Mit einem SMI-Plus von gut 5 Prozent in den ersten acht Handelstagen des neuen Jahres hat der Schweizer Blue-Chip-Markt eine starke Performance hingelegt. Die Kurse haben in den ersten Tagen des Jahres davon profitiert, dass weltweit die Zinsangst etwas zurückgewichen ist. Auch zur Rezession, zu den Konjunkturaussichten in China und zur Energieversorgung sind die Einschätzungen positiver geworden. Was im Bild noch weitgehend fehlt, sind die Unternehmensgewinne für das vergangene Jahr respektive das vierte Quartal 2022.
Die ersten veröffentlichten Zahlen von börsenkotierten Schweizer Unternehmen haben der Stimmung allerdings einen Dämpfer gegeben. Umsatzzahlen und Ausblicke sind bei mehreren Paradefirmen sorgten für Unruhe. Haben Profitwarnungen beim Chip-Zulieferer VAT und beim Bauausrüster Arbonia, eine verpasste Umsatzerwartung beim Bauchemiekonzern Sika und ein Gewinneinbruch beim Tech-Unternehmen Logitech das Potential, die Stimmung zu verderben?
«Konsumneigung wird zum Hauptthema»
Remo Rosenau, Research-Leiter bei der Helvetischen Bank, warnt zunächst davor, die jüngsten Markt-Kursgewinne überzubewerten: "Das Sentiment Anfang Jahr war klar negativ, und dass der Markt so gut gestartet ist, hat wohl viele überrascht. Die Lage bleibt aber volatil." Trotz erstaunlich guten ersten Umsatzzahlen aus den USA und der Wiedereröffnung der Wirtschaft in China blieben Inflation und Zinsen ein Thema, sagt Rosenau: "Dabei ist weniger wichtig, ob die Notenbank Federal Reserve die Zinsen am Ende auf 5 oder 5,5 oder gar 6 Prozent anheben wird."
Wichtiger für die Aktienmärkte werde sein, dass das Zinsniveau dann nicht zu lange so hoch bleibe, sagt Rosenau: "Sonst hätte der Markt wohl wieder Korrekturbedarf, und die oft gehegte Erwartung, dass das zweite Halbjahr an den Aktienmärkten besser werden könnte, würde sich dann kaum bewahrheiten." Für die Unternehmen noch wichtiger werde die Konsumneigung: "Diese wird 2023 ein Hauptthema sein und die Unternehmen sehr unterschiedlich betreffen."
Die ersten Zahlen vom 2022 deuten laut Rosenau an, dass die Verkaufsvolumen im vierten Quartal vor allem in Europa gelitten, aber in den USA noch erstaunlich gut entwickelt hätten. Dies bedeute demzufolge vor allem für Firmen mit starkem Europa-Exposure momentan ein erhöhtes Risiko.
Logitech enttäuscht, VAT bestätigt Erwartungen
Der Kursabsturz von Logitech am Donnerstag von über 17 Prozent muss indessen auch als Sondersituation eingestuft werden. Der Anbieter von Peripheriegeräten profitierte noch mehr als die meisten anderen Schweizer Unternehmen von der Erholung nach dem Corona-Börsenabsturz 2020. Mit Homeoffice und Gaming nützte die Pandemiezeit dem Unternehmen in mehr als nur einem Geschäftszweig. Von schwachen Weihnachtsgeschäft 2022 und vom lahmenden Geschäft mit Firmenkunden zeigte sich das Logitech-Management jetzt selber überrascht, wie im Communiqué durchschimmerte. Der Wachstumstitel Logitech trägt mit sich das Risiko, bei Enttäuschungen stärkere Kursrücksetzer zu erleiden.
Arbonia nach fast 10 Prozent Kurseinbruch nach der Gewinnwarnung hat mit den Märkten schlecht kommuniziert. Besser machte es VAT. Die Mitteilung, dass der Auftragseingang zurückgegangen ist, hat die Aktie am Donnerstag im frühen Handel ebenfalls zurückgehen lassen. Die Verluste grenzten sich aber schnell ein. VAT hat nichts bekanntgegeben, was dem Markt in groben Zügen nicht schon bekannt gewesen ist. Die Halbleiterindustrie, welche VAT beliefert, steckt seit längerem in Schwierigkeiten. Jede Entspannung im weltweiten Halbleitergeschäft bringt VAT an der Börse gute neue Chancen. Auch der Sika-Aktienkurs hat sich nach einem Tag von den unter den Erwartungen liegenden Umsatzzahlen vom Mittwoch erholt.
