cash.ch: Die Logitech-Aktie hat seit dem Sommer über einen Drittel an Wert verloren. Es sieht so aus, als hätten auch die von Ihnen gemanagten Fonds bei der Union Bancaire Privée (UBP) die Position reduziert.
Eleanor Taylor Jolidon: Ja, es ist wahr, dass wir in unserem Small- und Mid-Cap-Fonds Logitech reduziert haben. Mittelfristig haben wir kein Problem mit Logitech, aber der Ausblick bei der letzten Zahlenpräsentation war sehr konservativ. Ein weiterer Punkt kommt dazu: Weil Logitech in den SMI aufgestiegen ist, brauchen wir nicht mehr unbedingt ein so hohes Exposure in einem Small- und Midcap-Fonds.
Was wiegt schwerer, der verhaltene Ausblick oder die Tatsache, dass Logitech jetzt ein Large Cap ist?
Wir reduzieren nicht zwingend eine Position, wenn eine Aktie in einen wichtigeren Index kommt. Dies ist ja auch eine Bestätigung dafür, weswegen man investiert ist. Kurzfristig gesehen aber muss Logitech eine Reihe von Herausforderungen meistern. Beim Ausblick wiederum sind Schweizer Firmen traditionell vorsichtiger als ausländische Firmen, vor allem in den USA, und dies begrüsse ich ja auch. Aber Logitech hat keine einfachen Quartale vor sich. Die Reaktion des Aktienmarktes gibt mir dennoch ein bisschen Rätsel auf. Es sieht danach aus, dass auch Gewinne mitgenommen wurden.
Homeoffice und hybrides Arbeiten haben Logitech starke Zahlen beschert. Wie sieht es bei den anderen Sparten aus?
Logitech ist ein viel stärkere Firma als vor sieben bis zehn Jahren. Das Unternehmen ist viel diversifizierter geworden. Gaming war während der Pandemie auch erfolgreich. Bei der der langfristigen Strategie ist mir bei Logitech immer noch sehr wohl. Dazu trägt auch der starke Cashflow bei - wir messen dies an der Kennzahl Cashflow Return on Investment (CFROI). Ein zu 2020 identisches oder verbessertes Wachstum dürften wir aber nicht mehr sehen. Investoren werden Logitech also kritischer beurteilen.
Ihre Fonds halten derzeit beliebte und sehr gut gelaufene SMI-Titel wie Sika, Lonza oder Partners Group. Kommen Sie mit deren Kurshöchstständen und Bewertungen noch klar?
Lonza und Sika haben sehr verschiedene Geschäftsmodelle. Aber beide können gemessen an den Investitionen hohe Cashflows generieren. Bei Bewertungen muss man folgendes sehen: Der Markt, wenn er die abgezinsten Cashflows berechnet, modelliert in der Regel für fünf Jahre. Viele Unternehmen können eine hohe Wettbewerbsfähigkeit über eine so lange Zeit nicht verteidigen. Lonza und Sika aber können ihre Cashflows über mehr als fünf Jahre stark halten.
Was bedeutet dies für diese Unternehmen?
Sie schaffen weiter Wert. Sika und Lonza können für ihre Branchen aussergewöhnlich hohe Cashflows generieren. Die Voraussetzungen dafür sind generell eigentlich gar nicht so gut. Lonza ist kapitalintensiv, und Sika ist ein einem fragmentierten Markt zuhause, den Baustoffen. Und doch liefern sie den langjährigen Beweis, dass sie hohe Cashflow-Renditen auf den Investitionen erreichen. Deswegen sind die Bewertungen noch so wichtig für uns wie bei Firmen, wo die Wachstumsaussichten kürzer sind.
Im Video-Interview nimmt Eleanor Taylor Jolidon eine Einschätzung zur Jahresend-Rally, zu Geldpolitik und Inflation sowie zu den Aussichten für den Aktienmarkt vor. Zum Video geht es hier. |
Sie attestieren dies Sika und Lonza, aber wie es mit der Partners Group?
Genau gleich wie bei Sika und Lonza. Die Partners Group ist natürlich nicht sehr kapitalintensiv, hat dabei hohe Margen und eine sehr gute Visibilität.
Sie erwähnten die Bauindustrie im Zusammenhang mit Sika. Der brachenverwandte Zementkonzern Holcim hat bisher kein gutes Jahr an der Börse gehabt. Liegt es an der Klimaproblematik bei der Zementherstellung?
