Der deutsche Leitindex Dax etwa könnte vor einer ausgedehnten Sommerkorrektur stehen, meint Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Bereits in der abgelaufenen Woche hat der Dax rund vier Prozent auf 15'560 Zähler verloren und sich damit deutlich von der psychologisch wichtigen 16'000-Punkte-Marke entfernt.

Mit Argusaugen wird derzeit vor allem die Geldpolitik der US-Notenbank verfolgt, die in ihrem Zinserhöhungs-Marathon zuletzt eine Pause eingelegt und die Leitzins-Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent beibehalten hatte. Einige Investoren hatten darauf gehofft, dass die Federal Reserve nun schon bald erste Signale für Zinssenkungen zum Jahreswechsel aussenden könnte. Doch aus Sicht von Experten werden Investoren wohl vorerst mit einem hohen Zinsniveau leben müssen.

Nach gemischt aufgefassten Signalen vom US-Arbeitsmarkt haben die US-Börsen eine Berg- und Talfahrt am Freitag mit Kursabschlägen beendet.  Während mit 209.000 neuen Jobs außerhalb der Landwirtschaft weniger Stellen aufgebaut wurden als erwartet, blieben die Investoren angesichts eines robusten Lohnwachstums in Deckung. "Die heutigen Zahlen bestätigen, dass der Arbeitsmarkt immer noch stark ist(...), und dieser Bericht gibt der Fed grünes Licht für eine Zinserhöhung", sagte Peter Cardillo, Chefmarktökonom bei Spartan Capital Securities.

Im Kampf der Notenbank gegen die Inflation birgt ein auf Hochtouren laufender Jobmarkt Risiken. Unternehmen müssen neues Personal oft mit höheren Löhnen locken und versuchen, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzureichen. Händler rechnen mehrheitlich immer noch damit, dass die Zinsen in diesem Monat auf eine Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent angehoben werden.

"Es ist eine ungewöhnliche Zeit - wir erhalten die Nachricht, dass es der Wirtschaft ganz gut geht, mit einer Beschäftigung, die als Rückenwind für das Wachstum angesehen wird", sagte Investmentstratege Steve Wyett von BOK Financial. "Aber zur gleichen Zeit bringt dass die Fed in die Lage, noch mehr Arbeit erledigen zu müssen.

Konjunktur- und Preisdaten der nächsten Monate entscheidend

Entscheidend für das weitere Vorgehen sind vor allem die Konjunktur- und Preisdaten der nächsten Monate. In den USA steht in der neuen Woche die Veröffentlichung der Verbraucher- und Erzeugerpreise (Mittwoch und Donnerstag) für Juni auf der Agenda. Commerzbank-Analyst Christoph Balz erwartet, dass der Inflationsdruck wohl nachgelassen hat - auch bei der wichtigen Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise außen vor bleiben. "Dies dürfte von der US-Notenbank begrüßt werden, aber eine weitere Zinserhöhung Ende des Monats nicht verhindern", meint der Experte.

Auch im Euroraum bleiben das Thema Zinserhöhungen und die Furcht vor den wirtschaftlichen Konsequenzen Gesprächsthema Nummer eins. Zuletzt hatten sich einige EZB-Währungshüter für ein vorsichtigeres Vorgehen ausgesprochen. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco regte sogar eine Zinspause an.

Die EZB hat die Schlüsselzinsen im Kampf gegen die Inflation bereits acht Mal in Folge erhöht. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz liegt mittlerweile bei 3,50 Prozent - das höchste Niveau seit 22 Jahren. Für die nächste Zinssitzung in diesem Monat rechnen viele Experten mit einer weiteren Erhöhung um einen viertel Prozentpunkt.

Wie es um die Wirtschaft in der Euro-Zone bestellt ist, dürften die Daten zur Industrieproduktion für Mai (Donnerstag) zeigen. Aus den Daten des Statistischen Bundesamts vom Freitag geht hervor, dass die deutschen Unternehmen ihre Produktion im Mai überraschend gedrosselt haben.

"Es lässt sich nicht leugnen, dass der Konjunkturmotor weiterhin untertourig läuft", sagte Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW. Ebenfalls auf der Agenda für die nächste Woche steht der ZEW-Konjunkturindex, der am Dienstag veröffentlicht wird. Zuletzt hatten Börsenprofis ihre Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft im Juni überraschend nach oben geschraubt.

Handelsstreit zwischen den USA und China im Blick

Neben der Zinspolitik dies- und jenseits des Atlantiks behalten die Investoren auch den Handelsstreit zwischen den USA und China im Blick. Der Ton habe sich zuletzt massiv verschärft, erklärten Experten.

China will die Ausfuhr bestimmter, für die Chip-Herstellung wichtiger Rohstoffe erschweren, nachdem die USA den Export von Hochleistungschips an die Volksrepublik beschränkt hat. Der wiederaufflammende Handelskonflikt belaste den Dax, heißt es in einem Kommentar vom Broker IG.

Auf der Unternehmensseite dürfte die Eröffnung der Berichtssaison für das zweite Quartal bei den US-Banken für Spannung sorgen. Ende der Woche lassen sich Branchenschwergewichte wie JP Morgan Chase, Wells Fargo und Citigroup in ihre Bücher schauen.

Trotz der positiven Ergebnisse des jährlichen Stresstests der US-Großbanken warten die Anleger auf Kommentare der Manager zur Stabilität der Einlagen und zur wirtschaftlichen Lage. Im Frühjahr waren die Silicon Valley Bank (SVB) und noch weitere regionale Geldhäuser im Zuge der FED-Zinserhöhungen kollabiert.

(Reuters)