Die Einschätzung der Lage der Credit Suisse bereitet nicht nur den Investoren grösste Mühe, sondern auch den Bankanalysten. Das zeigt die hohe Bandbreite der Kursziele, welche in den letzten Tagen veröffentlicht wurden. Noch am Mittwoch hatten die US-Aktienanalysten von CFRA das tiefste Kursziel für die CS-Aktie mit gerade mal 3,50 Franken gesetzt. Ihrer Meinung nach kommt die Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herum.

Kian Abouhossein von JPMorgan, einer der erfahrensten Bankanalysten weltweit, prescht nun seinerseits mit einer verhältnismässig positiven Beurteilung der Credit Suisse hervor. Angesichts der massiv gefallenen Notierung senkt er zwar das Kursziel auf 6 Franken von zuvor 6,80 Franken (derzeit: 4,28 Franken). Abouhossein erhöht aber das Rating für Credit Suisse auf "Neutral" von "Underweight".

Die Credit Suisse verfüge über ein Private-Banking-Vermögen von mehr als 700 Milliarden US-Dollar, und allein die Schweizer Rechtseinheit sei etwa 15 Milliarden wert, also 140 Prozent der aktuellen Marktkapitalisierung der CS, argumentiert Abouhossein in einer Studie vom Donnerstag. 

Bewertet werde die CS an der Börse derzeit wie der Gratis-Online-Broker Robinhood oder fast gleich wie die Banque Cantonale Vaudoise. Diese habe jedoch gerade einmal 10 Prozent des Anlagevermögens der Credit Suisse. Abouhossein hält für die Credit Suisse einen Marktwert von mindestens 15 Milliarden Franken für angemessen. Die Börsenkapitalisierung fiel in den letzten Tagen zeitweise unter 10 Milliarden Franken, nun liegt sie wieder über 11 Milliarden.

Der JPMorgan-Analyst ist der Meinung, dass das Management der Bank alle verfügbaren Optionen prüfen sollte, um eine signifikante Verwässerung durch eine Kapitalerhöhung zu vermeiden. Abouhossein hält eine Kapitalerhöhung nicht für nötig. Auf Basis der Zahlen für das zweite Quartal betrachtet er die Kapital- und Liquiditätslage des Instituts als gut, betonte Abouhossein schon Anfang Woche. Der Anstieg der Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen, oder CDS) müsse im Kontext der unsicheren Konjunkturaussichten gesehen werden. 

Abouhossein rechnet weiterhin mit starken Kursschwankungen der CS-Aktie und mit viel Unsicherheit über die Konzernstrategie. Diese ist für ihn klar: Es ist Zeit für die Credit Suisse, den letzten Schritt hin zum Vermögensverwalter zu machen.