Herr Preissler, durch die 90-tägige Zollpause hat sich die Lage an den Börsen etwas entspannt. Trotzdem sind die Unsicherheiten gross. Was erwarten Sie von der Zukunft?
Ich bleibe optimistisch. Man kann über Donald Trump denken, was man will, aber am Ende hat er wirtschaftliche Ziele. Trotz der Absurditäten rechne ich bei den Zöllen mit einer Einigung.
Es braucht viele Deals. Sind sie der Treiber für die Kurse?
Ja. Es könnte bald zu Deals mit Japan und Südkorea kommen. Dann kann Trump sagen: «So sieht ein Deal aus, nehmt euch ein Beispiel.» Macht er so die Tür auf, könnten sich die Märkte nachhaltig beruhigen. Die positiven konjunkturellen Grundtrends, die vor Trumps Ausraster in Europa und China sichtbar waren, könnten sich wieder durchsetzen. Aber die Zeit drängt.
Warum?
Je länger sich die Unsicherheit hinzieht, desto grösser sind die Risiken für die Realwirtschaft. Eine Spirale aus Konsumzurückhaltung und Arbeitslosigkeit könnte sich zu drehen beginnen, die Trump nicht mehr aufhalten kann. Es käme zu einer Rezession – und jeder weiss, dass sie seinen Namen tragen würde. Die 90-Tage-Frist endet im Juli. Im Sommer sind die Märkte durch das geringe Handelsvolumen anfällig für eine Korrektur. Wir brauchen also bald eine Blaupause für einen Deal. Je schneller das passiert, desto eher kommen wir ums Schlimmste herum.
Was, wenn es mit vielen Ländern Deals gibt, mit China aber nicht?
Die USA und China leben in einer gegenseitigen Abhängigkeit, daher ist es in beiderseitigem Interesse, dass es zu einer Einigung kommt.
Trump könnte einer Ideologie folgen und Schäden in Kauf nehmen.
Es ist ein Risiko, dass Trump stärker von libertären Einflüsterern beeinflusst wird, als wir denken. Das bereitet auch mir Kopfzerbrechen. Aber ich glaube an seine Wirtschaftsinteressen.
Die Notenbanken spielen bisher eine Nebenrolle. Wird sich das ändern?
Da China Europa mit billigen Produkten überschwemmen könnte, steigt hier die Gefahr der Disinflation. Das eröffnet der EZB viel Raum für Zinssenkungen. Sind am US-Arbeitsmarkt erste Schleifspuren erkennbar, wird die Fed einschreiten, egal was die Inflation macht. Das war auch in der Finanzkrise so. Ich hoffe jedoch, dass es gar nicht so weit kommt.
Also grünes Licht für Anleger?
Kommt eine Rezession, würden die Märkte nicht 20, sondern eher 40 Prozent verlieren. Aber das ist nicht unser Basisszenario. Ruhe bewahren ist der beste Rat den man Anlegern geben kann. Wir sind optimistisch, dass das Ganze am Ende geregelt über die Bühne geht.
Harald Preissler ist Kapitalmarktstratege und Vizepräsident des Verwaltungsrats von Bantleon. In BILANZ hat er die Einführung von Zöllen vorhergesagt.
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Aus dem Interview: Es ist ein Risiko, dass Trump stärker von libertären Einflüsterern beeinflusst wird...
... Habe ich etwas verpasst, Libertäre sind für Freihandel...