Jeder will es, doch nur die wenigsten schaffen es. 

Die Rede ist von Alpha - oder einer Überrendite gegenüber dem Markt. Zwar gelingt es vielen Investoren, den Markt über eine kurze Dauer zu schlagen, doch über einen sehr langen Zeitraum erreichen nur extrem wenige dieses Ziel. Warren Buffett ist so eine Person. 

Für die Erzielung von Alpha gibt es viele Strategien. cash.ch zeigt zwei davon. Die eine Strategie hat ihren Ursprung in der kurzfristigen Ausnutzung von Informationsvorsprüngen und Halten von missverstandenen Unternehmensaktien. Die zweite Strategie fokussiert sich auf die langfristige Evaluation von Wettbewerbsvorteilen, den Wert von zukünftigen Cashflows und Reinvestitionen ins operative Geschäft. 

Zurück in die Vergangenheit

Die Schweiz bietet eigentlich hervorragendes Terrain für die Ausnutzung von Informationsvorteilen - das ist nicht zu verwechseln mit Insider-Informationen. Im Swiss Performance Index (SPI) wird die Hälfte der Unternehmen von nur drei Finanzanalysten oder weniger abgedeckt. Etwa ein Drittel der SPI-Unternehmen werden gar nicht Analysten abgedeckt. Zum Vergleich: Bei den Aktien des Swiss Market Index ist es üblich, dass sie jeweils von 20 oder mehr Experten abgedeckt werden.

Die Anzahl der zuständigen Analysten beeinflusst natürlich den «Newsflow». Grundsätzlich gilt: Je mehr Analysten, desto mehr Informationen sind über d»as jeweilige Unternehmen verfügbar. Das verkleinert die Wahrscheinlichkeit, Informationsvorsprünge zu erlangen. Umgekehrt bietet ein kleiner Newsflow Chancen.

Die Privatbank Mirabaud hat kürzlich bekanntgegeben, dass sie ihr Research zu Schweizer Aktien aufgibt. Phil Macartney, Co-Manager des «Jupiter Pan-European Smaller Companies Fund», nennt diese Entwicklung für kleinere und mittlere an der Börse kotierte Unternehmen «verheerend». Diese Unternehmen brauchen diese Berichterstattung, um an Kapital zu kommen. Heute gibt es noch eine Handvoll Finanzunternehmen, die kleinere Unternehmen in der Schweiz abdecken.

Aber: Der Portfoliomanager sieht für aktive Investoren darin auch enorme Vorteile. «Es ist fast wie eine Reise zurück in die Vergangenheit», sagt er. Er vergleicht es mit den 1980er Jahren, als niemand über Aktien berichtete und man auf Reisen gehen musste, um die Unternehmen und das Management zu treffen und ihr Geschäft zu verstehen. 

Macartney ist davon überzeugt, dass aufgrund dieser Entwicklung das aktive Management enorme Vorteile bringt. Der mit der reduzierten Berichterstattung einhergegangene Abzug an Liquidität hat dazu geführt, dass Aktien im Small- und Mid-Cap-Segment nun überdimensional reagieren.

«In diesem Universum zahlt es sich aus, auf die Suche nach Juwelen zu gehen, die nicht so gut abgedeckt sind - die vielleicht vom Radar verschwunden sind», so Macartney. Die Volatilität biete Chancen, Unternehmen mit Qualität und Wachstum zu einer relativ attraktiven Bewertungen zu kaufen.

Der Portfoliomanager erwähnt aber noch einen weiteren Punkt: De-Equitisierung. «Wenn wir als Aktieninvestoren guten Unternehmen nicht die nötige Glaubwürdigkeit für ihre Qualität, ihr Wachstum und die richtige Bewertung des Eigenkapitals verleihen, werden die privaten Märkte einspringen.»

Zwar lässt sich durch die Übernahme eines kotierten Unternehmen durch ein Private-Equity-Unternehmen auch Geld verdienen, doch das Angebot im Small- und Mid-Cap-Bereich dürfte damit kleiner und kleiner werden. Investoren hätten dann nur noch die effizienteren Blue Chips als Anlagealternative. Macartney nennt diese Entwicklung «traurig».

