Um einen Schlussstrich unter das "Annus horribilis“ zu ziehen, sagte der CEO von Alecta im März, Schwedens grösster Pensionsfonds, müsse man die Dinge besser machen. Es war gelinde gesagt eine Untertreibung auf die schlechte Performance in 2023. Der Fonds verwaltet etwa 118 Milliarden Dollar an Altersvorsorgeguthaben für ein Viertel der schwedischen Bevölkerung.

Alecta geriet im März 2023 ins Rampenlicht, als sich herausstellte, dass seine Investitionen in eine Handvoll Regionalbanken in den USA wertlos waren. Aber das war erst der Anfang der schlechten Nachrichten. Dem Verlust in Höhe von 2 Milliarden Dollar folgten eine schwächelnde Immobilienwette beim schwedischen Vermieter Heimstaden Bostad, Es folgte eine enorme Abschreibung, eine strafrechtliche Untersuchung und Untersuchungen durch die Finanzaufsichtsbehörde.

Zu den Turbulenzen trugen zudem zahlreiche Abgänge im Management bei, da der Fonds zunächst versuchte, die Krise durch eine Personalbereinigung einzudämmen. Anfang 2024 sorgten zwei gescheiterte Versuche, einen neuen Vorsitzenden zu ernennen, um den Ruf des Fonds wiederherzustellen, für noch mehr Peinlichkeit. Am 22. März sagte der Wirtschaftsprüfer von Alecta, Vorstandsmitglieder und Führungskräfte sollten nicht persönlich für Entscheidungen verantwortlich gemacht werden, die zu Fehlinvestitionen führten. Eine endgültige Entscheidung wird auf der Jahreshauptversammlung im April getroffen.

Nachfolgend eine Chronologie der Ereignisse und eine Einordnung.  

So hat sich die Krise der Silicon Valley Bank auf einen schwedischen Fonds ausgeweitet?

Anfang der 2010er-Jahre beschloss die Führung von Alecta angesichts der extrem niedrigen Zinsen im Zuge der Finanzkrise, die Allokation des Fonds in US-Aktien zu erhöhen. Innerhalb weniger Jahre befand sich ein Fünftel des 44 Milliarden US-Dollar schweren Aktienportfolios von Alecta in amerikanischen Unternehmen, ein Anstieg gegenüber null im Jahr 2012. Anstatt ein breites Portfolio zu haben, das Benchmark-Indizes widerspiegelte, bestand die Strategie darin, sich auf einige wenige handverlesene Anlagen zu konzentrieren, um überragende Renditen zu erzielen im Vergleich zur Konkurrenz.

Im Jahr 2016 eröffnete Alecta eine Position in der Signature Bank, einer Arbeiterbank, die sich später auf Kryptowährungen konzentrierte. Drei Jahre später kamen die Start-up-freundliche Silicon Valley Bank sowie die First Republic Bank hinzu, die sich auf Private Banking für vermögende Kunden spezialisierte. Nach Angaben von Bloomberg war es Ende 2022 der fünftgrösste Eigentümer von SVB und First Republic und der sechstgrösste Eigentümer von Signature. Alles spitzte sich im März 2023 zu, als die SVB einem Bank Run erlag und zur grössten US-Bank wurde, die seit 2008 in Konkurs ging. Innerhalb weniger Tage wurde Signature von den Aufsichtsbehörden geschlossen und First Republic brach schliesslich im Mai 2023 zusammen.

Einfluss der Bewertung von Heimstaden Bostad

Alectas grösste Einzelbeteiligung ist eine Beteiligung von knapp 40 Prozent an Heimstaden Bostad, in die im Laufe der Jahre 50 Milliarden Kronen oder rund 4,1 Milliarden Franken investiert wurde. Das paneuropäische Wohnimmobilienunternehmen wurde bereits 2013 in Zusammenarbeit mit Heimstaden mit der Absicht gegründet, den Anteil realer Vermögenswerte mit langfristigen und stabilen Cashflows zu erhöhen.

