Das signalisieren zumindest die Aktivitäten der Investmentbanker. Canaccord Genuity, der grösste Underwriter von Aktienemissionen für Unternehmen aus dem Bereich Marihuana, hat einen Chef für das europäische Cannabis-Investmentbanking ernannt. Die französische Bank Bryan Garnier & Co. hat im vergangenen Jahr begonnen, den kanadischen Sektor über einen in Paris ansässigen Analysten abzudecken. Jefferies Financial Group hat vor kurzem die Beobachtung einer Reihe nordamerikanischer Hasch-Aktien durch einen in London ansässigen Analyst gestartet.

Die Unternehmen legen die Basis für einen erwarteten Anstieg von Aktienemissionen sowie Fusionen und Übernahmen, um von der wachsenden Akzeptanz von Cannabis in Europa, insbesondere für medizinische Zwecke, zu profitieren. Das Interesse von medizinischen Cannabis-Unternehmen an einer Börsennotierung in Europa sei "erheblich", sagt Tristan Gervais, der in London ansässige Canaccord-Banker.

"Viele Unternehmen aus der ganzen Welt wollen in London Kapital aufnehmen", sagt Gervais. Sein Marktgefühl und die bisherige Erfahrung sei, dass „ein grosser Appetit bei einer Vielzahl von Anlegern besteht“. Canaccord aus Toronto hat im Juli Gervais zum Leiter des europäischen Investmentbanking für Cannabis ernannt.

Diese Einschätzung wird von anderen geteilt. Nick Davis, Chief Executive der in London ansässigen Anwaltskanzlei Memery Crystal LLP, sagte, die Beratung von Unternehmen in den Bereichen CBD und medizinisches Cannabis bei der Mittelbeschaffung sei derzeit "sein Vollzeitjob". Jede Woche gäbe es so viele Besprechungen in der Angelegenheit dass dies einen Grossteil seiner Zeit beanspruche.

Seine Firma arbeite an ungefähr 20 aktiven Mandaten. Dabei ginge es um einige bedeutende Finanzierungsprojekte und Unternehmen, die neben privater Finanzierung auch eine Notierung am jungen AIM Markt und dem Hauptmarkt der Londoner Börse anstreben. Die beteiligten Broker seien "zuversichtlich sind, dass es institutionelle Investoren geben wird, die daran teilnehmen wollen", wenn Cannabis-Unternehmen in London an den Markt kommen.

Kleiner Markt

Derzeit können institutioneller Aktienfonds praktisch nicht in den europäische Cannabis-Markt investieren. Der grösste börsennotierte Marihuana-Name der Region ist die Londoner Sativa Investments Plc mit einer Marktkapitalisierung von rund 26,8 Millionen Pfund (31,2 Millionen Euro). Kanada ist klar führend in der globalen Hasch-Branche: So kommt Canopy Growth auf einen Börsenwert von mehr als 16 Milliarden US-Dollar, Tilray und Aurora Cannabis jeweils auf mehr als 7 Milliarden US-Dollar.

Möglicherweise ist es gut, dass sich der Markt langsamer entwickelt als in Kanada, wo Cannabis für private Zwecke im Oktober legalisiert wurde. So kann die Region vielleicht ein Marktüberhitzung wie Nordamerika im letzten Herbst vermeiden.

Unternehmen in Europa beginnen jedenfalls sich zu positionieren, um vom Interesse der Investoren an Cannabis zu profitieren. Die in London gelistete Spinnaker Opportunities gab in der vergangenen Woche die Übernahme von Kanabo Research bekannt, die an Rezepturen von medizinischem Cannabisöl arbeitet und die Vertriebsrechte für einen pharmazeutischen Verdampfer besitzt. Gour Medical AG, ein in Paris ansässiges Unternehmen, das Medikamente für alternde Haustiere herstellt, hat im letzten Monat Gelder eingesammelt, um die Schwerpunktverlagerung auf medizinisches Cannabis für Tiere zu finanzieren.

StenoCare A/S ging im September in Dänemark an die Börse und plant den Anbau von medizinischem Cannabis. Der Aktienkurs von Dermapharm Holding SE kletterte am Dienstag, nachdem der in Grünwald ansässige Pharmakonzern zugestimmt hatte, eine Beteiligung an einem niederländischen Unternehmen zu kaufen, das medizinisches Cannabis für pharmazeutische Anwendungen herstellt.

Sichtbarkeit nimmt zu

Die Sichtbarkeit der Branche nimmt ebenfalls zu. Cannabis-Beratungsunternehmen Hanway Associates veranstaltet First Wednesdays, ein Networking-Event in London und Paris für Branchenkenner. Zu Beginn Mitte vergangenen Jahres nahmen rund 30 Personen an den Veranstaltungen teil, und jetzt sind es mehr als 500, sagte Hanway-Mitbegründer Alastair Moore.

Hanway steht zusammen mit der Investmentfirma European Cannabis Holdings auch hinter der Cannabis Europa-Konferenz, die letzten Monat in Paris stattfand und die im Juni nach London kommen wird. Canaccord Genuity ist einer der Partner für die Veranstaltung. Die Banker waren unter den ersten, die sich für die Networking-Möglichkeiten interessierten, sagte Moore.

"Zu Beginn waren es kleinere Finanzunternehmen, die Kanada beobachteten", sagte er. Nun ist es eine Mischung aus professionellen Dienstleistungsunternehmen, "vielen Unternehmern und vielen Kapitalgebern, die nach dem nächsten grossen Deal Ausschau halten."

Für europäische Unternehmen wird es nicht leicht sein, die kanadischen Cannabis-Giganten einzuholen. “Erfolg zu haben wird nicht billig sein", sagte Richard Beresford, Vorsitzender der Anwaltskanzlei McCarthy Denning in London. Unternehmen müssen Geld für die Erforschung der Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte ausgeben, für die Gewährleistung einer zuverlässigen Versorgung mit Cannabis, den Überblick über regulatorische Themen und für die Einstellung eines erstklassigen Beraters, um ihre Glaubwürdigkeit bei den Anlegern zu verbessern.

"Die kanadischen Cannabisproduzenten haben einen erheblichen Vorsprung gegenüber amerikanischen und europäischen Unternehmen", sagte Analyst Brett Hundley von Seaport Global Securities. Tilray, Aurora und Canopy Growth beginnen bereits in Europa mit der Produktion, "um Beziehungen aufzubauen und von einer erwarteten Vereinheitlichung des Handels in den kommenden Jahren zu profitieren."

Die Herzen und Köpfe der Investoren zu gewinnen, wird in Europa von wesentlicher Bedeutung sein.

"Bei vielen Anlegern ist medizinisches Cannabis sowohl durch die Assoziation als Droge als auch durch die Vergleiche mit dem Dot-Com-Boom und dem Kryptowährungswahn" mit einem Makel belastet, sagte Beresford von McCarthy Denning. „Es wird sich zeigen, wie schnell diese Wahrnehmungen verblassen werden und bedeutsamere Volumina an Barmittel zur Verfügung stehen.“

(Bloomberg)