Bewertungsmodelle sind je nach Zeitdauer ineffizient

Einen anderen Weg wählt die Privatbank Pictet in ihrem Fonds «Swiss Equity Opportunities». Mit Hilfe eines Bottom-Up-Auswahlprozesses versuchen die Manager der Privatbank, erstklassige und langfristige Anlagen in Schweizer Unternehmen zu identifizieren.

Sie legen dabei den Fokus auf die Cashflow-Rendite der Investition, den wirtschaftlichen «Burggraben» sowie den Zinseszinseffekt der Reinvestitionen ins operative Geschäft des Unternehmens. Lorenz Reinhard, Bereichsleiter Schweizer Aktien bei Pictet Asset Management, sieht den Vorteil dieser Herangehensweise, in der Ineffizienz des Marktes diesen Zinseszinseffekt auf eine sehr lange Zeitdauer korrekt zu modellieren. Dies kann ein aktiver Manager ausspielen.

Zu Beginn identifiziert Pictet strukturelle Trends, die über einen langen Zeitraum andauern dürften und Sektoren, die davon profitieren. Als Beispiele werden Datenzentren oder die Langlebigkeit erwähnt. Da gemäss Pictet viele Marktakteure einen eher kurzfristigen Analyseansatz verfolgen, versuchen die Experten mit einem Anlagehorizont von zehn oder mehr Jahren die erwähnten Ineffizienzen aufgrund mangelnder Modellpräzision und Marktabdeckung auszunutzen.

Auf die Frage ob die Gewichtung der Bewertungskennzahl der Cashflow-Rendite nicht gewisse Sektoren bevorzugt beziehungsweise andere vernachlässigt und damit Diversifikationsrisiken entstehen, erwidert Reinhard, dass aktive Manager «keine Verpflichtung» haben, in alle Sektoren investieren zu müssen. Sektoren, die nun mal höhere Cashflow-Renditen erwirtschaften, sollen auch eine höhere Gewichtung erhalten. Die Abkehr vom Benchmark ist gewollt. Ohne diese wäre es nicht möglich, Alpha zu erwirtschaften.

Als weitere Alpha-Komponente setzt der Fonds im Gegensatz zur Jupiter-Strategie Long- und Short-Investments ein. Netto wird kein Leverage eingesetzt, doch mit den Shorts in vermeintlich «schlechtere» Unternehmen wollen die aktiven Manager die Wetten in «starke» Unternehmen zusätzlich verstärken und übergewichten. Der erwartete positive Differenzbetrag erhöht das Alpha weiter.

Der Heilige Gral

Wie schwer die Erzielung von Alpha ist, zeigen die beiden Beispiele. Zweifelsohne positionieren sich die beiden Anlageprodukte in einer Nische, punkten mit einer durchdachten Anlagestrategie und weichen in der Portfoliokomposition erheblich vom Referenzindex ab - das ist gut.

Nur: Leider weisen beide Fonds über eine längere Zeitdauer ein negatives Alpha auf. Gemäss Daten von Lipper beträgt das Alpha des Pictet-Fonds minus 0,19 Prozent pro Jahr für die vergangenen drei Jahre. Der Jupiter-Fonds hat eines von minus 0,41 Prozent. Das Alpha des Pictet-Fonds steigt bei einem längeren Anlagezeitraum von einer Dekade auf minus 0,03 - den Jupiter-Fonds gibt es erst seit dem Jahr 2020.

Doch wer denkt, dass der Pictet-Fonds allein aufgrund dieser Kennzahl besser ist, irrt. Die Höhe des Alpha hängt massgeblich von der Wahl des Benchmarks ab. Für die Berechnung ist dieser nämlich zentral. Je schlechter der Referenzindex, desto einfacher ist es, diesen zu schlagen.

Pictet verwendet den Swiss Performance Index (SPI), Jupiter verwendet den MSCI Europe Small Cap Index. Während der SPI in den vergangenen 10 Jahren gemäss Daten von LSEG um knapp 90 Prozent avancierte, stieg der MSCI-Index um fast 114 Prozent.

Nur noch schwieriger als die Auswahl des richtigen Managers oder Anlagestrategie ist demnach das Erwirtschaften von Alpha. Nicht umsonst gilt es als das ultimative Ziel eines jeden Anlegers. Doch gewisse Bereiche am Schweizer Aktienmarkt bieten ideale Voraussetzungen dafür. 

Luca_Niederkofler
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