Es ist das übergeordnete Ziel bei jedem Aktienkauf, eine ansprechende Rendite zu erzielen. Jedoch klingt dies einfacher, als es ist. Anlegerinnen und Anleger besitzen zwar meist Gewinner-Aktien im Portfolio. Doch der noch nicht realisierte Gewinn - auch Buchgewinn genannt - ist oftmals so schnell weg, wie er zustande gekommen ist. Oder man verkauft zu früh und trauert dem entgangenen Gewinn nach, wenn die Aktie weiter steigt.
Ein Grund für die Schwierigkeiten, die Anlegerinnen und Anleger mit dem Erzielen einer Rendite haben, liegt an der Natur der Börse. Es werden laufend Informationen in die Kurse eingespeist. Hier einen Überblick zu behalten und zeitnah zu handeln, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Der ideale Zeitpunkt für die Gewinnmitnahme wird als Konsequenz nahezu nie erwischt.
Ein anderer Grund ist die menschliche Psyche: Bei den Gewinner-Aktien fehlt es den Anlegern meist an Mut. Viele haben Angst, dass sie einen erreichten Buchgewinn von beispielsweise 20 Prozent verlieren könnten und verkaufen dann überhastet. Und dort, wo die Richtung seit einiger Zeit ins Negative zeigt, wird festgehalten. In ungemütlichen Marktphasen wie dem Corona-Absturz im März 2020 zeigt sich dieses menschliche Dilemma am deutlichsten: Die Gewinner wurden meist abgestossen und die Verlierer weiter im Depot gehalten.
Folgende Strategien vermindern den Einfluss der menschlichen Psyche und bieten Sicherheit und Systematik bei Gewinnmitnahmen:
1) Mit Stop-Loss-Aufträgen Gewinne absichern
Stoppkurse bieten Anlegerinnen und Anlegern Sicherheit: Hat man eine Aktie für 10 Franken gekauft und der Aktienkurs beläuft sich aktuell auf 12 Franken, wird ein Stop-Loss Auftrag bei beispielsweise 11 Franken erstellt. Anstatt die Aktie überhastet zu verkaufen, weil sie einen Buchgewinn von 20 Prozent aufweist, wird sie so gegen unten abgesichert. Wenn die Aktie 11 Franken unterschreitet, kommt es automatisch zu einem Verkauf der Aktien-Position im Depot - 10 Prozent Kursrendite sind gesichert.
Im Idealfall erstellt man bereits beim Kauf einer Aktie einen Stop-Loss-Auftrag. Und immer dann, wenn die Aktie ein neues Hoch erreicht, wird der Zielkurs des Stop-Loss-Auftrages nach oben verschoben. So wird nach und nach ein immer höherer Gewinn abgesichert. Oder eine Aktie, die sich als Verlierer entpuppt, frühzeitig aus dem Portfolio gekickt. Wie viel tiefer der Stop-Loss-Auftrag angesetzt wird, hängt alleine von der Risikobereitschaft ab. Je mehr Spielraum, desto riskanter.
Das manuelle Nachziehen ist aber nur für Anlegerinnen und Anleger geeignet, die sehr regelmässig ihr Portfolio begutachten und pflegen wollen. Einfacher ist eine Automatisation dieses Vorgangs mit dem Trailing-Stop-Auftrag. Dies ist eine besondere Art des Stop-Loss-Auftrages, der zum Zwecke der Gewinnsicherung automatisch nachzieht, wenn der Aktienkurs steigt. Sollte der Aktienkurs sinken, bleibt dieser jedoch unverändert.
Doch aufgepasst: Beim klassischen Stop-Loss-Auftrag wird die Aktie zum gegenwärtigen Marktpreis verkauft. Dieser kann im Falle einer starken Kurskorrektur deutlich unter dem vom Anleger gewünschten Niveau liegen - Insbesondere bei tiefer Liquidität. Anstatt dass die Aktie gemäss dem Stop-Loss-Auftrages bei 11 Franken verkauft wird, beläuft sich der erzielte Verkaufspreis beispielsweise auf 10,8 Franken. Um dieses Risiko zu reduzieren, bieten sich der Stop-Limit-Auftrag an. Die Kursuntergrenze wird um eine Limite ergänzt. Bei Erreichen des Zielkurs wird der Verkaufsauftrag nur ausgeführt, wenn der Aktienkurs während der Gültigkeit des Auftrages nicht auch unter die zusätzlich gesetzte Limite fällt.
