Der Schweizer Versicherer Baloise steht unter Zugzwang. Die Investorenveranstaltung am Donnerstag sehen Aktionäre als letzte Chance für den Verwaltungsrat, die Anleger hinter sich zu scharen. «Der Kapitalmarkttag ist entscheidend», erklärt ein Top-20-Aktionär, der nicht namentlich genannt werden wollte. «Sie müssen ein Signal senden, dass sie bereit sind, etwas zu ändern und einen Gang hochzuschalten. Sie müssen aktionärsfreundlicher werden.» Sollte dies nicht gelingen, dürfte Cevian die Muskeln spielen lassen. Der Finanzinvestor, der schon bei einer ganzen Reihe von Versicherern Einfluss genommen hat, ist durch eine Aufstockung seines Anteils auf 9,4 Prozent zum grössten Aktionär des Basler Konzerns aufgestiegen.

Baloise betreibt mit rund 8000 Mitarbeitern neben einem Sach- und Lebensversicherungsgeschäft auch eine Bank und ist in der Vermögensverwaltung tätig. Doch viele Investoren stehen dem 160 Jahre alten Unternehmen kritisch gegenüber. In den vergangenen drei, fünf und zehn Jahren fiel der Gesamtertrag (Total Return) der Aktie einschliesslich der für die Anleger wichtigen Dividenden schlechter aus als bei anderen in der Schweiz tätigen Versicherern wie Allianz, Zurich, Axa, Generali, Swiss Life oder Helvetia. Auch bei Schlüssel-Kennzahlen wie dem Gewinnwachstum oder der Eigenkapitalrendite hinkt Baloise hinterher.

Anleger sehen einen Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und den ungewöhnlichen Statuten, die Baloise für lange Jahre zur praktisch uneinnehmbaren Festung für aktivistische Investoren machten. Im April sprachen sich die Anleger dann aber für den Vorschlag des Aktionärs zCapital aus, die bestehenden Stimmrechtsbeschränkungen aufzuheben. Nun können Aktionäre viel einfacher Veränderungen durchsetzen. «Der Baloise-Verwaltungsrat hat sehr gut gelebt mit der Stimmrechtsbeschränkung», sagt ein weiterer grösserer Aktionär. «Das war eine Wohlfühl-Oase. Die Abschaffung war ein hartes Erwachen.»

Deutschland «Dringendstes Thema»

Im März leitete Konzernchef Michael Müller zwar eine zaghafte Kurskorrektur ein und kündigte an, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Die Investitionen in Jungfirmen, die etwa Reparatur-, Umzugs- oder Putzservices anbieten, sollen gestoppt werden. Der Versicherer hat seit 2017 insgesamt rund 350 Millionen Franken in solche Start-ups investiert - Geld, das für Ausschüttungen an die Aktionäre fehlte.

Baloise will am Donnerstag mittelfristige Finanzziele bekannt geben, Analysten rechnen aber auch mit neuen Sparvorgaben. Vor drastischeren Schritten ist der Verwaltungsrat um Präsident Thomas von Planta bisher zurückgeschreckt. Aktionäre etwa fordern den Ausstieg aus Deutschland. Während Baloise im attraktiven Heimmarkt gemessen am Prämienvolumen in der Nichtlebensversicherung die Nummer sechs und der drittgrösste Lebensversicherer ist, rangiert der Konzern im wesentlich härteren deutschen Markt weit hinten: Die Aufsicht BaFin listet Baloise in der Unfall- und Haftpflichtversicherung auf Rang 28 und in der Lebensversicherung auf Rang 36.

«Da muss Baloise raus. Das ist das dringendste Thema», erklärt der Top-20-Aktionär. Er sieht allerdings noch weiteren Handlungsbedarf. In der Schweiz könnte Baloise das Geschäft mit der beruflichen Vorsorge so aufstellen, dass mehr Kapital freigesetzt werde. Eine Bank brauche Baloise ebenfalls nicht. Und im Benelux-Geschäft müssten die Kosten sinken.

Nicht zimperlich

Auch Andreas Brun, Aktienanalyst bei Vontobel Investments, würde den Hebel beim Portfolio im Ausland ansetzen: «Aus Investorensicht reicht es nicht, moderate Einsparungen und Einzelheiten zum Ausstieg aus Start-ups anzukündigen. Der Aktienkurs zeigt, dass der Markt mehr erwartet, einen grösseren Umbruch.» Baloise müsse aufzeigen, wie die Ausschüttungen substanziell angehoben werden können. Falls das nicht passiere, dürfte Baloise etwa von Cevian stärker unter Druck geraten. Vontobel gehört eigenen Angaben zufolge zu den zehn grössten Baloise-Aktionären. Ein Baloise-Sprecher erklärte zu den Investoren-Forderungen lediglich, das Unternehmen werde am Donnerstag seine strategischen Überlegungen präsentieren.

Cevian hat sich bisher nicht zu seinen konkreten Absichten geäussert. Doch der Finanzinvestor hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er nicht zimperlich ist und etwa auf den Verkauf von Teilbereichen hinarbeiten kann, erklärte Analyst Daniel Bosshard von der Luzerner Kantonalbank. «Und wir haben auch schon gesehen, dass sie bereit sind, Teile oder das ganze Management auszuwechseln, wenn sie finden, dieses Management ist nicht geeignet für die Zukunft.» Angriffsfläche bietet Baloise insbesondere beim Verwaltungsrat. Von den neun Mitgliedern des Gremiums haben lediglich zwei Versicherungsexpertise, eine davon als frühere Leiterin des Cyber-Bereichs von Swiss Re.

«Ein anderes Szenario ist, dass Baloise zu einem Übernahmeziel werden könnte», so Vontobel-Experte Brun zu dem Konzern, der gegenwärtig auf einen Börsenwert von 7,5 Milliarden Franken kommt. Zu den möglichen Interessenten gehen die Meinungen der Experten allerdings auseinander, genannt werden etwa Allianz und Zurich. 

(Reuters)