Nicht der Staat, sondern Unternehmer wie Jeff Bezos, Elon Musk und Richard Branson planen mit ihren Firmen Blue Origin, SpaceX und Spaceship Company die Revolution der Raumfahrt durch kostengünstige und leistungsstarke Raketen. Letztes Wochenende war es beispielsweise wieder soweit: Das grösste jemals gebaute Raketensystem in der Raumfahrtgeschichte, «Starship», des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX von Tech-Milliardär Elon Musk, hat seinen fünften Testflug erfolgreich abgeschlossen. Erstmals wurde bei diesem Test die untere Raketenstufe direkt am Startturm wieder gelandet – ein voller Erfolg.

Das rund 120 Meter lange «Starship»-System soll künftig über 100 Tonnen Ladung transportieren können. Mit «Starship» will die NASA Astronauten auf den Mond bringen, und SpaceX hofft, eines Tages den Mars zu erreichen. Die für 2026 geplante Raumfahrtmission Artemis III der NASA, an der 21 Länder teilnehmen, hat das klare Ziel, eine dauerhafte menschliche Präsenz auf dem Mond sicherzustellen.

«Die Entwicklung der Weltraumwirtschaft ebnet den Weg für innovative Lösungen, die viele der Herausforderungen bewältigen können, mit denen wir auf der Erde konfrontiert sind. Dabei werden Technologien und Ressourcen aus dem Weltraum genutzt, um das Leben auf unserem Planeten zu verbessern», ist Alicia Daurignac, Analystin bei La Financière de l’Echiquier (LFDE), überzeugt.

2,7 Billionen Dollar bis 2040?

Diese neue Weltraumrevolution bietet wohl ungeahnte Möglichkeiten. Der Markt der privaten Raumfahrt wird derzeit auf 400 Milliarden Dollar geschätzt und könnte bis 2040 die Marke von 2,7 Billionen Dollar erreichen. Treiber dieser rasanten Entwicklung sind technologische Fortschritte, die Wiederverwendung von Raketen, sinkende Startkosten, die Entwicklung von Weltraumfabriken sowie die zunehmende Beteiligung privater Akteure und öffentlich-privater Partnerschaften. Diese Revolution schafft völlig neue Anlagegelegenheiten.

Mit immer neuen Entwicklungen erlebt die Raumfahrt einen regelrechten Boom. Daurignac sieht ein exponentielles Wachstum im Transport von Gütern in den Weltraum, begünstigt durch die stark gesunkenen Kosten. Betrugen die Kosten vor 15 Jahren noch 25'000 Dollar, so kostet es heute nur noch 2500 Dollar, ein Kilogramm Fracht ins All zu befördern. Mit der neuen Starship-Rakete von SpaceX könnten die Kosten sogar auf rund 250 Dollar sinken.

Diese bessere Zugänglichkeit zum Weltraum ermöglicht die Beteiligung neuer Akteure wie des amerikanischen Unternehmens Rocket Lab. Dessen Geschäftsmodell der kostengünstigen und wiederverwendbaren Raketen trägt zur Weiterentwicklung der Satellitenindustrie bei, die Schätzungen zufolge bis 2027 um jährlich neun Prozent wachsen wird. Rocket Lab ist insbesondere an der Raumfahrtmission Escapade der NASA zur Erforschung der Magnetosphäre des Mars beteiligt und wird zwei Raumfahrzeuge entsenden, die Ende September von Cape Canaveral aus starten sollen.

Geopolitik spielt mit

Die Raumfahrt nimmt in der aktuellen geopolitischen Lage einen strategischen Stellenwert ein, da die Verteidigungsausgaben steigen und Regierungen die industriellen Kapazitäten in diesem Bereich stärken wollen. Im März führten Frankreich und die USA Gespräche zur Intensivierung der Zusammenarbeit in der Raumfahrt. Themen waren Marktzugang, Regulierung und kommerzielle Partnerschaften. Beteiligt waren Unternehmen wie BAE, BlackSky, Blue Origin, Boeing, Lockheed, Northrop, Rocket Lab, RTX und SpaceX.

Der Sektor ist strategisch bedeutend und umfasst Aspekte wie Einfluss, Vorherrschaft, Innovation und hochwertige Arbeitsplätze. Zukünftige Ausgaben für den Raumfahrtsektor werden einen erheblichen Teil der Verteidigungsetats ausmachen und an Rüstungsunternehmen weitergegeben.

In Europa spielen Airbus, Safran, Thales und Leonardo eine zentrale Rolle in der Raumfahrtindustrie. Airbus entwickelt über Airbus Defence and Space wichtige Raumfahrzeuge, Satelliten und Trägersysteme, darunter die Ariane-Rakete, in Zusammenarbeit mit der ESA. Safran ist insbesondere durch das Joint Venture ArianeGroup mit Airbus bedeutend, da es Triebwerke für die Ariane-Raketen liefert. Thales Alenia Space, eine Tochtergesellschaft von Thales, ist führend in der Entwicklung von Kommunikations- und Wissenschaftssatelliten. Leonardo, über seine Tochtergesellschaft Telespazio, ist stark in der Satellitentechnologie engagiert und bietet Dienstleistungen in den Bereichen Satellitenkommunikation, Erdbeobachtung und Weltrauminfrastruktur an.

