Gold wurde im letzten Jahr dem Ruf als Wertspeicher in Inflationszeiten gerecht - 13 Prozent auf über 2060 Dollar pro Feinunze ist das Edelmetall gestiegen. Da Anleger ihre Erwartungen hinsichtlich einer baldigen Zinssenkung durch die US-Notenbank Fed nun zurückschrauben, steht seit Jahresbeginn aber wieder ein Minus vor der Prozentzahl.

Die Markterwartung für die Fed-Zinssenkungen ist für den Goldpreis zentral, da diese den Dollar und die Renditen der US-Staatsanleihen mitbestimmen. Die Renditen auf zehnjährige inflationsgeschützte US-Staatsanleihen, welche als Referenz für Opportunitätskosten der Goldhaltung gelten, tendieren seit Mitte Dezember minimal aufwärts und stehen bei 1,795 Prozent. Steigt der Realzins, ist dies für den Goldpreis im Normalfall negativ. 

Negativ ins Gewicht fällt sicherlich die Dollarstärke seit Jahresbeginn. Der US-Dollar-Index, der den Wert des Dollars mit dem Währungskorb aus sechs Währungen vergleicht, hat knapp 2 Prozent gewonnen. Steigt der Dollar, so fällt der Goldpreis, da man mit jedem Dollar nun eine grössere Menge an Gold kaufen kann als zuvor.

Konjunkturabschwächung und höhere Investitionsnachfrage als Treiber

Imaru Casanova, Portfoliomanagerin beim Vermögensverwalter und ETF-Anbieter VanEck, rechnet damit, dass die Wahrscheinlichkeit einer Konjunkturabschwächung in den USA unter dem Druck der höheren Zinsen von Tag zu Tag zunimmt: «Die Inflation hat sich zwar abgeschwächt, liegt aber immer noch über dem 2 Prozent-Ziel der Fed und belastet weiterhin Unternehmen und Haushalte. Das Risiko, dass die Fed Schwierigkeiten hat, die Inflation wieder auf 2 Prozent zu senken, erscheint uns sehr real und wird wahrscheinlich unterschätzt.» Für Casanova dürfte Gold davon profitieren, wenn diese Risiken in den nächsten drei bis sechs Monaten für den Markt deutlicher sichtbar werden.
 
Und im Herbst konnte man noch beobachten, dass bei der physischen Nachfrage diejenige aus China immens war. Und insgesamt waren die Netto-Goldkäufe der Zentralbanken im letzten Jahr sehr stark. Im Gegensatz dazu war die Anlegernachfrage - historisch gesehen die wichtigste Triebfeder für einen Goldpreisanstieg - zurückgegangen. «Unserer Ansicht nach dürfte jede Art von Umkehrung der Investitionsnachfrage in den kommenden Monaten dem Gold einen beträchtlichen Auftrieb verleihen, gerade angesichts der fundamentalen Unterstützung durch den Goldpreis», prognostiziert Casanova.

Aktuell dominieren laut Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der UBS, zwei Faktoren beim Goldpreis: Die reduzierte Nachfrage der Finanzanleger aufgrund von hohen Opportunitätskosten in Form von US-Realzinsen - Gold wirft bekanntlich kein Zins ab - und damit einhergehend die Spekulation über den Zeitpunkt, wann die Fed die Zinsen senkt und somit die Anlegernachfrage «stimuliert». «Andererseits werden die Abflüsse von Gold-ETFs durch sehr starke Nachfrage von Zentralbanken kompensiert, welche aus dem Dollar raus diversifizieren wollen.»

Kurzfristig sieht Staunovo eine Korrektur beim Goldpreis, da die Markterwartungen von Zinssenkungen In USA sehr aggressiv eingepreist waren. «Wir sehen Gold bei 2250 Dollar pro Feinunze Ende des Jahres. Fallende Zinsen in den USA sollten die Nachfrage der Finanzanleger ankurbeln», fügt Staunovo auf Anfrage von cash.ch an.

Und auch geopolitisch bietet das Jahr 2024 vieles, um der Nachfrage nach sicheren Häfen wie Gold zu befeuern: Der Konflikt im Nahen Osten bleibt ungelöst, der Ukraine-Krieg hängt wie ein Damoklessschwert über Europa und Indien, Indonesien, die EU und die USA wählen - 2024 ist ein Jahr mit rekordvielen Wahlen.

Nachhaltige Gesamtkosten von 1300 Dollar pro Unze

Klar ist: Steigt der Goldpreis, werden Goldminenbetreiber interessant. Denn Aktien von Goldminenunternehmen verfügen über einen sogenannten Goldpreishebel: Ein steigender Goldpreis kann sich – zumindest kurzfristig – überproportional auf das Gewinnwachstum der Unternehmen bei festbleibenden Förderkosten auswirken. Der S&P Commodity Producers Gold Net Total Return Index hat auf Jahressicht 9 Prozent an Wert verloren. So weist auch Casanova gegenüber cash.ch auf die derzeit niedrigen Bewertungskennzahlen des Goldbergbausektors hin, sowohl im historischen Vergleich der Branche als auch im Verhältnis zum Goldpreis. 

Von den im «VanEck Gold Miners ETF (GDX)» enthaltenen Titeln hebt die Portfoliomanagerin Agnico Eagle Mines, Kinross Gold, Barrick Gold, Royal Gold und Alamos Gold hervor.  Dabei benennt sie die niedrigen Marktbewertungen und die negative Stimmung gegenüber dem Sektor, der sich finanziell und operativ in einer guten Verfassung befindet. Denn die Unternehmen verfolgen einen disziplinierten Wachstumsansatz, der sich auf die Wertschöpfung durch die Optimierung ihrer Portfolios, die Senkung der Kosten, die Verlängerung der Lebensdauer der Minen und die Suche und Erschliessung neuer Vorkommen konzentriert, während gleichzeitig die Renditen für die Stakeholder maximiert werden.

Während das kanadische Barrick Gold als grösstes Goldbergbauunternehmen der Welt wohl vielen Anlegerinnen und Anlegern bekannt ist, trifft dies auf Royal Gold wohl nicht zu: Statt selbst kostenintensiv Exploration zu betreiben, unterstützt der US-Edelmetallkonzern als «Streaming & Royalty Company» Minenbetreiber bei der Finanzierung ihrer Projekte. Im Gegenzug partizipiert Royal Gold direkt am Erfolg der Minenbetreiber. 

«Die Goldunternehmen produzieren im Durchschnitt Gold zu nachhaltigen Gesamtkosten von etwa 1300 Dollar pro Unze», so Casanova von VanEck. Zwar habe die hohe Inflation in den letzten Jahren die Gewinnspannen deutlich beeinträchtigt, doch scheinen die Kosten unter Kontrolle zu sein, und die Goldunternehmen erwirtschaften einen hohen Free Cashflow. Im Grossen und Ganzen blieben die Unternehmen diszipliniert und sind nicht bereit, die Produktion oder die Reserven um jeden Preis zu steigern.
 
Lautete der Tenor vor ein paar Jahren noch «Wachstum um jeden Preis», hat sich der Fokus nun klar in Richtung «Profitabilität» verschoben. Es bietet daher Chancen, wenn Anleger nicht nur Goldbarren, sondern auch Goldaktien in Betracht ziehen, wenn sie sich mit Gold als Investment in Betracht ziehen. Ein steigender Goldpreis hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich Goldaktien besser entwickelt haben als das Metall. Wichtig aber auch: Ein sinkender Goldpreis hingegen führt in der Regel zu einer schwachen Kursentwicklung der Minenaktien im Vergleich zum Goldpreis. 

ManuelBoeck
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