Sika und Holcim gehören zu unterschiedlichen Bereichen der Bauwirtschaft. Sika macht ja Zusatzstoffe, Holcim den Zement selber. Die Zementherstellung wird wichtig bleiben, aber sich verändern, um heutige Klimaziele zu erfüllen. Sika kann Lösungen dafür anbieten. Holcim hat ein sehr gutes Management und bewegt sich strategisch in die richtige Richtung, aber die Transformation zu "grüneren" Baustoffen wird das Unternehmen sehr viel Geld kosten. Holcim wird sich mit neuen Regulationen auseinandersetzen müssen, die unmittelbar problematisch für das Unternehmen sein können. Bei der Cashflow-Generierung steht Holcim aus unserer Sicht schlechter da, als dies der Marktkonsens einschätzt.
Ihre grösste Fonds-Position ist Roche. Was spricht für Roche?
Wie Sie sicher schon gemerkt haben, ist in unserem Anlageprozess die Cashflow-Generierung ein zentrales Merkmal. Der Schweizer Aktienmarkt ist so lange so eine Erfolgsgeschichte gewesen, weil es viele Unternehmen gibt, die in diesem Punkt sehr erfolgreich sind. Von den drei SMI-Schwergewichten haben Roche und Nestlé diese Eigenschaft. Sie können den Markt schlagen und Wert schaffen.
Dies klingt wie ein implizit sehr kritisches Urteil zu Novartis.
Novartis ist etwas problematisch. Der Konzern hat Mühe, sehr erfolgreiche Blockbuster zu ersetzen. Pharmafirmen müssen dem Auslaufen von Patenten mit sehr starken Forschungsaktivitäten begegnen – Roche hat da eine stärkere Pipeline als Novartis. Novartis tut sich da schwerer, dazu kommen strategische Probleme. Denken Sie an den teuren Kauf von Alcon oder die Tatsache, dass unter dem vorherigen Management mehr für Marketing als für Forschung ausgegeben wurde. Die Cashflow-Generierung von Novartis erfüllt unsere Anlagekriterien nicht. Aber das Unternehmen hat auch notwendige Schritte in der Transformation eingeschlagen.
Was ändert sich für Novartis, jetzt, wo 21 Milliarden Dollar Cash durch den Roche-Beteiligungsverkauf zur Verfügung stehen?
Sehr grosse Transformations-Deals bei Pharmaunternehmen haben bisher häufig nicht gut dazu beigetragen, dass mehr Wert geschaffen wurde. Als Investorin ist man etwas beunruhigt, wenn eine Firma solche Deals abschliesst. Will Novartis eine Biotech-Firma kaufen, muss dafür eine beträchtliche Prämie bezahlt werden. Und ob dies den Wert steigern würde, steht in Frage. Ich bin nicht darüber begeistert, dass Novartis etwas zukaufen könnte.
Ein Verkauf von Sandoz könnte noch mehr Geld in die Kasse spülen.
Es ist debattierbar, ob Novartis die beste Eigentümerin für Sandoz ist. Sandoz als eigenständiges Unternehmen könnte vielleicht mehr Wert freisetzen. Sandoz hat sehr attraktive Teile, aber auch solche, die unter Druck sind. Etwa das Generikageschäft in den USA. Die Bewertung von Sandoz könnte tiefer ausfallen, als sich dies Novartis erhofft.
cash.ch fragte Leserinnen und Leser in einer Online-Umfrage, was Novartis mit dem vielen Geld tun sollte: Die Mehrheit ist entweder für Investitionen oder eine höhere Dividende. Weniger als die Hälfte sind für Firmenübernahmen oder einen Aktienrückkauf. Was ist Ihre Meinung?
In der jetzigen Lage von Novartis ist ein Aktienrückkauf für mich eine Gelegenheit, die es zu nutzen gäbe.
Investiert sind Sie auch bei Versicherungen, relativ stark derzeit Zurich. Weshalb laufen Versicherer dieses Jahr an der Börse nicht besser?
Der Grund, 2021 in Versicherungen investiert zu sein, war das starke Wirtschaftswachstum. Dies nützte dem Sachgeschäft der Versicherer und Rückversicherer, und steigende private Vermögen halfen zudem auch bei den Lebensversicherungen. Die Resultate der Versicherer waren alle sehr solide.
