«Die Gier und der Missbrauch an der Wall Street haben unsere Wirtschaft 2008 zum Einsturz gebracht. Ich werde gegen jede Gesetzgebung kämpfen, die die grossen Banken dereguliert.» Dieser Social-Media-Post von Kamala Harris aus dem Jahr 2018 könnte ein Fingerzeig darauf sein, was die Wall Street, Krypto-Unternehmen und andere Akteure am Finanzmarkt erwartet, sollte die 59-jährige Demokratin ins Weisse Haus einziehen. Auch bei US-Präsident Joe Biden steht die Finanzregulierung weit oben auf der Agenda - zum Leidwesen der Bankenbranche. Eine Präsidentin Harris dürfte diesen Kurs fortsetzen, erwarten Branchenexperten.

Harris gilt als Favoritin für eine Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, nachdem Biden aus dem Rennen ausgestiegen ist und ihr seine Unterstützung zugesichert hat. Von ihr erhofft sich die Partei höhere Chancen auf einen Wahlsieg gegen den republikanischen Kandidaten Donald Trump, der als Vorgänger Bidens der Finanzbranche grössere Spielräume liess. Ein Sieg der Tochter von Einwanderern böte keine rosigen Aussichten für die Wall-Street-Banken, die sich von der Regulierung eingeschränkt sehen. Unter Biden wurden bestimmte Kreditkartengebühren abgeschafft, striktere Kontrollen der Schattenbanken eingeführt, mehr Transparenz bei Hedge-Fonds erzwungen und die Kapitalvorgaben für Banken verschärft. Auch Kryptofirmen wurden enger an die Leine genommen. Zu Harris' Plänen in der Finanzpolitik äusserte sich ihr Sprecher nicht.

Als Generalstaatsanwältin hart gegen Banken

«Wir sind der Ansicht, dass dies das Risiko für Finanzwerte und Kryptowährungen erhöht», schreibt Jaret Seiberg, Analyst bei der Investmentbank Cowen, mit Blick auf eine mögliche Regierung der Demokraten unter einer Präsidentin Harris. Die internationalen Baseler Kapitalvorschriften für Banken würden dann finalisiert werden. Dazu kämen Anforderungen, dass Banken mehr langfristige Schulden halten sollten. Auch Grenzen für Konto-Überziehungen sowie Limits für spezielle Bank-Gebühren würden dann vorangetrieben, führte Seiberg aus.

Harris hatte als Generalstaatsanwältin von Kalifornien einen scharfen Kurs gegen Geldhäuser gefahren. Sie unterstützte etwa Kreditnehmer, die durch laxe Kreditvergabe-Praktiken der Banken vor der Finanzkrise geschädigt wurden. 2016 leitete ihr Büro eine strafrechtliche Untersuchung des Skandals um gefälschte Konten bei der Grossbank Wells Fargo ein. Als US-Senatorin stimmte Harris 2018 gegen ein Gesetz der damaligen Trump-Regierung, mit dem nach der Finanzkrise eingeführte Regeln zurückgenommen wurden. Die US-Notenbank Federal Reserve machte später diese Aufweichung der Vorschriften für den Kollaps der Silicon Valley Bank im Frühjahr 2023 mitverantwortlich.

Starke Verbraucherschutzbehörde

Als Vizepräsidentin kündigte Harris 2023 eine Initiative der Verbraucherschutzbehörde CFPB an, um unbezahlte Arzt- und Behandlungsrechnungen armer Amerikaner aus den Kreditberichten der Auskunfteien zu entfernen. Harris unterstützte zudem einen Vorstoss der Behörde, der vorsieht, dass Hypotheken-Dienstleister in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Kreditnehmern helfen sollen. Grosse Banken haben das CFPB unter seinem von Biden nominierten Direktor Rohit Chopra wiederholt scharf kritisiert. Sie sind sogar vor Gericht gezogen, um mehrere Vorschriften der Behörde wieder rückgängig zu machen.

Dieser Machtkampf würde BTIG-Analyst Boltansky zufolge unter Harris weitergehen. Der CFPB-Direktor sei dem Präsidenten unterstellt. Eine Demokratin im Weissen Haus würde Chopra grosse Freiheiten im Umgang mit den Themen Kreditkarten, Zahlungsunternehmen, BigTech-Firmen und allem anderen einräumen, mit dem sich die Behörde beschäftige.

Zu den prominenten progressiven Demokraten, die Harris unterstützen, gehört die Senatorin Elizabeth Warren, die Bidens Agenda zur Finanzregulierung mitgestaltet hat. Warren hatte in der Vergangenheit nicht gezögert, Parteifreunde zu kritisieren, die aus ihrer Sicht zu nachgiebig gegenüber Wall-Street-Firmen agierten. Harris habe in der Vergangenheit eine harte Haltung gegenüber Banken eingenommen, erzählt ein ehemaliger Regierungsmitarbeiter. Beim Thema Finanzregulierung sei sie aber nicht ganz so links wie Warren.

(Reuters)