2) Mehr Spielraum durch Teilgewinnmitnahmen
Viele Anlegerinnen und Anleger stehen trotz der Gewinnabsicherung mit dem Stop-Loss-Auftrag vor einem Dilemma: Die Gewinne einfach laufen lassen oder Teilgewinne mitnehmen? Für das Mitnehmen von Teilgewinnen gibt es gute Argumente. Mit dem freigesetzten Kapital erhöhen Anlegerinnen und Anleger erstens ihre eigene finanzielle Flexibilität. Zweitens reduziert sich das Verlustrisiko. Man kann den Gewinner-Aktien danach mehr Freilauf geben.
Bei der Frage zur Höhe der Gewinnmitnahmen scheiden sich die Geister und ist sehr individuell: Eine der Möglichkeiten, wie man das gesamte Verlustrisiko reduzieren kann, ist die "50-50"-Regel. Diese legt nahe, profitable Positionen zur Hälfte zu verkaufen. Die Hälfte der Buchgewinne hat man so gesichert. Eine noch radikalere Methode besteht darin, den ursprünglichen Einsatz zu verkaufen und nur mit dem Gewinn weiterzumachen.
Teilgewinne sollten aber nicht nach dem Prinzip Zufall realisiert werden. Eine Orientierungshilfe bietet der Kursverlauf selbst - wenn Schwächesignale ersichtlich sind. Um diese zu identifizieren, bietet sich die Chartanalyse an. Ein technischer Indikator wie der Relative-Stärke-Index (RSI) ist beispielsweise auch für eher unerfahrene Börsianer geeignet.
Der RSI gibt Auskunft darüber, ob das Wertpapier überkauft oder überverkauft ist und reicht von 0 bis 100. Aktien mit einem RSI von über 70 Prozent werden gemeinhin als "überkauft" betrachtet, Werte mit einem RSI unter 30 als "überverkauft". "Überkauft" oder "überverkauft" bedeutet in diesem Kontext einzig, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit zur Gegenbewegung besteht. Bewegt sich der RSI bei einer Aktie im Aufwärtstrend aus dem überkauften Territorium, ist dies ein Signal für eine Gewinnmitnahme.
3) Kursziele als aufwendiger Königsweg
Der wohl aufwendigste aber systematischste Weg zur Gewinnmitnahme erfolgt jedoch mit einem vordefinierten Kursziel. Jeder Aktie im Portfolio wird beim Kauf ein Zielwert mitgegeben. Damit werden die Gewinne nicht einfach laufen gelassen, sondern ein potenzieller Ausstiegspunkt im Voraus definiert, was Anlegerinnen und Anlegern auch Planungssicherheit gibt. Zur Ermittlung des Kursziels können Kennzahlen, Unternehmensnachrichten und Analystenberichte hinzugezogen werden.
Wird das vordefinierte Kursziel erreicht, sollten Anlegerinnen und Anleger verkaufen. Die einzige Ausnahme ist, wenn die Aktie auch nach dem Kursanstieg wie ein Schnäppchen aussieht und nach einer Neubeurteilung weiteres Potenzial aufweist. Dieses Szenario tritt häufig ein, da gerade innovative und starke Unternehmen über gut laufende Aktien verfügen. Beispielsweise relativiert sich das starke Kurswachstum der Google-Aktie der vergangenen Jahre angesichts des gleichzeitig starken Umsatz- und Gewinnwachstums.
Kursziele bieten neben der systematischen Herangehensweise auch einen weiteren Vorteil. Sie erlauben es, Gewinnmitnahmen gestaffelt auszuführen. Hat man eine Aktie für 10 Franken gekauft und definiert ein Kursziel von 12 Franken, verkauft man beispielsweise einen Drittel des Positionswerts beim Erreichen von 11,5 Franken - sobald 75 Prozent der Distanz zwischen Einstiegskurs und Kursziel durchschritten sind.
Das zweite Drittel wird beim Überschreiten des Kursziels – hier 12 Franken - verkauft. Den dritten Teil lässt man laufen. Einerseits werden so Gewinne laufend und gemäss einem Plan realisiert, andererseits das Verlustrisiko minimiert. Ein beträchtlicher Nachteil besteht bei mehreren Gewinnmitnahmen aber darin, dass dadurch zusätzliche Trading-Gebühren anfallen.