Die Bewertung des Nasdaq 100 stellt die übrigen westlichen Börsen in den Schatten. Gleichzeitig überrascht die niedrige Bewertung des Schweizer Marktes. Die US-Technologiebörse handelt derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) gemäss Daten von LSEG von 36, während die Schweizer Börse gemessen am Swiss Performance Index mit einem KGV von knapp 12 bewertet wird.

Zwar ist die Bewertungskennzahl als schlechter Timing-Indikator allgemein bekannt, bei der Projektion der zukünftigen langfristigen Renditen ist das KGV hingegen unschlagbar. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der US-Grossbank JPMorgan zeigt, dass keine Korrelation zwischen den einjährige Renditen im S&P 500 und dem Bewertungsniveau besteht. Werden hingegen die auf das jeweilige Bewertungsniveau anschliessenden zehnjährigen Renditen verglichen, ist der Zusammenhang eindeutig.

Je nach Quelle und Berechnungmethodik fällt die Höhe der zukünftigen Renditen unterschiedlich aus. Gemäss JPMorgan dürfte der durchschnittliche Ertrag in der nächsten Dekade bei jährlich etwa 0 Prozent liegen. Geht es nach dem Hedgefonds-Manager John P. Hussman, der sein Berechnungsmodell an der Bewertungsmethodik von Warren Buffett orientiert, wird die S&P-500-Rendite bei etwa minus 5 Prozent liegen. Der Nasdaq 100 dürfte derweil aufgrund seiner Höherbewertung gegenüber dem S&P 500 tiefere Renditen erzielen.

Ein derartiges Auseinanderklaffen der Bewertungen des Nasdaq und Schweizer Markt gemessen am Swiss Performance Index gab es ausser in den Jahren 1999 und 2000 noch nie. Gleichzeitig geben diese Extreme die längerfristige Richtung vor: Der Nasdaq mit einer relativen Unterperformance, der Swiss Performance Index mit einer relativen Überperformance.

Diese Ausgangslage eröffnet Anlegern interessante Möglichkeiten. Besonders in den beiden Szenarien, dem Platzen der Technologieblase oder dem erneuten Comeback der Value-Aktien dürfte die Schweizer Börse dem US-Pendant davonziehen.

Bewertungsdifferenzen ausnutzen ohne auf die Richtung der Märkte zu setzen

Die geeignetste Form, diese Bewertungsdiskrepanz zu nutzen, ist mithilfe einer Long/Short-Strategie. Dabei wird beim Nasdaq auf fallende Kurse und beim Schweizer Markt auf steigende Kurse gesetzt. Veränderungen der beiden Bewertungsniveaus führen zu einem Gewinn oder Verlust der Strategie - unabhängig von steigenden oder fallenden Märkten. Die Beispiele der geplatzten Dotcom-Blase und der Ära der Value-Aktien verdeutlichen dies.

Nach dem Platzen der Dotcom-Blase legte der Preis dieser Strategie von 2000 bis 2002 um 264 Prozent zu. Grund dafür war ein Marktcrash im Nasdaq von etwa 75 Prozent. In der gleichen Zeit verlor der Swiss Performance Index (SPI) nur 12 Prozent.

Nach der Dotcom-Episode wurden Wachstumsaktien über mehrere Jahre mehrheitlich gemieden. Value-Aktien feierten nach mehr als einem Jahrzehnt als Nebenrolle ein Comeback. Die Überperformance von Value-Aktien gegenüber Wachstumstiteln von 2003 bis 2007 liess den Wert der Anlagestrategie um etwa 35 Prozent ansteigen. Während der Nasdaq 100 in der Zeit um über 50 Prozent stieg, betrug die Gesamtrendite des SPI über 105 Prozent.

In den Jahren seit der Finanzkrise und während einer kurzen Phase von Ende 2002 bis Anfangs 2003 funktionierte die Long/Short-Strategie nicht. Ein weiterhin starker Anlegerfokus auf Wachstumsaktien würde die Bewertungsdifferenzen vergrössern. Auch im Umfeld einer aussergewöhnlich hohen Marktvolatilität - so wie es im Nachgang des Marktcrashes von 2002 der Fall war - dürfte die Strategie zu Verlusten führen. Der Nasdaq ist deutlich volatiler als der SPI und holt grosse Kurskorrekturen schneller auf.

Nicht nur mit komplexen Strukturen umzusetzen

Es gibt mehrere Wege diese Anlagestrategie umzusetzen. Die einfachste Variante ist der Kauf von zwei ETFs. Die «Long»-Seite wird mit einem ETF auf den SPI, wie beispielsweise dem «SPICHA»-ETF der UBS, abgedeckt. Das «Short»-Geschäft wird mit einem inversen ETF auf den Nasdaq 100, wie beispielsweise dem «PSQ»-ETF, gemacht. Ein inverser ETF gewinnt, wenn der zugrundeliegende Wert verliert.

Mit dem Gewichten der jeweiligen Strategie-Seite können Investoren Risiken eingrenzen oder Renditen erhöhen. Wird die Short-Seite übergewichtet, wird die Rendite in einem Marktkorrekturszenario höher ausfallen. Hingegen ist das Risiko bei einem erneuten Bewertungsausbau des Nasdaq 100 höher.

Wird die Long-Seite übergewichtet, wird im Fall einer Überperformance der Value-Aktien und weiterhin steigenden Märkten die Rendite des SPI-Investments erhöht. Für den Fall, dass die Nasdaq-Bewertung ein weiteres Jahr ansteigt, dürfte das Risiko gegenüber dem obigen Fall tiefer sein. 

Um bereits bestehende Portfolio weiter zu diversifizieren, eignet sich diese Strategie besonders. Sie orientiert sich nicht an der generellen Marktrichtung, an die passive Portfolios gebunden sind, sondern erwirtschaftet den Gewinn durch die relative Bewertungsnormalisierung.

Luca_Niederkofler
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