Raumfahrt weckt Fantasie

Die neuen Möglichkeiten der Raumfahrt wecken Fantasie – Fantasie für Science-Fiction. Bis zum Jahr 2030 sind nicht weniger als 150 Missionen zur Erforschung des Mondes geplant. Missionen zur Beförderung von Astronauten, Versorgungsgütern und Infrastrukturen werden voraussichtlich der stärkste Wachstumsmotor der Raumfahrtwirtschaft sein und im kommenden Jahrzehnt 216 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. «Immer mehr etablierte und aufstrebende Akteure denken darüber nach, die neuen Einnahmequellen zu nutzen, die sich aus der Erschliessung des Mondes und interplanetarer Erkundungsmissionen ergeben», sagt Alicia Daurignac.

Die Privatisierung des Raumfahrtsektors nimmt Fahrt auf, und laut Daurignac wird diese Wende im Laufe des Jahrzehnts zur Entstehung neuer Weltraumfabriken führen die voraussichtlich die Forschung und Entwicklung des «in Space Manufacturing» vorantreiben werden. «Der Markt für ‹Space Manufacturing› dürfte bis 2040 ein Volumen von 62,8 Billionen US-Dollar erreichen. Bei der Herstellung und Montage in der Erdumlaufbahn lässt sich die dortige Mikrogravitation für hochpräzise Fertigungen nutzen», prognostiziert die Analystin des französischen Vermögensverwalters.

Auf diese Weise können zahlreiche Herausforderungen gelöst werden. So hat beispielsweise Redwire, Branchenführer im Bereich des Bioprinting unter Mikrogravitation, 2023 einen Auftrag über 14 Millionen Euro von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zur Entwicklung eines 3D-Geräts («BioSystem») erhalten. Ausserdem kündigte Redwire im März eine weitere Weltraummission in Zusammenarbeit mit dem Labor Eli Lilly an, um die Forschung und Entwicklung von Medikamenten gegen Autoimmunkrankheiten zu intensivieren.

Kursgewinne von bis zu 173 Prozent

Zu den reinen Raumfahrtunternehmen gehören Titel wie Redwire und MDA SpaceMDA Space ist ein kanadisches Raumfahrttechnikunternehmen, das seit seiner Gründung im Jahr 1969 eine führende Rolle in diesem Bereich einnimmt. Es spezialisiert sich auf Raumfahrtsysteme, Robotik und Geointelligenz und arbeitet weltweit mit Kunden aus dem privaten und öffentlichen Sektor zusammen. Die Aktie hat seit Jahresbeginn 85 Prozent zugelegt. Für 2025 wird ein Umsatzwachstum von 32 Prozent erwartet, bei einer adjustierten EBITDA-Marge von 19,6 Prozent.

MDA hat an bedeutenden Raumfahrtprojekten wie dem Canadarm2 für die Internationale Raumstation und am Lunar Gateway mitgewirkt. Neben Beiträgen zur Weltraumrobotik beteiligt sich MDA auch an Erdbeobachtungsmissionen wie der RADARSAT Constellation, die zur Überwachung des Klimawandels, von Naturkatastrophen und globalen Ökosystemen genutzt wird.

Die Erdbeobachtungsindustrie befindet sich im Umbruch und setzt zunehmend auf kleinere Satelliten in niedrigeren Umlaufbahnen (500 km statt 35'000 km). Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz können beobachtete Veränderungen gründlicher analysiert werden. So liefern beispielsweise 26 der von der UNO ermittelten 50 Indikatoren zur Beobachtung des Klimawandels Daten, die aus Satellitenbildern stammen.

«Earth Observation, ein von Planet Labs entwickelter Dienst, produziert Bilder und Daten, die von verschiedenen Sektoren, darunter Regierungen, Industrien und der Landwirtschaft genutzt werden können», so Daurignac. Diese Anwendungen spielen beispielsweise in Bereichen wie dem Schutz natürlicher Ressourcen und der Überwachung von Naturkatastrophen eine entscheidende Rolle, so Alicia Daurignac. Die Nutzung von Satellitendaten gewinnt an wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Bedeutung und wird zweifelsohne unsere Zukunft beeinflussen.

Redwire ist ein Unternehmen, das innovative technische Lösungen zur Erkundung, Erforschung und Kommerzialisierung des Weltraums anbietet. Die Aktie verzeichnete einen Kursanstieg von 173 Prozent und stellt damit fast Nvidia in den Schatten. Redwire ist spezialisiert auf Weltraumrobotik, Solaranlagen und 3D-Druck im Weltraum und beteiligt sich an staatlichen und kommerziellen Weltraummissionen. Die fortschrittlichen Systeme und Komponenten des Unternehmens sind entscheidend für den Bau und die Wartung von Weltraumhabitaten, Satelliten und Raumfahrzeugen.

Raumfahrt-ETFs bieten eine diversifizierte Anlagemöglichkeit in diesem Sektor, wodurch das Risiko reduziert wird, da ein ETF in mehrere Aktien gleichzeitig investiert. Ein bekannter Fonds ist der «VanEck Space Innovators UCITS ETF» mit einer Gesamtkostenquote von 0,55 Prozent. Im laufenden Jahr hat dieser ETF eine Rendite von 15 Prozent erzielt.

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