bei Amazon umfasst 100'000 Fahrzeuge.

Rivian hat im vergangenen Jahr erfolgreich Mittel beschafft: 2,65 Milliarden Dollar im Januar und 2,5 Milliarden Dollar im Juni. Es folgte der Börsengang im November, der Rivian einen Bruttoerlös von 12 Milliarden Dollar einbrachte. Seit ihrer Notierung war die Aktie sehr volatil, weist aber immer noch eine Marktkapitalisierung von über 96 Milliarden Dollar auf.

Kursentwicklung der Rivian-Aktien seit dem IPO Anfang November (Quelle: cash.ch).

Spak von der Royal Bank of Canada streicht bei seiner Kaufempfehlung insbesondere die Amazon-Partnerschaft hervor. Diese biete Absatzsicherheit und sei eine Art Sicherheitsnetz für das Unternehmen. Zudem seien der R1T und R1S als Produkt sehr beeindruckend und kategoriebestimmend. Spak sieht ein Kursziel von 165 Dollar als realistisch an, was ein Aufwärtspotenzial von 60 Prozent impliziert.

GM – Aufwärtspotenzial von 30 Prozent

GM ist einer der bedeutendsten Autohersteller der Welt und das Produktportfolio des Konzerns umfasst berühmte Namen wie Buick, Cadillac oder GMC. Der Aktienkurs hat seit Jahresbeginn um 37 Prozent zugelegt, obwohl die Einnahmen im Laufe des Jahres zurückgegangen sind. Unterbrechungen der Lieferkette und die weiterbestehende Halbleiterknappheit wurden vom Management als Ursachen für die durchzogenen Quartalsumsätze und -ergebnisse genannt. 

Kursentwicklung der GM-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Der Autokonzern aus Detroit bereitet sich derweil aktiv auf die Umstellung auf Elektrofahrzeuge vor. Das Unternehmen hat bereits den Chevy Bolt, einen vollelektrischen Kompaktwagen, im Angebot. Und unter seiner Unternehmensmarke BrightDrop produziert GM vollelektrische leichte Nutzfahrzeuge - Fedex hat eine Bestellung von über 500 Fahrzeugen offen. GM kündigte für die Umstellung auf Elektrofrahrzeuge am 7. Dezember eine grössere Investition in seine Aluminiumgussanlage in Bedford, Indiana, an.

Spak streicht bei seiner Kaufempfehlung für GM die prall gefüllte Produktpipline an Elektrofahrzeugen hervor: Bis 2025 sollen 30 neue Fahrzeugtypen auf den Markt kommen. Entscheidend sei aber, ob sich die neue Batterie- und Motortechnologieplattform von GM - Ultium genannt - schlussendlich als wettbewerbsfähig erweist. Der Analyst von Royal Bank of Canada glaubt daran und sieht ein Kursziel von 74 Dollar als realistisch an. Das entspricht einem Aufwärtspotenzial von 30 Prozent. 

Autoliv - Aufwärtspotenzial von 28 Prozent

Autoliv stellt als Zulieferbetrieb für die Automobilindustrie Airbags, Sicherheitsgurte, passive Sicherheitselektronik und sogar Lenkräder her. Das Unternehmen ist aber nicht nur Produzent: Das Unternehmen beschäftigt gut 5700 Mitarbeiter - fast 10 Prozent seiner Belegschaft - in Forschung und Entwicklung und verfügt über vierzehn technische Zentren auf der ganzen Welt. Die Aktien haben seit Jahresbeginn zwar 11 Prozent hinzugewonnen, doch der Kursverlauf ist durch eine starke Korrektur in den Sommermonaten gezeichnet.

Kursentwicklung der Autoliv-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

2021 war ein schwieriges Jahr für Autoliv. Die Probleme der Lieferkette haben sowohl die Materialbeschaffung als auch den Vertrieb von Produkten gestört. Infolgedessen verzeichnete das Unternehmen im dritten Quartal einen Umsatzrückgang von 9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Trotzdem ist Autoliv weiterhin auf dem besten Weg ist, den Gesamtumsatz des letzten Jahres zu übertreffen.

Joseph Spak ist zuversichtlich für Autoliv und empfiehlt den Kauf der Aktie. Der Aktienkurs werde sich dank höheren Umsätzen, Margen und Cashflow nach oben orientieren. Zudem habe das Unternehmen ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar angekündigt, was 15 Prozent der aktuellen Marktkapitalisierung entspricht. Der Analyst zurrt dabei das Kursziel bei 130 Dollar fest. Bis Ende 2022 entspricht dies einem Aufwärtspotenzial von 28 Prozent. 

Tesla - Aufwärtspotenzial von 26 Prozent

Obwohl sich der Tesla-Chef Elon Musk seit Wochen von Anteilen trennt, hat der Aktienkurs in den letzten Tagen nochmals einen Boost erhalten. Seit Jahresbeginn beläuft sich das Kursplus auf 54 Prozent. Und der Höchststand bei 1240 Dollar von Anfang November ist nicht allzu weit entfernt. 

Kursentwicklung der Tesla-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Für den Wedbush-Analyst Daniel Ives wird Tesla in den nächsten zwölf Monaten auf ein neues Rekordniveau vorstossen. Er empfiehlt den Kauf der Aktie mit einem Kursziel von 1400 Dollar. Das entspricht einem Aufwärtspotenzial von 26 Prozent.

Der Analyst erwartet, dass sich die Knappheit von Komponenten im nächsten Jahr verringert, so dass Tesla die wachsende Nachfrage in China besser befriedigen kann. Zudem würden die neuen Fabriken in Austin und Berlin die Engpässe in der globalen Produktion entlasten. Der Dreh- und Angelpunkt der Bullenthese zu Tesla bleibt aber China. Der Analyst von Wedbush schätzt, dass nächstes Jahr 40 Prozent der Lieferungen dorthin gehen werden. 

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