Stock Picker bleiben vorsichtig
Die ersten Zahlen von Schweizer Unternehmen ändern aus Sicht eines allgemein skeptischen Marktes noch wenig an der vorherrschenden Einschätzung, dass 2023 bei Aktien vor allem ein Übergangsjahr wird. Für Anlegerinnen und Anleger bleibt Stock-Picking bis auf weiteres zentral. Aktienanalyst Rosenau behält seine Grundhaltung von 2022 bei: "Qualität ist wichtig, und profitieren werden jene Firmen, welche mit Schwierigkeiten, wie beispielsweise der sinkenden Konsumentenstimmung, besser umgehen können als andere.”
Die negativen News dieser Woche müssen nicht zwingend etwas Schlechtes bedeuten. Wenn die Unternehmen ihre Ausblicke nun schnell nach unten korrigieren, wird der Markt auch schnell mit Informationen versorgt. Für Anlegerinnen und Anleger ist dies durchaus ein Vorteil. Denn am Markt wird erwartet, dass die Kurse spätestens nach der Jahresmitte wieder steigen. Unterfüttert wird dies - gemäss Prognosen - von für den Markt positiven Bedingungen an der Zins-, Inflations- und Konjunkturfront.
Optimisten stocken bereits auf
Optimisten stehen nicht auf verlorenem Posten. Jede positive Abweichung vom Grundszenario der Märkte wäre aber schon ein Plus für den Markt. Mathieu Racheter, Leiter Aktien-Research bei Julius Bär, erachtet die Stimmung für zu negativ: "Die USA werden unserer Einschätzung nach nicht in eine Rezession fallen und die Inflation wird schneller als erwartet zurückgehen."
Bei den Unternehmenszahlen sind die Prognosen immer noch unsicher, was aber auch Chancen beinhaltet. "2022 erlebten wir einen Reset bei den Erwartungen an die Bewertungen. Zurzeit findet ein Reset bei den Erwartungen an die Gewinne statt", sagt Racheter. "Die Konsenserwartungen für die Gewinne im vierten Quartal sind stark gesunken. Zahlen für den Markt in den USA zeigen, dass im April 2022 noch von doppelstelligem Wachstum ausgegangen wurde. Jetzt liegt die Prognose bei minus 4 Prozent", Der Trend in den Gewinnschätzungen lasse sich auch auf die Schweiz übersetzen. "Somit liegt nun aber auch die Schwelle für Überraschungen tief."
Julius Bär hat im November 2022 die Untergewichtung bei den Aktien aufgehoben und ist wieder "konstruktiver" zu Aktien. Deshalb sagt Aktienspezialist Racheter: "Es macht Sinn, jetzt bereits aufzustocken und nicht erst im dritten Quartal. Wir erwarten nicht, dass die Tiefststände am Aktienmarkt vom vergangenen Oktober erneut erreicht werden."
3 Kommentare
An meine "Vorschreiber" turicum 22 und matchwinner. Bis die Aktienpreise so tiefe sinken, 25 % müssen noch einige Wirtschaftsdaten schlecht sein, z. B. Arbeitslosigkeit, Konsumverhalten und Zinsen etc. "Man" wird sich wehren, dass es nicht zu so einem Aderlass kommen wird, wie turicum voraussagt. Matchwinner schreibt: "man muss den Markt lesen können, verkaufen in die Stärke und die könnte auch noch zulegen, kaufen, wenn alle enttäuscht sind." Wer kann den Markt lesen, im besten Fall, kann man versuchen Tatsachen und Begebenheiten zu analysieren. Und, Julius Bär z. B. empfiehlt, aufzustocken weil "er" keine Tiefstände mehr wie im Oktober 2022 erwartet. Last but not least, wie wissen wir, wann alle enttäuscht sind. So verschieden wie wir Menschen sind, werden auch immer wieder individuelle Investitions-Entscheidungen getroffen, und das ist gut so. Eine Aktie kann nur verkauft werden, wenn Verkäufer und Käufer mit dem Preis einverstanden sind. Ist deshalb einer enttäuscht und der Andere Glücklich?
Ueberrascht bin ich nicht: Zuerst Corona, dann die Ukraine. Alles wird teurer, auch Rohstoffe und Energieträger. Das schmälert nicht nur das Budget der Konsumenten, sondern auch der Hersteller, wie Logitech. Bin gespannt, wie es bei anderen Konzerne es ausschauen wird. Es wird wohl sicher nicht nur bei einer Rezession kommen. Ich bleibe dabei: Ende Jahr wird der SMI 25% tiefer ausfallen! Dann wären wir noch gut bedient.
Buy Low And Sell High, BLASH, das war schon immer ein Thema. man muss den Markt lesen können, verkaufen in die Stärke und die könnte auch noch zulegen, kaufen, wenn alle enttäuscht sind. Der Markt biete viele Möglichkeiten, Erfahrung zahlt sich aus!