«Anderson muss jetzt Themen anpacken, die für die Aktionäre im Vordergrund stehen. Er muss jetzt klare Akzente setzen», sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Top-20-Investor Deka, der Nachrichtenagentur Reuters. «Das Haus brennt lichterloh, und er räumt erst einmal auf, anstatt die Brände zu löschen.» Seiner Ansicht nach muss sich das Restrukturierungsprogramm positiv bei Umsatz oder Kosten bemerkbar machen. «Anderenfalls wird die Geduld der Aktionäre mit dem Management auf eine harte Probe gestellt», betont Speich.

Der Pharma- und Agrarkonzern enttäuschte Investoren am Dienstag mit einem Ergebniseinbruch im dritten Quartal, erneuten milliardenschweren Wertminderungen im Agrargeschäft und der Aussicht auf einen weiteren Rückgang der Ergebnisse im kommenden Jahr. Bayer-Aktien fielen daraufhin auf ein 20-Jahres-Tief und sind seitdem weiter auf Talfahrt. Am Donnerstag markierten sie ein neues Tief bei 19,40 Euro.

Der ehemals wertvollste Dax-Konzern ist inzwischen nur noch 19,9 Milliarden Euro wert und damit viel weniger als die einst 63 Milliarden Dollar, die er für die Übernahme von Monsanto ausgab. Mit ihr holte sich Bayer eine Klagewelle in den USA wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat ins Haus, die das Leverkusener Unternehmen seit Jahren schwer belastet.

Der ehemalige Roche-Manager Anderson, der im Sommer 2023 das Ruder übernahm, war zunächst mit Vorschusslorbeeren bedacht worden. Einer Aufspaltung des Konzerns, die manche Investoren gefordert hatten, hatte er im März fürs erste eine Absage erteilt. Stattdessen setzt er auf ein neues Organisationsmodell zur Reduzierung von Bürokratie, das mit einem erheblichen Personalabbau zulasten vieler Führungskräfte verbunden ist. 5500 Stellen fielen seit Jahresbeginn weg. Doch das Agrargeschäft, das mit Monsanto massiv ausgebaut wurde, läuft schlecht. Im dritten Quartal führte dies zu hohen Wertminderungen und einem Verlust von 4,18 Milliarden Euro.

Fondsmanager Markus Manns von Union Investment hält die ersten Schritte von Anderson zwar für richtig. «Jetzt müssen dann aber auch die nächsten Schritte getan werden. Der Ausbau der Pharmapipeline und die Sicherung von langfristigem und stabilem Wachstum.» Er kritisierte, dass sich der Vorstand nicht dazu geäussert habe, wann der rückläufige Gewinntrend überwunden sei. «Der Kapitalmarkt benötigt hinsichtlich Strategie, Wachstum und Schuldenabbau dringend einen Fahrplan für die nächsten fünf Jahre, an dem das Management auch gemessen werden kann.»

Für 2025 droht Bayer das dritte Jahr in Folge mit rückläufigen Ergebnissen, obwohl Analysten beim operativen Gewinn vor Sondereinflüssen einen Anstieg von gut drei Prozent erwartet hatten. «Die Aussagen über 2025 und der extrem schwache Cashflow waren sicherlich die grössten negativen Überraschungen», urteilt Deka-Experte Speich mit Blick auf die Quartalsbilanz.

Die Analysten von Barclays forderten mehr Klarheit über den Cashflow im Verhältnis zur Schuldenlast von Bayer im kommenden Jahr. Fabian Wenner, Analyst beim Vermögensverwalter Julius Bär, äusserte sich ebenfalls besorgt über den Cashflow des Unternehmens in diesem Jahr. Speich wies darauf hin, dass die Fähigkeit zur Cash-Generierung ein wichtiger Indikator dafür sei, wann Bayer wieder in der Lage sei, die Dividenden zu erhöhen. Zum Schuldenabbau war die Dividende im Februar für die nächsten drei Jahre auf ein Minimum zusammengestrichen worden.

(Reuters)