Noch bis Mittwochabend von letzter Woche galt an den Finanzmärkten das Mantra «Bad News are Good News». Bis dahin freuten sich Anleger über enttäuschende Konjunkturmeldungen. Eine mehr schlecht als recht laufende Wirtschaft würde Zinssenkungen ermöglichen - tiefe Zinsen sind in der Regel gut für die Aktienmärkte.
Doch seit den schlechten US-Wirtschaftsdaten vom letzten Freitag werden die «Bad News» tatsächlich wieder als solche wahrgenommen. Es kam zu einem Gemetzel an den Börsen.
Eine derart hohe Kursvolatilität wie in den letzten Tagen ist oftmals ein Zeichen eines Bruchs in den Finanzsystemen. Im derzeitigen Fall befürchten die Finanzmärkte ein erneutes Fehlverhalten der US-Notenbank. Hat sie die Zinswende verpasst und rutscht die US-Wirtschaft nun doch in eine Rezession? Einige Konjunkturdaten deuten darauf hin, andere nicht. Eines ist klar: Das grosszügig eingepreiste «Soft-Landing»-Szenario der Wirtschaft wird nun in Frage gestellt. Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass Änderungen in der Stimmung der Finanzmärkte mit derartigen Schwankungen einhergehen und nur in seltenen Fällen nach wenigen Tagen vorbei sind.
Da aber von Panik in den Märkten noch keine Rede sein kann, können Investoren die derzeit besseren Einstiegschancen nutzen. Dabei sollten sie in ihrer Auswahl Qualität, Stabilität und Handelsliquidität der jeweiligen Anlagevehikel beachten. Denn kommt es zu einer grösseren Korrektur oder wird eine Rezession eingepreist, schneiden Titel mit diesen Eigenschaften besser ab.
Die Kaufgelegenheiten am Schweizer Markt
Der Schweizer Markt bietet Investoren nicht nur aufgrund seiner tendenziell defensiven Struktur gute Voraussetzungen, sondern schützt die heimischen Investoren zusätzlich von den erhöhten Währungsschwankungen, denen sie ausgesetzt wären, würden sie in Aktien ausserhalb des Frankens investieren. Anhand von vier Kriterien hat cash.ch sechs Schweizer Aktien identifiziert, die nun sind nicht nur günstiger sind, sondern auch bei einer andauernden Marktkorrektur besser abschneiden sollten als der Rest: Die vier Punkte sind das Vorhandensein eines wirtschaftlichen "Burggrabens", die Veränderungen der Analystenratings während den letzten 30 Tage, das aktuelle Verhältnis zwischen «Kauf»-Ratings und «Halten/Verkaufen»-Ratings der Analysten sowie das Potenzial gemessen am durchschnittlichen Kursziel der Aktien-Experten.
Unternehmen | Burggraben | Kursrückschlag der Aktie letzte fünf Sitzungen | Veränderungen der Analystenratings der letzten 30 Tage | Verhältnis zwischen Kaufen und Halten/Verkaufen | 12-Monate-Kursziel der Analysten |
Sika | Breit | -10% | positiv | 1,9 | 20% |
Nestlé | Breit | -2% | positiv | 1,0 | 16% |
VAT | Breit | -4% | positiv | 0,6 | 25% |
UBS | Schmal | -11% | positiv | 0,9 | 12% |
Richemont | Breit | -10% | negativ | 1,4 | 27% |
Sonova | Breit | 0% | positiv | 0,5 | 8% |
Quelle: Bloomberg, Morningstar.
Ausser der UBS-Aktie verfügen alle Unternehmen über einen breiten "Burggraben", dem ersten Kriterium bei der Aktienselektion. Das heisst, das Geschäftsmodell dieser Firmen ist nicht so leicht angreifbar. Gemäss Morningstar bewältigen Konzerne mit einem Burggraben einen wirtschaftlichen Abschwung nicht nur besser, sondern erwirtschaften auch höhere Kapitalrenditen über viele Jahre hinweg. Die Breite des Burggrabens bestimmt zudem, wie lange Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens verteidigt werden können.
Wende bei den Analystenratings
Erfreulich ist bei den sechs Schweizer Aktien auch der positive Verlauf der Analystenratings in den letzten 30 Tagen. Ausser bei Richemont - die Firma wird durch ein schwieriges Umfeld im Luxussektor geplagt - vollzogen die Analysten einen Richtungswechsel und hoben ihre Empfehlungen für die Aktien an. Besonders bei Sika, VAT oder Nestlé, das seit zwei Jahren eine Wachstumsschwäche verzeichnet, kann dies Signalwirkung haben.
Auffallend dabei: Bei Sika empfehlen mittlerweile fast doppelt so viele Analysten die Aktien zum Kauf als zum Halten und Verkaufen. Nur bei Richemont finden sich fast so viele Kaufempfehlungen. Der Vergleich mit weiteren SLI-Titeln zeigt zudem, dass dieses Verhältnis aussergewöhnlich hoch ist (siehe Tabelle unten).
Die Höhe der Aktien-Kursrückschläge der letzten Handelstage im Vergleich zum durchschnittlichen Aktien-Kurspotenzial für die nächsten zwölf Monate gibt auch Auskunft über das Potenzial der einzelnen Anlagen. Ins Auge sticht dabei Richemont: Gemäss Analysten hat die Aktie ein Aufwärtspotenzial von 27 Prozent in den nächsten zwölf Monaten. Fast ebenso viel wird der Aktie von VAT zugetraut - vorausgesetzt, der Chip-Sektor kommt wie erwartet in Schwung.
