Beim Blick auf den rasant gestiegenen Börsenwert von Tesla rieben sich Manager traditioneller Autobauer in den vergangenen Tagen erstaunt die Augen. Hinter der Aktienrallye steckt zwar viel Fantasie und Hoffnung auf die Zukunft. Der Kursanstieg ist aber auch ein Abbild des Umbruchs, den die Automobilindustrie durchläuft und der die Branche gravierend verändern wird.

Der US-Konzern aus dem Silicon-Valley hat seine E-Autos von Grund auf neu entwickelt und von Anfang an auf die Vernetzung mit dem Internet gesetzt. Während die meisten Konkurrenten sich mühsam vom Verbrenner verabschieden um CO2-Strafen zu vermeiden, und Software bei ihnen nur langsam Einzug hält, hat sich Tesla einen gewaltigen Vorsprung erarbeitet.

Die anderen Autobauer drohen abgehängt zu werden, wenn sie sich nicht gehörig sputen. Das hat auch Volkswagen-Chef Herbert Diess in seiner Rede unlängst vor Managern des Wolfsburger Konzerns betont, als er an das Schicksal von Nokia erinnerte - der finnische Mobilfunkriese war beim Wandel hin zu Smartphones auf der Strecke geblieben. "Wenn wir in unserem jetzigen Tempo weitermachen, wird es sogar sehr eng", mahnte Diess.

Auto ist Teil des Internets

Das Auto sei nicht länger nur Transportmittel, sondern Teil des Internets, ständig online. Es werde weit mehr Daten liefern als ein Smartphone, aber auch mehr Informationen, Dienste, Sicherheit und Komfort aus dem Netz ziehen. "Wenn wir das sehen, verstehen wir auch, warum Tesla aus Sicht der Analysten so wertvoll ist", sagte Diess. "Die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei", lautet seine Analyse.

Sajjad Khan, bei Daimler zuständig für digitale Produkte und Mobilität, glaubt, dass das Rennen zwischen Technologieunternehmen und Automobilherstellern offen ist: "Die Frage für uns alle ist, ob diese Unternehmen das Wissen, das wir seit über 130 Jahren erarbeitet haben, in kürzerer Zeit für sich nutzen können, als wir uns das Wissen über die Software aneignen können."

Software hat in der Autoindustrie mittlerweile eine zentrale Bedeutung. Volkswagen hat seine Aktivitäten auf diesem Feld in einer Car-Software-Einheit gebündelt, in der bis 2025 mehr als 10'000 Fachleute arbeiten sollen. Ziel ist, ein eigenes Betriebssystem für Fahrzeuge aller Konzernmarken zu entwickeln. "Der Erfolg der Car.Software Org entscheidet über die unsere Zukunft!", betont Diess.

Das Gehirn des Autos

Mit den Technologien für autonomes und unfallsicheres Fahren wird die schnelle Datenverarbeitung immer wichtiger. Sie sorgt dafür, dass Sensoren für Radar, Ultraschall und Kameras miteinander kommunizieren können. Software wird dafür benötigt, dass sich ein Roboterauto ein Bild machen kann - etwa, wenn ein Kind über die Strasse läuft. Das System muss blitzschnell die Laufrichtung des Kindes errechnen und Lenkung und Bremsen so einsetzen, dass ein Unfall vermieden wird. Dabei ist die effiziente Verarbeitung der Daten entscheidend. Ein einziger Videosensor etwa muss in der Lage sein, auf nur einem Kilometer Fahrstrecke 100 Gigabyte zu verarbeiten.

Software steuert zudem das Batteriemanagement, das über die Reichweite von Elektroautos entscheidet. Dabei kommt es darauf an, nicht nur den Antrieb zu versorgen, sondern eine ganz Menge konkurrierender Energieverbraucher im Auto so zu managen, dass der Akku möglichst lange hält. Dazu gehören Klimaanlage, Sitzheizung, Infotainment und Sensoren, die Bilderkennung für teilautonomes Fahren, die Kühlung der Batterie oder die Entriegelung des Autos.

Tesla mit Vorsprung dank Big Data

Das Batteriemanagement von Tesla gilt in der Branche als vorbildlich. Das fällt besonders ins Gewicht, weil die Leistung von Batterien nach ein paar Jahren abnimmt. "Fast alle Tesla-Fahrzeuge haben auch nach 200'000 bis 300'000 Kilometern oder nach vier bis fünf Jahren noch eine Batteriekapazität von mehr als 90 Prozent", schrieben die UBS-Analysten in einer Studie.

Software kann zur Analyse von Daten mit Hilfe künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen dazu eingesetzt werden, die Reaktionsfähigkeit selbstfahrender Autos und die Reichweite zu verbessern. Tesla ist nach Meinung von Experten auch auf diesem Gebiet schon sehr weit. "Die Tatsache, dass Tesla über Fahrzeuge verfügt, von denen jedes permanent online ist, ist natürlich zunächst einmal ein grosser Vorteil gegenüber Herstellern, die das nicht haben", sagt Bosch-Geschäftsführer Volkmar Denner. Denn dadurch erhält Tesla Zugang zu grossen Datenmengen, sowohl von seinen Fahrzeugen als auch von seinen Kunden. Das ist in der digitalen Welt von grossem Wert.

Die andere Denkweise von Tesla

Jürgen Schenk, einst Manager bei Daimler und mittlerweile Berater, ist von der Schnelligkeit des US-Konzerns beeindruckt. "Die Geschwindigkeit, mit der Tesla neue Lösungen umgesetzt hat, war der unseren überlegen", sagt Schenk, der vor einigen Jahren mit den Amerikanern an gemeinsamen Projekten gearbeitet hat. Der Kulturunterschied werde an der Autobatterie besonders deutlich.

Während deutsche Ingenieure alles verstehen und testen wollten und das Auf- und Entladen mit mathematischen Risikoformeln simulierten, gingen Tesla-Ingenieure den direkten Weg: "Wo ist hier das Problem? Wenn es nicht funktioniert, geben wir dem Kunden eine neue Batterie." Tesla habe die Philosophie, dass man etwas laufend verbessern könne, ohne dass es von vornherein perfekt sein müsse. "Man darf es überarbeiten", gab Schenk seine Erfahrungen mit Tesla wieder. Ingeniere der Daimler-Tochter Mercedes-Benz seien dagegen dem Motto verpflichtet: "Das Beste oder nichts".

(Reuters)