Aber dennoch performen die Versicherer nicht sonderlich gut.
Nein, sie performen nicht gut. Die Zinsen waren Anfang 2021 sehr tief. Die Volatilität bei den Anleihenrenditen war unerwartet hoch. Die wirkte negativ für die stark in Bonds investierten Versicherer. Sie sind also von der Anlageseite her bestraft worden. Mittelfristig aber sind Zinserhöhungen kein unmögliches Szenario. Das Tapering in den USA und eine mögliche Zinserhöhung in den USA und Grossbritannien könnte die Märkte wieder mehr in Richtung der Versicherer treiben. Auch eine Entspannung bei den Lieferkettenproblemen würde helfen. Derzeit aber profitieren Banken scheinbar mehr von der Öffnung der Wirtschaft als die Versicherer.
Würden Sie jetzt in die Grossbanken UBS und Credit Suisse investieren?
Wir sind dort nicht investiert. Die Credit Suisse musste leider ein paar Probleme angehen, die für Investoren unangenehm sind. Die Bank muss erst wieder investierbar werden. Die UBS liefert ansprechende Resultate und hat gute Vermögenszuflüsse, aber es ist etwas fraglich, ob die Kundenaktivitäten 2022 so weitergehen werden. Wir rennen jetzt nicht in Richtung eines Investments bei der UBS.
Wie sehen Sie den Schweizer Aktienmarkt im Allgemeinen?
Ich sehe keinen Grund, weshalb die Cashflow-Generierung der Schweizer Unternehmen zurückgehen sollte. Die Fähigkeit dazu sollte sich eher noch verbessern. Schweizer Unternehmen sind gegenüber den Weltmärkten viel breiter und diversifizierter aufgestellt als europäische oder amerikanische Unternehmen. In einem kleinen Land ist man mehr veranlasst als in grossen Ländern, in die Welt hinaus zu gehen.
Macht Ihnen der wieder erstarkte Franken nicht gewisse Sorgen?
Der starke Franken bringt Disziplin in die Unternehmen. Schweizer Firmen müssen investieren, damit die Produkte besser von hohen Eintrittsbarrieren profitieren. Schauen sie Industriefirmen wie eine VAT an, wo sechs Mal mehr in Forschung und Entwicklung investiert wird als bei den nächstgrösseren Wettbewerbern. Dies hilft, höhere Lohnkosten zu kompensieren. Mein Vertrauen in den Markt wächst aber auch, weil die Schweiz schon sehr gut bei ESG-Kriterien dasteht. Ausländische Anleger investieren in der Schweiz, weil die Klima-, Sozialstandard- und Unternehmenspolitik-Kriterien schon gut erfüllt sind.
Ist dies so ausgeprägt?
Viele Unternehmen unterstützen die 'grüne' Transformation: Geberit reduziert den Wasserverbrauch, Georg Fischer macht Rohre mit weniger Wasserverlust, Sensirion macht Partikelsensoren, Gurit Windrotorblätter.
Sind dies Ihre Top-Picks für 2022?
Ich nannte diese Unternehmen jetzt vor allem als Beispiele für die ESG-Kriterien. Was Stock Picking betrifft, haben wir leider das Problem, dass die Pandemie immer noch nicht endemisch geworden ist. Die Erholung ist nicht gleichmässig und es könnte noch zu bösen Überraschungen kommen. Wir richten uns immer noch nach der Pandemie aus und wie diese auf die Unternehmen wirkt. Namen, die deswegen im Moment im Vordergrund stehen, sind wegen des Themas Luftreinheit Sika oder Belimo. Bei Gesundheitsthemen setzen wir beispielsweise auf Roche mit der grossen Diagnostiksparte. Eine gewisse Repatriierung in der Medikamentenproduktion könnte kleineren Firmen wie Dottikon helfen. Das Reopening und ein Ende der Lieferkettenproblem nützt einem Unternehmen wie Kühne+Nagel in ähnlichem Masse wie einem Unternehmen wie Straumann.
Eleanor Taylor Jolidon ist bei der Genfer Union Bancaire Privée unter anderem für die Schweiz-Aktien-Fonds «UBAM Swiss Small and Mid Cap Equity» und «UBAM Swiss Equity» verantwortlich.
Im Video-Interview äussert sie sich zu den Themen Jahresend-Rally, Fed, Inflation und Börsenprognosen.