Die Pleite des Hedgefonds Archegos Capital hat nicht nur die Aktie der Credit Suisse in Bedrängnis gebracht. Noch bevor letzte Woche offiziell bekannt wurde, dass sich Archegos mit hochriskanten Marktwetten ordentlich die Finger verbrannt hatte, rauschten einzelne Aktien – scheinbar ohne Grund – in den Keller. Titel wie Tencent Music, ViacomCBS und andere korrigierten um bis zu 60 Prozent.
Grund: Archegos hatte mit grossem Hebel auf zahlreiche volatile Aktien gewettet und sich dafür von Grossbanken Geld geliehen. Als der Hedgefonds in Schieflage geraten war, forderten die Banken weitere Sicherheitsleistungen, die Archegos schliesslich nicht mehr aufwenden konnte.
Die Folge war einer der wohl grössten Margin Calls der Börsengeschichte. Im Zuge dessen stiessen globale Grossbanken wie Goldman Sachs, JP Morgan oder die Deutsche Bank die von Archegos als Sicherheit hinterlegten Milliarden-Aktienpakete umgehend ab, um die Verluste zu begrenzen (die Credit Suisse liess sich fatalerweise Zeit). In sogenannten Block Trades (mehr dazu hier) wurden bis zuletzt grosse Aktienpakete abgestossen, was die betroffenen Aktien kurstechnisch weiter unten hält. Ob und wie viele dieser Block Trades noch folgen werden, ist nicht bekannt.
Graphik: Bloomberg
Massiver Anstieg von Call-Optionen
Dennoch positionieren sich Trader längst, um auf den grossen Rebound der geprügelten "Archegos-Aktien" zu wetten. Bereits am gestrigen Dienstag holten einige Titel zur Gegenbewegung aus. So holte die Aktie des chinesischen E-Commerce-Unternehmens Vipshop rund 6 Prozent auf, nachdem sie zuvor bis zu 37 Prozent korrigiert hatte. Ähnlich erging es der Aktie des E-Learning-Diensts GSX Techedu, ebenfalls aus China, die zuvor 55 Prozent eingebüsst hatte. Auf beide Aktien wurden am Markt grosse Mengen an Call-Optionen gekauft, wie Daten von Bloomberg zeigen.
Block Trades: Diese Handelsgeschäfte könnten die Credit Suisse geschädigt haben |
"Investoren, die hier Call-Optionen kaufen, wetten auf einen 'bounce back', da die Zwangsverkäufe dieser Aktien so langsam abflauen sollten", schreibt Chris Murphy, Marktstratege vom US-Finanzhaus Susquehanna, in einem Bericht. Neben einem kurzfristigen Zock könnten beide Aktien auch auf längere Sich für Anleger ein Blick wert sein. Vipshop kündigte Anfang der Woche ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von einer Milliarde Dollar an. Die wesentlich kleinere GSX Techedu will immerhin Aktien im Wert von 50 Millionen Dollar zurückkaufen.
Tencent Music als gute Einstiegsgelegenheit?
Dass die Verkaufswelle bei den 'Archegos-Aktien' gestoppt sein könnte, glaubt auch Edward Moya, Senior Marktanalyst vom US-Tradinghaus Oanda. "Die Nachwirkungen der Archegos-Pleite scheinen mittlerweile grösstenteils eingepreist zu sein", sagt er gegenüber Bloomberg.
Tencent Music setzte am gestrigen Dienstag entsprechend zur – zumindest zwischenzeitlichen – Aufholjagd an. Die Titel des chinesischen Musik-Streaming-Diensts gewannen knapp 6 Prozent, zuvor waren sie über 40 Prozent gefallen. Das US-Investmenthaus Loop Capital sieht in diesem "ungewöhnlichen Einbruch der Aktie", der einzig der Archegos-Pleite zuzuschreiben sei, auch langfristig eine "exzellente Einstiegsgelegenheit" für Anleger. "Die Ausweitung der Nutzerbasis bietet noch immer grosse Opportunitäten", schreiben die Analysten in einem Bericht. Ausserdem sei die Unternehmensstruktur der von Konkurrenten wie etwa Spotify überlegen. Zudem seien die Werbeopportunitäten des Unternehmens bis 2025 ausgesprochen gut.
Absturz bei ViacomCBS gerechtfertigt?
Steiler Anstieg, rapider Absurz: ViacomCBS-Aktie in den letzten 12 Monaten. Quelle: cash.ch
Ein möglicher Rebound-Kandidat könnte auch die US-Mediengruppe ViacomCBS sein. Die Aktie hatte im Strudel der Archegos-Debakels fast 60 Prozent eingebüsst, gewann im Handel vom Dienstag jedoch mehr als 3 Prozent und konnte so den Abverkauf vorerst stoppen. Dennoch herrschen an der Wall Street Zweifel, ob sich hier eine Einstiegsgelegenheit bietet. "Selbst mit dem Abverkauf bleiben die Aktien von ViacomCBS relativ hoch bewertet", zitiert Bloomberg das Analysehaus Argus Research.
Daniel Salmon von BMO Global Asset Management schreibt in einer Analyse, er würde bei ViacomCBS erst aktiv werden, wenn die Aktie unter 35 Dollar fällt. Am Dienstag schlossen die Titel bei 44,35 Dollar. Zuvor waren sie zwischen Anfang Jahr und Mitte März um 170 Prozent in die Höhe geschossen. Die Archegos-Pleite traf die Aktie also mitten in einem Höhenflug.
Zu den moderat abverkauften Werten gehören die der chinesischen Suchmaschine Baidu. Die Aktie verlor zuletzt "nur" 25 Prozent. Das Tech-Unternehmen befindet sich in einem langfristigen Aufwärtstrend, welcher zuvor schon vom Druck der chinesischen Regierung auf die Tech-Unternehmen an Dynamik verlor. Langfristig dürfte der jetzige Rücksetzter jedoch eine gute Kaufgelegenheit sein.