Doch nachdem höhere Zinsen zu hohen Abschreibungen auf den Immobilienwerten eintraten, geriet Heimstaden Bostad in Schwierigkeiten und Alecta kürzte den Wert der Beteiligung schliesslich um ein Viertel. Das andere Problem mit der Beteiligung ist laut Alecta eine unausgewogene Aktionärsvereinbarung, nach der das Unternehmen nur den Status eines Juniorpartners beim Betrieb von Heimstaden Bostad hat. Der Vertrag zielt auf Komplexität ab, doch die Sorge von Alecta und anderen Minderheitsaktionären wie dem schwedischen Versicherungskonzern Folksam besteht darin, dass sie nicht genügend Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung des Vermieters erhalten.

Reputationsschaden als Folge

Der Reputationsschaden von Alecta war erheblich und führte bis 2023 zu einer Abwanderung von Managern, da der Fonds darum kämpfte, die Krise einzudämmen. Anfang 2024 verpatzte Alecta zwei Ernennungen zum Vorsitzenden: Zunächst schlug sie den ehemaligen Gouverneur der dänischen Zentralbank Lars Rohde vor, verzichtete jedoch eine Woche später auf ihn und verwies auf einen Interessenkonflikt wegen seiner bevorstehenden Rolle im Vorstand der Nordea Bank. Carina Akerstrom, eine der bekanntesten Finanzmanagerinnen des Landes, wurde dann eingestellt – kündigte jedoch nach etwas mehr als einer Woche ihren Job. (Diesmal war es sie, die einen Interessenkonflikt anführte.) Die Anlageverfahren des Fonds haben auch die Aufmerksamkeit der schwedischen Finanzaufsichtsbehörde und der Staatsanwaltschaft auf sich gezogen, und drei Ermittlungen laufen. Die Regierung hat ausserdem eine Überprüfung der sechs sogenannten AP-Fonds eingeleitet, die seit 1960 schwedische Altersvorsorgeguthaben im Auftrag des Staates verwalten.

Eine sich in die Länge ziehende Untersuchung

Im Mai leitete die Finanzaufsichtsbehörde Finanzinspektionen eine Untersuchung der Risikomanagementsysteme von Alecta ein, nachdem dessen Wetten auf US-Banken gescheitert waren. Im September wurde mit der Prüfung der Investition in Heimstaden Bostad begonnen. Alecta hat in beiden laufenden Fällen uneingeschränkte Zusammenarbeit zugesagt. Im November verwies die Aufsichtsbehörde Alecta an die Staatsanwaltschaft, und die Nationale Antikorruptionseinheit ermittelt gegen den Fonds wegen möglicher Bestechung und schwerer Illoyalität gegenüber dem Auftraggeber im Zusammenhang mit seiner Investition.

Die Öffentlichkeit nimmt das Thema mittlerweile gelassen

Nach einem anfänglichen Aufschrei über die schlechten Wetten ist die Saga in der schwedischen Öffentlichkeit mittlerweile wieder zur Tagesordnung übergegangen. Einerseits übertreffen die Renditen von Alecta längerfristig die der Mitbewerber, und es gab keine Auswirkungen auf die Rentenzahlungen. Angesichts der einzigartigen Situation, dass das Unternehmen im Besitz seiner Kunden ist – vertreten durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände – gibt es ausserdem keinen einzelnen Eigentümer, der die Kontrolle übernehmen kann.

Jagd nach Rendite hat sich nicht bewährt 

Alecta muss einen geeigneten Kandidaten für den Vorsitz finden, der auch bereit ist, den Posten anzunehmen, die Situation zu beruhigen und mit der Wiederherstellung des Vertrauens zu beginnen. Das könnte schwierig werden, bis die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzaufsichtsbehörde abgeschlossen sind.

Der Pensionsfonds muss ausserdem die Gespräche mit dem Mehrheitsaktionär von Heimstaden Bostad, Ivar Tollefsen, über die Aktionärsvereinbarung abschliessen und entscheiden, ob das Unternehmen bereit ist, mehr Mittel in die Immobiliengesellschaft zu stecken, wenn eine Kapitalbeschaffung notwendig wird. Alecta führt ausserdem eine Sammelklage gegen First Republic, um zu sehen, ob das Unternehmen die Verluste wiedergutmachen kann, obwohl das wahrscheinlich Jahre dauern wird. Intern arbeitet das Unternehmen an einem Verbesserungsprogramm, um Governance, Risikomanagement und Kultur zu überarbeiten.

Für das schwedische Rentensystem ist das Debakel eine Lehre über die Risiken einer Konzentration von Investments bei der Jagd nach hohen Anlagerenditen.

(Bloomberg/Alecta)