An der Börse haben die Richemont-Aktien in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres und zum Beginn des laufenden Jahres einen Steigerungslauf hingelegt. Sowohl der Verkauf der Online-Tochter Yoox-Net-A-Porter (YNAP) als auch die besser als erwartet ausgefallenen Wachstumszahlen liessen den Kurs in die Höhe klettern. Seit Anfang Jahr hat der Kurs fast 14 Prozent zugenommen.
Der Luxusgütermarkt hat im vergangenen Jahr einen Boom erlebt. Dies, nachdem sich das Geschäft zuvor vom Corona-Einbruch gut erholt hatte. Auch die Verkäufe des Genfer Schmuck- und Uhrenkonzerns Richemont mit Marken wie Cartier, Piaget oder IWC kletterten in die Höhe.
Schwierig, Vorjahresumsätze zu übertreffen
Hatte in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/23 ein Wachstum von organisch 16 Prozent resultiert, rechnen Analysten fürs Weihnachtsquartal erneut mit einem knapp zweistelligen Zuwachs.
Für Richemont wird es jedoch von Quartal zu Quartal schwieriger, die hohen Vorjahresumsätze zu übertreffen. Die Latte liegt mittlerweile sehr hoch. Das zuletzt kräftige Wachstum ist vor allem auf die starke Nachfrage in den USA zurückzuführen. Der US-Markt dürfte für Richemont wohl auch im dritten Quartal, mit Europa und Japan, Treiber des Wachstums gewesen sein. Umso mehr, da die Corona-Einschränkungen in China das Geschäft im "Reich der Mitte" weiterhin belasteten.
Mit Blick auf die Zahlenpublikation gilt zu bedenken, dass Richemont die Einnahmen der Online-YNAP nicht mehr im Gruppenumsatz berücksichtigt. Richemont wird YNAP an den britischen Onlinehändler Farfetch übergeben und in den eigenen Büchern nur noch als "assets held for sale" erfassen. Analysten gehen davon aus, dass der vergleichbare Konzernumsatz im dritten Quartal aus dem Vorjahr 2021/22 ohne YNAP bei knapp 5 Milliarden Euro liegen dürfte.
Im Rahmen einer komplexen Finanztransaktion tritt Richemont eine Kontrollmehrheit an YNAP in Höhe von 50,7 Prozent an Farfetch (47,5 Prozent) und den arabischen Investor Mohamed Alabbar (3,2 Prozent) ab. Die restlichen YNAP-Anteile bleiben vorerst im Besitz von Richemont, wobei Farfetch eine Kaufoption dafür hat. Richemont wiederum erhält Farfetch-Aktien, was zur Folge hat, dass Richemont mit 10 bis 13 Prozent an den Briten beteiligt sein wird.
China-Geschäft bleibt zentral
Geschäftsziele kommuniziert Richemont traditionell nicht. Investoren hoffen auf weitere Aussagen dazu, wie sich das Geschäft in China im Zuge der Corona-Lockerungen entwickelt. Im November erklärte Finanzchef Burkart Grund anlässlich der Vorlage der Halbjahreszahlen noch, dass die Marktlage in China für die gesamte Branche angespannt sei. Und Präsident Johann Rupert hatte davor gewarnt, dass sich das China-Geschäft auch nach einer Öffnung nur schleppend erholen dürfte.
Die Schweizer Uhrenhersteller reiten derweil auf einer Erfolgswelle. Im vergangenen Jahr hat die Branche in Franken gemessen so viele Uhren wie noch nie ins Ausland exportiert. Die Uhrenexporte knackten den Rekord aus dem Jahr 2021 bereits nach elf Monaten: Sie kletterten um 12 Prozent auf 22,8 Milliarden Franken. Die Zahlen fürs Gesamtjahr werden am 24. Januar kommuniziert.
Das starke Wachstum war erneut auf die sehr gute Entwicklung des Geschäfts mit teuren Uhren zurückzuführen, wo auch die Marken der Richemont-Gruppe zu finden sind. In den Monaten Oktober und November beispielsweise kletterten die Uhrenexporte im obersten Preissegment um knapp 14 Prozent in die Höhe, während die gesamten Ausfuhren um 8,8 Prozent zulegten.
Im ersten Halbjahr 2022/23 (per Ende September) stieg der Umsatz von Richemont aus dem weitergeführten Geschäft um 24 Prozent auf 9,68 Milliarden Euro. In Lokalwährungen gerechnet legten die Verkäufe um 16 Prozent zu. Der Betriebsgewinn (EBIT) kletterte um gut ein Viertel auf 2,72 Milliarden Euro und die EBIT-Marge verbesserte sich 0,3 Punkte auf 28,1 Prozent. Der YNAP-Verkauf an Farfetch löste in der Richemont-Rechnung einen hohen Abschreiber aus. Gemeinsam mit weiteren Faktoren belastete die Transaktion die Halbjahresrechnung mit 2,9 Milliarden Euro, was unter dem Strich zu einem Halbjahresverlust von 766 Millionen Euro führte. Darauf hatte Richemont die Analystengemeinde jedoch vorbereitet.
Gemäss Auswertung der Nachrichtenagentur AWP empfehlen 17 Analysten die Aktie zum Kaufen, fünf sprechen sich für ein "Halten" aus, fünf raten zu Verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel beläuft sich auf 139,7 Franken. Der heutige Kurs ist 136,4 Franken.
(AWP/cash)