Auch Sika und Nestlé weisen bis Mitte 2025 beachtliches Kurspotential auf (rund 20 Prozent). Die vergangenen Tage haben zudem gezeigt, dass Nestlé von allen Aktien des Swiss Market Index am wenigsten auf die Marktturbulenzen reagiert hat. Das Argument, das die sechs ausgewählten Schweizer Aktien auch bei einer andauernden Marktkorrektur besser abschneiden sollten als der Rest, trifft hier am meisten zu.
Unternehmen | Burggraben | Kursrückschlag der Aktie letzte fünf Sitzungen | Veränderungen der Analystenratings der letzten 30 Tage | Verhältnis zwischen Kaufen und Halten/Verkaufen | 12-Monate-Kursziel der Analysten |
ABB | Breit | -10% | negativ | 0,4 | 11% |
Geberit | Breit | -7% | negativ | 0,2 | -7% |
Givaudan | Breit | -4% | negativ | 0,3 | 1% |
Lindt&Sprüngli | Breit | -1% | positiv | 0,6 | -3% |
Novartis | Breit | -6% | negativ | 0,8 | 11% |
Partners Group | Breit | -9% | negativ | 0,9 | 18% |
Roche | Breit | -7% | negativ | 0,8 | 7% |
Schindler | Breit | -4% | negativ | 0,4 | 5% |
SGS | Breit | -7% | negativ | 0,3 | 3% |
Straumann | Breit | -5% | negativ | 0,6 | 24% |
Quelle: Bloomberg, Morningstar.
7 Kommentare
Nestle stagniert seit mehr als 20 Jahren und hält sich nur über Wasser dank massiven Aktienrückkäufen - zuletzt seit 5 Jahren vergeblich. Nestle wird noch viel weiter abstürzen unabhängig von der breiten Börsenstimmung. `Die Hoffnung stirbt zuletzt`, wenn denn. Nestle pfeift aus dem letzten Loch solange bis wieder einmal ein fähiger CEO kommt.
Nette Geschichten ohne wissenschaftlichen Hintergrund. Wer langfristig erfolgreich anlegen will, muss sich nicht von (aktuell moderaten) Korrekturen beieinflussen lassen.
Same page inbsofern, als dass die Investitionsentscheidung pro/contra eines Titels unabhängig von kurzfristigen Ereignissen getroffen werden sollte. Aber: Für die Wahl eines guten Einstiegszeitpunkts sind kurzfristige Ereignisse sehrwohl von Bedeutung, sie können darüber entscheiden ob man nach 2 Jahren mit 30% im Plus oder bei 0% steht. Beispiel: AMZN.
Genau genommen werden hier nur 2 Kriterien betrachtet: Burggraben (Kriterium 1) und Analysteneinschätzung (Kriterien 2 bis 4). Die Markttechnik fehlt und diese sieht bei allen 6 Titeln in Bezug auf die mittel- und langfristigen Trends nicht gut aus.
Selbst der Burggraben ist nicht so riesig objektiv, den würde ich auch zu 50% zur Analysteneinschätzung hinzuschlagen.
Auf der anderen Seite: Auch wir können nur einschätzen auf der Basis der uns zur Verfügung stehenden Daten und unsrem Wissen und Erfahrungen. Der Unterschied zu vielen Analysten ist allerdings, dass die meisten jener, die ihre Analyse publizierne, auf der Sell-Seite stehen, also Interesse an, sagen wir mal, positiv formulierten Analysen haben. Es gibt Untersuchungen die nachweisen, dass Sell-side Analysten signifikant und systematisch höher und besser bewerten, als Buy- oder Investment-side Analysten.
Auf technische Indikatoren würde ich mid und longterm übrigens gar nichts geben, weil die schlicht keine fundierte Aussage erlauben. Das sind in längeren Zeiträumen nur noch statistische Aussagen in der Art "irgendwann wird's runter gehen". Das aber sagt uns auch jedes fundamentale Volkswirtschaftsmodell und nennt sich Konjunktur. :-)
Bzgl. Nestlé sollte man noch erwähnen, dass das Unternehmen neben den bereits bekannten und eingepreisten Problemen (steigende Kosten können nicht vollständig weiter gegeben werden, zum Teil mengenmässige Umsatzreduktion, zum Teil wertmässig - u.a. auch wegen Währungseffekten-, Skandale und Rechtsfälle) auch noch Boykotte aus islamischen Ländern den Umsatz schmälern (es war aktuell von rund 3% zu lesen, was wohl noch nicht eingepreist ist).
Nestlé war für mich viele Jahre so etwas wie das defensive Fundament eines jeden Portfolios, ungeliebt als Firma, aber kaum zu erschüttern. Diese Zeiten sind wohl vorbei. Nestlé muss sich neu erfinden, sowohl was Strategie und Ethik betrifft, als auch das Sortiment. Die aktuelle Strategie, sich auf bestehende Cash Cows zu fokussieren, greift zu kurz, weil die Innovation und die Zukunftsmärkte fehlen. Mondelez hat da das gleiche Problem und versucht es genau gleich zu lösen. Auch das greift zu kurz. Beides sind Nahrungsmittel-Multis des letzten Jahrhunderts, die heute mit ihrem Sortiment und ihren Produkten zunehmend aus der Zeit fallen. Solange Innovation für Nestlé bedeutet, auf den Schokoüberzug einer Glacee noch ein paar Mandelsplitter zu streuen, wird Nestlé nicht aus der Sackgasse finden, in der sie sich derzeit immer tiefer reinsteuert.